Der Bad Säckinger Notfallsanitäter Christoph Dennenmoser half in den vergangenen Jahren im Auftrag des Roten Kreuzes an vielen Orten dieser Welt von Not betroffenen Menschen: auf den Philippinen, in Liberia, auf Madagaskar. „Ich war wegen Naturkatastrophen dort. Da war ein Erdbeben geschehen, ein Taifun gewesen oder Ebola ausgebrochen.“
Nun war der 57-jährige Grunholzer fast einen Monat lang für das Internationale Rote Kreuz (IKRK) in der Ukraine im Einsatz, um Verwundete, Kranke und Behinderte aus Bereichen nahe der Kampfhandlungen zu evakuieren.
„Hier schaden Menschen anderen Menschen“
Selbst einen erfahrenen Rotkreuzhelfer wie Dennenmoser beeindruckte tief, was er dieses Mal erlebte. „Was mich seit diesem Einsatz immer wieder beschäftigt ist, dass hier Menschen Menschen schaden. Eine Naturkatastrophe kann ich nicht abstellen. Aber Menschen, die gegen Menschen agieren, dafür habe ich kein Verständnis“, sagt er nach seiner Rückkehr nach Deutschland.
Einige Schicksale sind ihm besonders haften geblieben. Da ist die 97-jährige Frau, die er bei seiner letzten Einsatzfahrt in eine sichere Betreuungseinrichtung überführte. „Ihr 60-jähriger Sohn, der sich bis dahin um seine Mutter gekümmert hatte, war bei einem Angriff schwer verletzt worden“, sagt Dennenmoser.

Da ist der Krebspatient, dessen Haus in einem Angriff abgebrannt war. Mehr als 1500 Kilometer musste der Schwerkranke von der Ukraine ins Nachbarland Moldawien transportiert werden, von wo der Mann mit dem Flugzeug zur bereits vereinbarten Behandlung nach Deutschland gebracht wurde. Drei Tage dauerte die Fahrt mit dem Krankenwagen durch die Ukraine.
Eine Frau: „Ich vertraue nur noch Gott und dem Roten Kreuz“
Da ist die Frau, die als Lebenswerk eine Einrichtung für Behinderte aufgebaut und geleitet hatte. Nun stand wegen des Kriegs die Evakuierung im Raum, die Dennenmoser und sein Team mit der Frau besprachen. Dennenmoser sind noch die Worte im Ohr, mit der sie die Besprechung beendete: „Ich habe jetzt nur noch zwei Instanzen, denen ich Vertrauen kann: Gott und dem Roten Kreuz.“

In militärischen Konflikten obliegt es dem IKRK, den in den Genfer Konventionen vereinbarten Schutz von Personen, die nicht oder nicht mehr an Kampfhandlungen teilnehmen, zu überwachen und durchzusetzen. Im Ukraine-Krieg stellt das IKRK nicht nur Ärzte bereit, sondern setzt in einem Pilotprojekt erstmals auch eigene Rettungswagen zum Transport Verletzter oder Kranker ein.
Dannenberger leitete ein aus 13 deutschen und israelischen Notfallsanitätern und Paramedics bestehendes Team, das in der Südukraine in Mykolajiw, 50 Kilometer nordöstlich der bereits russisch besetzten Stadt Cherson, sowie in der Zentralukraine Ostukraine in Dnipro, 100 Kilometer westlich der zur Zeit besonders umkämpften Stadt Sjewjerodonezk, stationiert war.
„Die israelischen Kollegen hatten den großen Vorteil, dass sie Russisch sprechen. Untereinander haben wir in Englisch kommuniziert“, berichtet Dennenmoser.
Die Helfer erhalten regelmäßig Sicherheitsbriefings
„Natürlich ist so ein Einsatz grundsätzlich gefährlicher als der Alltag im Landkreis Waldshut. Das Rote Kreuz achtet aber schon sehr auf die Sicherheit der eingesetzten Kräfte“, erklärt der 57-Jährige. Es gebe regelmäßig Sicherheitsbriefings und Festlegungen, in welche Gebiete gefahren werden dürfe und welche tabu seien.

Jeder einzelne Transport sei ein komplexer Vorgang. Hilferufe erfolgten meist über das Ukrainische Rote Kreuz an das IKRK. „Wenn wir signalisierten, dass wir den Transport übernehmen würden, wurde zuerst durch die Abteilung Protection der Abholort und die Fahrstrecke unter Sicherheitsaspekten überprüft. Auch wurde der Verantwortliche für Logistik über Erkenntnisse zur Befahrbarkeit der Straßen befragt“, schildert Dennenmoser. Erst wenn alle kritischen Faktoren positiv bewertet worden seien, gebe der Leiter der Delegation der Auftrag frei.

Den Alltag in der Ukraine schildert Dennenmoser so: „Relativ oft wurden Sirenen als Warnung ausgelöst, selten kam es dann aber tatsächlich zu Detonationen. Für uns galt der Rat, nach Erklingen der Sirenen achtsam zu sein, aber nur wenn Explosionen zu hören sind, einen Schutzraum aufzusuchen.“
Für ihn sei das bereits wenige Tage nach seiner Ankunft in der Nacht des 9. Mai in Odessa der Fall gewesen, wo drei russische Raketen einschlugen. Zahlreiche andere seien von der ukrainischen Luftabwehr abgefangen worden. Dennenmoser: „Die Detonationen hört man nicht nur, man spürt auch die Druckwelle. Da wurde mir schon etwas unheimlich.“
Ständig lebe man in einer gewissen Anspannung. „Vor dem Schlafengehen habe ich immer meinen Notfallrucksack und Kleider für den Fall eines Bombenalarms bereitgelegt. In jeder Unterkunft war die erste Frage die nach dem Schutzraum.“ Nach vier Wochen Aufenthalt war Dennenmoser dankbar, dass er den Krieg hinter sich lassen konnte. „Ein Vorrecht, das viele Menschen in der Ukraine nicht haben.“
Tägliche Telefonate mit der Frau daheim
Natürlich habe sich seine Frau sehr große Sorgen um ihn gemacht, sagt Dennenmoser. Sie hätten deshalb mindestens einmal täglich telefoniert. „Wenn irgendwelche Vorkommnisse passierten, von denen ich ausgehen musste, dass sie eventuell in den Medien kommen, habe ich extra eine Nachricht geschickt, dass es mir gut geht. Zum Beispiel nach der oben angesprochenen Nacht vom 9. auf den 10. Mai. Das hat ihre Sorge um mich zumindest gelindert.“