Bad Säckingen – Der Hochrhein wird zunehmend abgehängt: Neustes Beispiel hierfür ist die Verlegung der Gemeinschaftsausbildungsstätte der Textilindustrie (Gatex) von Bad Säckingen in den Stuttgarter Speckgürtel, die nun immer konkreter wird. So stellte der Arbeitgeberverband Südwesttextil vor wenigen Tagen in Reutlingen ein millionenschweres Konzept vor, das den Ausbildungsstandort an die dortige Hochschule angliedern soll – bis spätestens 2021, wie Peter Haas, Hauptgeschäftsführer von Südwesttextil, hofft. Für Bad Säckingen und den Hochrhein sind das schlechte Nachrichten. Denn Stadt und Region verlieren auf diese Weise eine renommierte Ausbildungsstätte.
Die Bedeutung für Bad Säckingen:
"Der Ausbildungsstandort ist das letzte, was von der glorreichen Textilstadt Bad Säckingen übrig geblieben ist." Das ist Bürgermeister Alexander Guhls bitteres Fazit angesichts der Entscheidung des Arbeitgeberverbandes. "Entsprechen sind das natürlich keine gute Nachricht für uns."

20 Schüler hatten zuletzt die verschiedenen Angebote zur Aus- und Weiterbildung der Gatex genutzt und noch in diesem Sommer ihr Zertifikat erhalten. Sie lernten auf einer Fläche von 8000 Quadratmetern, an 55 Anlagen und Maschinen, die gesamte textile Prozesskette (Spinnerei, Weberei, Zwirnerei, Veredelungslabor, Technisches Labor) kennen. "Die Schüler der Gatex haben Bad Säckingen natürlich immer auch über die Region hinaus bekannt gemacht", fährt Guhl fort. Einfluss auf Entscheidung, den Standort zu schließen, habe er keinen.
Die Gründe für den Umzug:
"Sollte das Konzept in Reutlingen funktionieren, werden wir die Bildungsstätte in Bad Säckingen schließen und verkaufen", sagt Hauptgeschäftsführer Peter Haas. Als Grund für den geplanten Abzug aus Südbaden nennt er die fehlende Nachfrage der Textilunternehmen in der Region nach den Ausbildungs-Angeboten. "Gatex ist ein Verein, der getragen wird auch von den Firmen der Region", sagt Haas. Doch die Zahl der Unternehmen in Südbaden sei in den vergangenen Jahren deutlich kleiner geworden – und dadurch auch die Zahl der Auszubildenden.

Damit thematisiert Haas die seit Jahrzehnten schwindende Textilindustrie am Hochrhein, einst eine Hochburg in dieser Branche. "Wir müssen deshalb mehr ins Zentrum des Landes rücken, weil wir immer mehr Betriebe haben, denen Bad Säckingen zu weit weg liegt", sagt Haas.
Die Mitglieder der Gatex hätten sich deshalb bei einer Versammlung im Sommer einstimmig für eine Verlagerung des Ausbildungsstandortes nach Reutlingen und für die Entwicklung eines neuen Ausbildungskonzepts entschieden. "Gäbe es in Südbaden eine Hochschule, wäre es mir ziemlich egal gewesen, wo die neue Ausbildungsstätte entsteht", sagt Haas.

Die Pläne von Südwesttextil:
In den kommenden zwei bis drei Jahren soll nun auf dem Campus der Hochschule Reutlingen ein neues Ausbildungszentrum für die Textilindustrie in Baden-Württemberg entstehen, durch die Ausbildung und Studium verknüpft werden. Zwischen zehn und zwölf Millionen Euro möchte sich Südwesttextil das kosten lassen.
Da dieses Zentrum jedoch auf öffentlichem Grund errichtet werden soll, benötigt der Verband zuvor die Genehmigung des Landes. "Wir wünschen uns natürlich, dass uns die Regierung noch in diesem Jahr die Zusage dafür gibt, dass wir schon Anfang 2019 mit der Planung beginnen können", sagt Haas. In zwei, maximal drei Jahren, so sieht es das Konzept vor, soll dann das neue Ausbildungszentrum eröffnet werden – und der Standort Bad Säckingen geschlossen.
Für die vier Angestellten in Bad Säckingen gibt es für diese Zeit bereits Pläne, sagt Haas: "Die würden wir alle mitnehmen. Wir schließen ja nicht, um Stellen abzubauen." Ob allerdings alle Mitarbeiter nach Reutlingen umziehen möchten, sei nicht sicher, so Haas.
Matthias Rentschler, seit 2012 Textiltechniker und Ausbildungsleiter der Gatex in Bad Säckingen, ist sich bereits sicher: Er hat vor, nach Reutlingen zu gehen, wenn es so weit ist. "Ich denke, das ist der richtige Schritt, um die Zusammenarbeit mit einer Hochschule zu bündeln", sagt er. Denn in der Region, so Rentschler weiter, sei die Textilindustrie längst nicht mehr so stark wie noch vor 20 Jahren.