Unsere jüngste Datenstory brachte es an den Tag: Bei Tempo 30 rangiert die Region mit einer Riesenbandbreite. In Bad Säckingen sind fast 60 Prozent der Straßen, an denen Menschen leben, geschwindigkeitsbeschränkt, in Waldshut-Tiengen ist das bei nicht einmal einem Drittel der Fall: 59,1 zu 29,3 Prozent – da sind die exakten Zahlen. Auch beim Anteil der sogenannten Spielstraßen mit erlaubter Schrittgeschwindigkeit hat am Hochrhein Bad Säckingen mit einem Anteil von 2,3 Prozent die Nase vorn, während Waldshut-Tiengen mit gerade einmal 1,0 Prozent erneut Schlusslicht ist.

Hier geht es zur Datenstory: Bei den Tempo-30-Zonen sind die Unterschiede in der Region riesig. 

Wenn Städte und Gemeinden Autofahrerinnen und Autofahrer zwingen, vom Gas zu gehen, tun sie das, weil sie leiser werden müssen, weil Lärmaktionspläne für sie Pflichtaufgabe sind. Und Tempo 30 gilt als probates Mittel, den Straßenlärm zu reduzieren. Für Lärmschutzwände fehlen mitunter Geld und Platz. Alternativer Straßenbelag, auch Flüsterasphalt genannt, ist oft nicht so effektiv und mit langen und mühsamen Straßensperrungen verbunden. So bleibt vor allem Tempo 30, was schnell umgesetzt werden kann, vergleichsweise wenig kostet und bei Verstößen und Kontrollen Geld in die Gemeindekasse zurückspult.

Anwohner der Gurtweiler Straße in Waldshut wollen, dass Tempo 30 in ihrem Quartier kommt.
Anwohner der Gurtweiler Straße in Waldshut wollen, dass Tempo 30 in ihrem Quartier kommt. | Bild: Wagner, Hans

Seit 2005 Teil des deutschen Rechts

Zur Minderung der Lärmbelastung der Bevölkerung preschte 2002 die EU mit der Umgebungslärmrichtlinie vor. 2005 in deutsches Recht umgesetzt, sind seitdem Kommunen verpflichtet, für Hauptverkehrsstraßen einen Lärmaktionsplan aufzustellen und bei Überschreitung der Schwellenwerte Gegenmaßnahmen wie etwa Tempo 30 anzuordnen. Alle fünf Jahre müssen die Lärmaktionspläne fortgeschrieben werden. Waldshut-Tiengen beschäftigt sich seit 2008 mit dem Thema, Bad Säckingen seit 2009, Rheinfelden seit 2013.

Tempo 30 gilt auf der B 34 in Bad Säckingen nur zwischen 22 und 6 Uhr.
Tempo 30 gilt auf der B 34 in Bad Säckingen nur zwischen 22 und 6 Uhr. | Bild: Obermeyer, Justus

Ausdruck dessen in der Region – das bekommen viele Autofahrende täglich zu spüren – ist vor allem Tempo 30 auf der B 34 – ganztags in Schwörstadt, ganztags im Rheinfelder Ortsteil Warmbach und auf der innerstädtischen Friedrichstraße, nachts durch Bad Säckingen. Ganztags war in Schwörstadt der hohen Belastung des 1,6 Kilometer langen Straßendorfs wegen zwingend. Eine Reduzierung von 50 auf 40 Kilometer pro Stunde, sagt Bürgermeister Fabio Jenisch, wurde als zu wenig zielführend verworfen.

Komplizierter in der Großen Kreisstadt

Und wo ist in der Aufzählung Waldshut-Tiengen? Fakt ist: Die Doppelstadt beschäftigt sich am Hochrhein am längsten mit dem Lärmaktionsplan. Sie hat aber, das räumt Alexander Colloseus vom Ingenieurbüro Fichtner ein, „bislang keine direkten Maßnahmen daraus umgesetzt.“ Weil sie als Große Kreisstadt „mit einem deutlich komplexeren Straßennetz, höheren Verkehrsaufkommen und weiten planerischen Abhängigkeiten konfrontiert ist“ als andere Orte am Hochrhein, wie Colloseus ausführt. Bisher hat die Stadt auch immer Partner gebraucht, die mitziehen, vor allem finanziell. So waren im 2016 beschlossenen und noch immer aktuellen Lärmaktionsplan an der B 34 kostspielige Lärmschutzwände angedacht, die der Bund hätte bezahlen müssen. Aber nichts davon kam.

Jetzt steht mit Verspätung die spätestens alle fünf Jahre gesetzlich vorgeschriebene Fortschreibung des 2016er-Plans an. Und mit dem Aufstellungsbeschluss machte der Gemeinderat im Juli bei drei Enthaltungen dafür den Weg frei. Nun geht das Verfahren in die Offenlage und damit haben Lärmbetroffene selbst die Chance auf Mitwirkung. Nach Auswertung aller Einwendungen wird der Plan im Gemeinderat beraten. Was gewollt ist und was machbar, wird sich dann zeigen.

Maßnahmen im Zuständigkeitsbereich der Stadt

Laut Stadt soll jetzt im Unterschied zu 2016 tatsächlich „etwas gehen“. Colloseus erklärt: „Der Fokus der aktuellen Fortschreibung liegt bewusst auf Maßnahmen, die die Stadt eigenständig und kurzfristig realisieren kann, um zügig Entlastung zu schaffen.

In Schwörstadt gilt auf der B 34, auf einer Länge von 1,6 Kilometern Tempo 30 – und das rund um die Uhr.
In Schwörstadt gilt auf der B 34, auf einer Länge von 1,6 Kilometern Tempo 30 – und das rund um die Uhr. | Bild: Helmut Kohler

Dazu zählen vor allem Tempolimits. 30 Kilometer pro Stunde zwischen 22 und 6 Uhr könnte auf der L 159, der Ortsdurchfahrt von Tiengen, kommen, ebenso wie nachts auf der L 161, der Schlüchttalstraße in Gurtweil. Ganztägig gar steht Tempo 30 auf der Gurtweiler Straße und auf der Rathausstraße in Gurtweil im Raum. Tempo 50 nachts könnte für die B 34 im Abschnitt Liedermatte/Unter der Steigtrotte kommen, wo bisher noch ganztags eine Höchstgeschwindigkeit von 70 erlaubt ist. Zu Tempo 30 auf der Gurtweiler Straße sagt Colloseus: „Es ist ein Beispiel für eine Maßnahme mit hoher Wirkung und guter Kosteneffizienz.“

Thema der Stadt „von außen übergestülpt“

Dennoch: In einer Infoveranstaltung im Mai sprach Oberbürgermeister Martin Gruner davon, in Sachen Lärmaktionsplan „Maß zu halten“. Auch in der Sitzung des Gemeinderates im Juli wurde deutlich, dass das Kommunalparlament hier eher Bremser ist. Harald Würtenberger (FW) sah das Thema Straßenlärm der Stadt gar „von außen übergestülpt“. Die Stadt brauche angesichts von immer mehr Verkehr „leistungsfähige“ Straßen, heißt, mit möglichst keinen Einschränkungen, so Würtenbergers Tenor. Führe man Tempolimits ein, sinke auch die Kapazität der Straße, was zu noch mehr Staus führe. Colloseus widersprach zwar. Im Gemeinderat aber blieb das von Würtenberger Gesagte unhinterfragt stehen.

Hier geht es zur Datenstory: Bei den Tempo-30-Zonen sind die Unterschiede in der Region riesig.