Erneut ist in der Wutachschschlucht bei Bonndorf die Erde in Bewegung geraten. Ein Strommast steht jetzt nur noch acht Meter vom Abgrund entfernt. Die Kreisstraße 6516 wurde gestern Mittag wegen der Sorge um herabstürzende Stromkabel bis auf Weiteres gesperrt. „Ich hatte Angst, dass Menschen etwas passieren kann“, erklärte Bürgermeister Michael Scharf. Am Dienstagnachmittag wurde der Strom von Netze BW abgeschaltet, die Stromversorgung blieb durch Umschaltungen auf die von Gurtweil kommende Leitung ins Umspannwerk Bonndorf gewährleistet, sagte der Pressesprecher von EnBW Energie, Ulrich Stark.

Im Gespräch mit dieser Zeitung versicherte er auch, dass bei seinem Unternehmen das Thema Sicherheit ganz oben stehe. „Am Mittwochmorgen werden die Stromleitungen abgebaut, um den Masten zu entlasten“, erklärte er weiter. Welche Kosten dieser Erdrutsch beim Netzbetreiber verursacht, könne er derzeit aber nicht abschätzen: „Man muss abwarten, wie die Dinge weiterlaufen. Auf jeden Fall werden die vorgesehenen Arbeiten zum Versetzen des gefährdeten Strommastes um 30 bis 50 Meter sobald als möglich von der ausführenden Firma Edison (Weinheim) weitergehen.“ Die Planungen hierfür hätten bereits im September, nach dem ersten Hangrutsch, bei Netze BW begonnen.

Auf 30 000 bis 50 000 Kubikmeter schätzen Wutachranger Martin Schwenninger und Stadtförster Steffen Wolf die Fels- und Geröllmassen, die ...
Auf 30 000 bis 50 000 Kubikmeter schätzen Wutachranger Martin Schwenninger und Stadtförster Steffen Wolf die Fels- und Geröllmassen, die in die Schlucht stürzten. Bilder:Martin Schwenninger | Bild: Martin Schwenninger

Im Bonndorfer Rathaus herrschte seit Montagmittag indessen Krisenstimmung. Am Dienstag gab es eine Sitzung im Bonndorfer Rathaus, weil Bürgermeister Michael Scharf, Stadtförster Steffen Wolf und Wutachranger Martin Schwenninger Schlimmes befürchteten, sollte der Mast umstürzen und dabei die Stromkabel reißen. Sie fürchteten, dass die Kabel dann auf die Kreisstraße 6516 bei Boll und die unter der Stromleitung befindliche Biogasanlage fallen könnten. Die Straße wurde nach Gesprächen mit Petra Hall (Amt für öffentliche Ordnung im Landratsamt Waldshut) und Oliver Gassenmeier vom Straßenbauamt des Landkreises, Polizeipostenleiter Jochen Schäuble sowie dem stellvertretenden Leiter der Straßenmeisterei Bonndorf, Marco Rogg, gegen 14.30 Uhr gesperrt. Die Zufahrt von Bonndorf nach Boll bleibt gewährleistet. Wie lange die Sperrung aufrecht erhalten wird, konnte Bürgermeister Michael Scharf gestern Nachmittag in einem Pressegespräch nicht sagen.

Seit Mai 2016 gibt es immer wieder Erdrutsche in der Wutachschlucht. Im August rutschten etwa 50 000 Kubikmeter Felsen und Kies in die Schlucht, am Montagmorgen gab es einen Erdrutsch in etwa gleicher Dimension. Menschen kamen dabei nicht zu Schaden. Dem Rathauschef war die Anspannung anzumerken: „Hier geht es um die Sicherheit von Menschen, ich muss doch wissen, ob und wen ich evakuieren muss!“ Und er war richtig sauer auf Netze BW, weil sich erst um 15.05 Uhr der Verantwortliche Leiter in Stuttgart meldete. Richard Huber versicherte dem Rathauschef telefonisch, dass es beim Abrutschen des Mastes am Abgrund keinen Dominoeffekt geben werde, der die dahinter folgenden Masten mitreißen würde.

Teilweise waren die Felsen so groß wie ein Einfamilienhaus, die beim Erdrutsch bei Boll in die Schlucht stürzten.
Teilweise waren die Felsen so groß wie ein Einfamilienhaus, die beim Erdrutsch bei Boll in die Schlucht stürzten. | Bild: Martin Schwenninger

Allenfalls sei noch ein weiterer Mast gefährdet. Er sicherte Scharf auch eine schriftliche Bestätigung zu, dass die Biogasanlage nicht gefährdet sei.

Wutachranger Martin Schwenninger, Stadtförster Steffen Wolf und Bürgermeister Scharf betonten, dass dieser Erdrutsch keinen Einfluss auf die Begehbarkeit der Wutachschlucht auf den Wanderwegen habe. „Es gibt nach wie vor seit August die Umleitung auf der Nordseite der Schlucht“, betont Schwenninger, der sich vom Ausmaß des Rutsches überrascht zeigte. Die Absperr-trassen würden verstärkt und erneuert. Es müsse klar gemacht werden, dass die Leute beim Erdrutsch nichts zu suchen hätten. „Da sind Brocken heruntergekommen, so groß wie ein Einfamilienhaus“, macht der Wutachranger noch einmal eindrücklich auf die Gefahren aufmerksam.

Für Bürgermeister Michael Scharf stellt sich die Frage, wie es mit diesem Gebiet nach den Erdrutschen weitergehe. Steffen Wolf informierte, dass nach dem Erdrutsch „mehrere Hektar Stadtwald von der Bewirtschaftung abgeschnitten“ seien. Scharf erklärte, dass er selbst bei der Versammlung der Freiwilligen Feuerwehr Boll am Samstag sein werde, um über die aktuelle Lage zu berichten.