Herr Römer, Herr Vogt, zusammen standen Sie fast 35 Jahre an der Spitze der Schluchseewerk AG. Herr Römer, Sie sind seit 15 Jahren im Unternehmen, Sie, Herr Vogt, kamen 2006 als kaufmännischer Vorstand zum Unternehmen.
Stefan Vogt: Ja, damals habe ich noch in Freiburg begonnen. Der Umzug nach Laufenburg kam erst einige Monate später.
Seitdem gab es in Deutschland mehrere Energiewenden. Das Geschäftsmodell der Schluchseewerk AG bestand jahrzehntelang aus dem „Veredeln des Atomstroms“: Der nachts verfügbare Strom wurde in den Becken gespeichert, um ihn tagsüber wieder abgeben zu können. Hat sich das Geschäftsmodell verändert?
Vogt: Bedingt. Mit welchem Energieträger der Strom, den wir speichern, erzeugt wurde, ist für uns nicht erkennbar: Ob diese Grundlastkraftwerke, die früher nachts zu viel Strom ins Netz einspeisten, Kohlekraftwerke oder Kernkraftwerke waren, war ja erst mal zweitrangig.
Nicolaus Römer: Unsere Bedeutung für die Energieversorgung hat sich aber tatsächlich stark verändert: Wir sind von einem „Stromveredler“ zu einem wichtigen Teil der Energiewirtschaft geworden: Von einem Marktteilnehmer zu einem systemrelevanten Dienstleister. Das sieht man nicht erst in den vergangenen Jahren, als Pandemie und der Ukraine-Krieg die Energieversorgung stärker in den Fokus rückten. Die Schluchseewerk AG verfügt über eine Gesamtspeicherkapazität von 90 bis 100 Gigawattstunden. Zum Vergleich: Die Batteriespeicher in Deutschland hatten bis zum Jahr 2023 eine Gesamtkapazität von etwa vier Gigawattstunden. Wir verfügen hier über die größten elektrischen Speicher in der Bundesrepublik, der Schluchsee ist nach wie vor mit Abstand der größte Akku Deutschlands.
Pumpspeicher gelten als Kurzeitspeicher. Kritiker wenden ein, dass man für den Umstieg auf Erneuerbare Energien eher Langfristspeicher braucht…
Römer: Wir brauchen alle drei Speicherarten: Kurz-, Mittel- und Langfristspeicher. Seit Anfang November hatten wir beispielsweise eine Phase mit nur sehr wenig Sonne und Wind. Seitdem ging der Wasserstand des Schluchsees von 929 Metern auf 920 Meter zurück. Da sehen Sie, dass wir auch in Zeiten einer „Dunkelflaute“ unseren Beitrag leisten und auch mittelfristig Strom ins Netz einspeisen.
In Ihre Zeit als Geschäftsführer der Schluchseewerk AG fiel die Planung des in der Öffentlichkeit umstrittenen PSW Atdorf. Wie sehen Sie das Projekt aus heutiger Sicht? Kam das Projekt einfach zur falschen Zeit?
Römer: Ich glaube, die Diskussion würde heute anders geführt werden. Atdorf war ein Kind seiner Zeit. Dem damaligen Leitgedanken, das Projektziel durch seine Größe zu optimieren, würden wir heute nicht mehr folgen.
Vogt: Die Rahmenbedingungen haben sich in der Energiebranche und der politischen Diskussion grundlegend verändert. Ich denke, heute wäre das Grundverständnis für die Notwendigkeit des Speichers höher als damals. Das Projekt hätte sicher eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz. Allerdings sind Infrastrukturprojekte bei Betroffenen selten beliebt. Insofern bliebt es Spekulation.
Sie haben sich durch das Projekt Atdorf durchaus Expertise erworben, auch wenn es nicht realisiert wurde. Ist es denkbar, dass sich das Unternehmen auch außerhalb des Südschwarzwaldes mit einem Kraftwerksbau engagiert?
Vogt: Das ist grundsätzlich denkbar, aber derzeit nicht geplant.
Römer: Die Schluchseewerk AG ist in erster Linie ein Betreiber von Pumpspeicherwerken, kein Kraftwerksbauer. Hier liegt unsere Kernkompetenz. Auch international genießen wir einen sehr guten Ruf. Das sehen Sie an den vielen Experten und Ingenieuren, die uns besuchen, um von uns zu lernen.

Sie haben in den vergangenen Jahren viel Geld in die Instandhaltung der Kraftwerke investiert. Blicken wir in die Zukunft: Befinden sich die SW nun in einer Phase der Konsolidierung oder des Wachstums?
Römer: Die Investitionen in den vergangenen Jahren waren eher Erhaltungsmaßnahmen. Nun wird es um die Zukunftsfähigkeit der Anlagen gehen. Wir stehen – ohne der künftigen Geschäftsführung vorgreifen zu wollen – am Anfang eines neuen Zyklus mit größeren Investitionen.
Was bedeutet das konkret?
Römer: Wir sind gerade dabei, einige Projekte aufzusetzen, mit denen wir qualitativ wachsen wollen. Da ist zum einen der Ersatzneubau des Kraftwerks Häusern – direkt neben dem bestehenden. Dies alles im Rahmen der bisherigen Genehmigung und der gültigen wasserrechtlichen Erlaubnis. Hier geht es um einen Invest im niedrigen dreistelligen Millionenbereich. In den Kavernenkraftwerken Wehr und Bad Säckingen wollen wir die Leistung um 7,5 Prozent erhöhen. Damit verbunden ist die eine Befreiung von den Netznutzungsentgelten für zehn Jahre.
Noch einmal ein Blick zurück: Wie hat sich das Unternehmen in den vergangen 20 Jahren verändert?
Vogt: Wir sind viel moderner und offener geworden. Die internen Hierarchien sind längst nicht mehr so wie damals. Die Mitarbeiter sind selbstbewusster geworden – auch gegenüber dem Vorstand.
Während sich andere Energieunternehmen moderne Namen geben und dabei auch Kunstbegriffe kreieren, heißt die Schluchseewerk AG seit 95 Jahren gleich und strahlt damit Bodenständigkeit und regionale Verbundenheit aus. Wie wichtig sind diese beiden Aspekte für das Unternehmen?
Vogt: Unsere Aktivitäten sind ja nicht marktgetrieben, so dass wir auf solche Marketingideen verzichten konnten. Aber Sie haben recht: Wir sind ein Unternehmen der Region – und darauf sind wir auch stolz. Die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen ist extrem wichtig. Wir bilden zudem junge Leute aus und sind auch daher stark regional verwurzelt.
Mit welchem Gefühl gehen Sie nun in den Ruhestand?
Vogt: Es war eine schöne Zeit. Wir können selbstbewusst sagen, dass wir ein gut bestelltes Feld hinterlassen. Wir sind auch überzeugt, dass unsere Mütter gute Nachfolger gefunden haben. Jetzt müssen die Jungen ran!