Der 1. April 1944 beginnt als ein strahlend schöner Frühlingstag. Viele Einwohner Schaffhausens gehen auf den Straßen der Stadt ihren Beschäftigungen nach oder kaufen auf dem Markt ein. Es ist Frieden in der neutralen Schweiz. Doch dann, um 10.39 Uhr, heulen die Luftschutzsirenen los.
„USA-Bomben auf Schaffhausen – Zahl der Opfer noch nicht zu überblicken“, titelte der Alb-Bote in seiner Montagausgabe vom 3. April 1944. Was war geschehen? Der Alarm gilt drei US-Bomberstaffeln mit 47 Flugzeugen. In England gestartet, sollen sie die BASF in Ludwighafen bombardieren, werden wegen schlechtem Wetter über Frankreich abgetrieben und verlieren den Kurs.
40 Todesopfer und 270 Verletzte
Über dem wie Ludwigshafen am Rhein liegenden Schaffhausen wähnen sie sich am Ziel. Die erste Staffel wirft noch keine Bomben, die zweite bombardiert den Kohlfirstwald, die dritte jedoch lässt um 10.50 Uhr während 40 Sekunden 378 Spreng- und Brandbomben auf das Stadtzentrum regnen, weitere fast 800 Bomben in ein weiteres Waldstück. Der Angriff fordert 40 Todesopfer, 270 Verletzte und 465 Obdachlose.
„Schweizer Zeitungen veröffentlichen zahlreiche Bildaufnahmen von Schaffhausen, die ein Bild der Verwüstung zeigen“, ist im Alb-Bote vom 3. April 1944 zu lesen. „Man sieht Großbrände wüten, man sieht ausgebrannte Ruinen im Zentrum der Stadt und die von Trümmern übersäten Straßen. Sehr schweren Schaden hat das Museum Allerheiligen, eines der schönsten und reichhaltigsten der Schweiz, erlitten. Die Glanzstücke seiner Sammlung, die kostbaren Stimmer-Bilder, meist Leihgaben, sind völlig zerstört.“
Harsche Kritik an geografischen Kenntnissen
Zum Schluss zitierte der Alb-Bote die in einer Basler Zeitung abgedruckten Bemerkungen ihres militärischen Mitarbeiters Oberst Frey, der Augenzeuge war. „Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack gegen die“, schrieb Frey, „welche die Bomben geworfen haben, übrig. Beim Abwurf herrschte helles Wetter. Man sollte eigentlich erwarten dürfen, dass auch Flieger aus fernen Kontinenten, bevor man sie auf den europäischen Kontinent loslässt, sich über so viel geographische Kenntnisse ausweisen müssten, dass sie mindestens so markante Begriffe, wie z.B. Rhein, Rhone oder Donau und deren Lage im Verhältnis zu neutralem und gegnerischem Territorium kennen“.
Gegen Ende des Krieges hatten unerfahrene Besatzungen die vielen über Deutschland abgeschossenen Piloten und Navigatoren der US-Luftwaffe ersetzt. Die am 1. April 1944 vom starken Wind vom Kurs abgetriebenen jungen Flieger waren wohl schlichtweg überfordert und einem folgenschweren Irrtum verfallen. Für die Gerüchte einer absichtlichen Bombardierung finden sich keine seriösen Hinweise. Die Bombardierung Schaffhausens war die schlimmste in der Schweiz, aber nicht die erste und letzte: Später gingen Bomben irrtümlich auch über Thayngen, Rafz, Stein am Rhein, Neuhausen, Vals, Zürich oder Basel nieder.
50 Brandherde, 66 Gebäude werden zerstört
Nach einer Tage später in Schaffhausen gezogenen Bilanz hatte es am schlimmsten den Bahnhof, den Bereich zwischen Regierungs- und Gerichtsgebäude, den westlichen Teil der Innenstadt und ein Quartier direkt am Rhein getroffen. Es gab rund 50 Brandherde, 66 Gebäude wurden komplett zerstört, darunter Fabriken wie die Tuchfabrik und Hunderte von Häusern wurden beschädigt. US-Präsident Roosevelt entschuldigte sich bei Stadtrat und Bevölkerung. Später zahlten die USA dem Kanton Schaffhausen eine Schadenssumme von 52 Millionen Franken.
Eines der Todesopfer ist in Waldshut bekannt
„Unter den Todesopfern befindet sich auch der Prokurist i.R. Eugen Schick, ein hier in allen Kreisen hochgeschätzter Mann“, berichtete der Alb-Bote am 4. April. „Über 30 Jahre war er bei der Waldshuter Maschinenfabrik Mann beschäftigt, ehe er sich 1934 in den Ruhestand in seine Vaterstadt Schaffhausen zurückzog.“ Bei der Trauerfeier für alle Bombenopfer sagte der Pfarrer, die US-Piloten hätten „unter dem unabwendbaren Zwang des Dämons Krieg“ gestanden. Seither läuten jedes Jahr am 1. April in Schaffhausen die Glocken.