Die Reaktionen zur neuen Studie über den Schwerlastverkehr am Hochrhein fallen durchaus unterschiedlich aus. So war die Online-Präsentation des Werkes am 24. Juni nicht eben eine harmonische Veranstaltung. Zwar zeigt die Studie für die meisten Teilnehmer der Videoschalte den richtigen Weg. Indessen, der Baden-Württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) goss reichlich Wasser zum Wein. Ihn störte gewaltig, dass die von der PTV Transport Consult GmbH Karlsruhe erarbeitete Studie sich ausschließlich auf den Straßenverkehr fokussiere.

Gutachter: Ohne Maßnahmen droht Verkehrskollaps am Hochrhein

Aber von vorne: Die Gutachter hatten in der Verkehrsstudie festgestellt, dass der Schwerlastverkehr bis 2040 um bis zu 50 Prozent zunehmen werde. Das erfordere Maßnahme, da sonst am Hochrhein ein Kollaps drohe.

Als Schwerpunktmaßnahmen schlugen die Gutachter vor: Bau von zwei Rheinbrücken sowie von größeren Stauräumen für Lkw vor den Grenzübergängen sowie digitale Optimierungen bei den Zollabfertigungen.

Verkehrsminister kritisiert Fokus auf Straßenverkehr

Für den Grünen-Verkehrsminister war das zu wenig: Er beklagte die „begrenzte Perspektive“ der Studie. Sie konzentriere sich alleine auf einen einzigen Verkehrsträger, nämlich auf die Straße. „Ich habe mich geärgert“, kritisierte Hermann, dass in Verkehrsprognosen plötzlich von 60.000 Kraftfahrzeugen auf einer A98 die Rede sei, um diese dann damit zu rechtfertigen.

„Ich habe mich geärgert.“Winfried Hermann, Verkehrsminister
„Ich habe mich geärgert.“Winfried Hermann, Verkehrsminister | Bild: Bernd Weißbrod

Hermann räumte ein, dass der Lkw-Verkehr zu Belastungen und teils Überlastungen führt. Dass die dramatischen Prognosen der Gutachter auch tatsächlich eintreffen, bezweifelte er zumindest: „Man muss da nicht alles für bare Münze nehmen.“

Gleichwohl sieht auch er die Notwendigkeit von Straßenbau in gewissem Rahmen – unter anderem lehnte er den Brückenbau nicht rundweg ab und sprach die Schaffung von zusätzlichem Stauraum vor den Zollstellen an.

Aber dies dürfe eben nicht das einzige sein, so Hermann, nachhaltige Lösungen der Verkehrsprobleme müssten hinzukommen. Er erwähnte dabei den Ausbau der Oberrheinschiene und der Gäubahn, die Elektrifizierung der Hochrheinstrecke und Verbesserungen im öffentlichen Nahverkehr.

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Landrat: Ohne Verkehrsentlastung auch kein Durchkommen für ÖPNV

Landrat Martin Kistler sieht dringende Notwendigkeit für die Umsetzung der in der Studie angedachten Maßnahmen. Als Replik auf Hermanns Kritik nannte Kistler folgendes Beispiel: „Wenn der Lkw-Stau zwischen Waldshut und Tiengen nicht aufgelöst werde, habe auch ein nachhaltiger ÖPNV keine Chance zum Durchkommen.“ Zudem werde durch den Brückenbau auch grenzüberschreitend nachhaltiger Verkehr ermöglicht.

„Wenn der Lkw-Stau zwischen Waldshut und Tiengen nicht aufgelöst werde, habe auch ein nachhaltiger ÖPNV keine Chance zum ...
„Wenn der Lkw-Stau zwischen Waldshut und Tiengen nicht aufgelöst werde, habe auch ein nachhaltiger ÖPNV keine Chance zum Durchkommen.“Martin Kistler, Landrat Waldshut | Bild: ORNELLA_CACACE

Zu Hermanns Kritik äußerten sich auch die Gutachter. Es seien durchaus auch die Perspektiven für den Ausbau der Oberrheinschiene untersucht worden, sagte Volker Waßmuth von der PTV Transport Consult. In der Studie steht dazu: Mit dem ausstehenden Ausbau der Oberrheinschiene könnten etwa 1000 Lastwagen täglich von der Straße auf die Schiene. Bei der prognostizierten Zunahme von täglich 7000 Lkw sei dies, so Waßmuth, „nicht der große Hebel.“

Regierungsrat Attiger: Grenzüberschreitender Plan ist der richtige Weg

Für die Schweiz freut sich Stefan Attiger über die vorgelegte Studie. Der Regierungsrat und Leiter des aargauischen Verkehrsdepartementes betonte die Wichtigkeit des gemeinsamen Vorgehens. Die Region brauche einen grenzüberschreitenden Plan, so Attiger, „der Verkehr macht an der Grenze nicht Halt.“

Die Sissler Brücke stehe im kantonalen Richtplan für den Zeitraum 2030 bis 2035. Kleine Maßnahmen, wie die Einrichtung zusätzlicher Stauräume an den Grenzstellen könnten vorgezogen werden. Mit der Studie sieht sich die Schweiz in ihren bisherigen Überlegungen und den kantonalen Planungen bestätigt.

Die überlastete Rheinbrücke Waldshut-Koblenz, hier der Blick Richtung Schweiz, soll langfristig durch einen zweiten Übergang auf Höhe ...
Die überlastete Rheinbrücke Waldshut-Koblenz, hier der Blick Richtung Schweiz, soll langfristig durch einen zweiten Übergang auf Höhe des Gewerbeparks Hochrhein ergänzt werden. | Bild: Gerard

Regierungspräsidentin: Handlungsnotwendigkeit liegt auf der Hand

Als Gastgeberin der Videokonferenz hob auch Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer auf die „Handlungsnotwendigkeit“ ab. Nach langer Abstimmungsphase liege nun eine Studie vor, die den Straßengüterverkehr erstmals grenzüberschreitend betrachtet.

Zum weiteren Fahrplan sagte Bärbel Schäfer: Es werde nach der Sommerpause eine Einladung an alle Beteiligten ergehen: Dann müssten für die nächsten Schritte konkrete Aufgaben verteilt werden. Es gehe darum, die Maßnahmen zu priorisieren. So sieht es derzeit danach aus, dass kleinere Maßnahmen, wie die Einrichtung von zusätzlichem Stauraum vor den Grenzanlagen zu den ersten Schritten gehören.

OB Frank: Hoffnung auf Fortschritte durch grenzüberschreitenden Schulterschluss

Philipp Frank, Oberbürgermeister von Waldshut-Tiengen, konstatiert: „Die Verkehrsstudie versorgt uns nicht nur mit belastbaren Zahlen, sondern zeigt zugleich infrastrukturelle Handlungserfordernisse auf. Für die Große Kreisstadt meint das vor allem den Bau einer zweiten Rheinbrücke.“

„Die Verkehrsstudie versorgt uns nicht nur mit belastbaren Zahlen, sondern zeigt zugleich infrastrukturelle Handlungserfordernisse ...
„Die Verkehrsstudie versorgt uns nicht nur mit belastbaren Zahlen, sondern zeigt zugleich infrastrukturelle Handlungserfordernisse auf.“Philipp Frank, Oberbürgermeister Waldshut-Tiengen | Bild: Oldenburg, Kai

Er habe den großen Wunsch und die Hoffnung, dass der politische Schulterschluss über den Rhein hinweg auch bei der Umsetzung all der aufgezeigten Notwendigkeiten weiterhelfe.

Stadt Bad Säckingen: Entlastungsmaßnahmen drängen

Uwe Böhler, Ordnungsamtsleiter der Stadt Bad Säckingen, zeigt sich mit den Ergebnissen der Studie zufrieden. Sie untermauere die bisherigen Vermutungen mit Zahlen und zeige Lösungsmöglichkeiten.

Sie zeige auch ganz deutlich die Notwendigkeit des A98-Lückenschlusses ebenso des Baus einer zweiten Rheinbrücke. Beides sei für die Kurstadt Bad Säckingen von großem Interesse sei: „Wir leiden jetzt schon massig unter dem Durchgangsverkehr und brauchen dringend Entlastung.“

Die Notwendigkeit nehme vor dem Hintergrund des geplanten Baus Sisslerfelds noch zu – „immerhin das größte Industriegebiet der Nordwest-Schweiz, wo tausende Menschen arbeiten werden“, so Böhler.

Bundestagsabgeordnete sehen sich bestätigt

Felix Schreiner, CDU-Bundestagsabgeordneter, betonte schon während der Präsentation, dass die Ergebnisse der Studie nur das bestätigten, was viele Menschen jeden Tag erleben: Stau, Verkehrskollaps, Frust.

„Auch deshalb habe ich die letzten Jahre so intensiv für den Ausbau der B34, einen neuen Vorstauraum am Zoll in Waldshut und natürlich die Hochrheinautobahn A98 geworben.“ Auch habe er den Bau einer neuen Rheinbrücke bei Waldshut-Tiengen ins Spiel gebracht, deren Notwendigkeit ebenfalls von der Studie bestätigt werde, so Schreiner weiter.

„Die Fakten liegen auf dem Tisch. Es sollte jetzt jedem endgültig klar sein, wie sehr wir eine leistungsfähige Autobahn am Hochrhein brauchen.“ Die Region müsse zusammenstehen, die „ständigen Störfeuer“ müssten endlich aufhören. Gleichzeitig dürfe auch kein Gegeneinander-Ausspielen verschiedener Verkehrsträger stattfinden. Die Elektrifizierung der Hochrheinbahn müsse mit gleichem Einsatz vorangetrieben werden, denn ein attraktives Schienenangebot sei für Pendler ebenso wichtig.

Rita Schwarzelühr-Sutter, Bundestagsabgeordnete der SPD, sieht durch die Studie bestätigt, „dass wir am Hochrhein innerhalb von kurzer Zeit mehrere, miteinander verknüpfte Verkehrsinfrastruktur-Projekte brauchen.“ Deutlich werde vor allem, wie wichtig Stauräume im Bereich der Zollanlagen seien – das zeige die tägliche, lähmende Staubildung zwischen Waldshut und Tiengen immer wieder aufs Neue.

Sie mahnt zu schnellen Grundstückskäufen, um den dort geplanten zweiten Lkw-Vorstauraum schnell voran zu bringen. Auch die neue Rheinbrücke bei Waldshut habe sie bereits früh befürwortet. „Mit zwei neuen Rheinbrücken bei Waldshut und Bad Säckingen in Verbindung mit einer A98, deren heutige Lücken schnellstmöglich geschlossen werden sollten, wären Zu- und Abfluss des Verkehrs gewährleistet, wenn der Güterverkehr weiter zunimmt“, so Schwarzelühr-Sutter.

Grünen-Abgeordneter: Auch Potentiale für Alternativen zur Straße prüfen

Niklas Nüssle, Grünen-Landtagsabgeordneter, reagiert vergleichsweise enttäuscht auf die Ergebnisse der Studie: „Durch die Versteifung auf den Straßengüterverkehr und die Grenzübergänge bleiben die wichtigen Fragen der Zukunft, Fragen der Mobilitätswende im Güterverkehr und im Personenverkehr, leider unbeantwortet.“

„Durch die Versteifung auf den Straßengüterverkehr und die Grenzübergänge bleiben die wichtigen Fragen der Zukunft, Fragen der ...
„Durch die Versteifung auf den Straßengüterverkehr und die Grenzübergänge bleiben die wichtigen Fragen der Zukunft, Fragen der Mobilitätswende im Güterverkehr und im Personenverkehr, leider unbeantwortet.“Niklas Nüssle, Landtagsabgeordneter Grüne | Bild: Grüne BW

Der Fokus auf Straßen- und Brückenbau sowie die Neuanlage von Parkplätzen und Stauräumen sei nicht mehr zeitgemäß, zumal die prognostizierte Entwicklung den Klimazielen massiv zuwiderlaufe, so Nüssle weiter.

Insofern müssten auch die Studie auch dahingehend analysiert werden, wie Prozesse optimiert und Potentiale der Verkehrsverlagerung genutzt werden können. Die Beschleunigung von Abfertigungsverfahren sei hier ein wesentlicher Punkt, so Nüssle. Hier könne die Studie sogar „ein leuchtendes Beispiel für gute grenzüberschreitende Zusammenarbeit sein“, denn beide Seiten könnten von einander profitieren.

Nach Nüssles Dafürhalten dürfe das Gutachten aber nicht als alleinige Grundlage für die Diskussion über den Ausbaustandard der A98 herangezogen werden. „Vertiefte Analysen zu den einzelnen Maßnahme sind aus meiner Sicht erst nach einem eingehenden Studium der Studie und ihrer Kernaussagen sowie den genauen technischen Details möglich“, sagt Nüssle.

Hartmann-Müller: Handlungsdruck liegt auf der Hand

Sabine Hartmann-Müller, Landtagsabgeordnete der CDU, ist vom Verkehrsgutachten und den daraus abzuleitenden Folgen ebenfalls alles andere als überrascht, wie sie sagt. Das Gutachten belege eindeutig den großen Handlungsdruck zur Verbesserung der Straßeninfrastruktur im Grenzraum.

„Gerade deshalb ist der Weiterbau der A98 ein zentrales Element und unerlässlich, um der Verkehrsbelastung in unserer Region zu begegnen. Wir brauchen grenzüberschreitende und gemeinsame Lösungen“, so Hartmann-Müller. Auch sie plädiert dafür, dass sowohl Straßenbau als auch Elektrifizierung der Schiene parallel mit unvermindertem Einsatz vorangetrieben werden.

Entwicklungen bei der Hochrheinautobahn A98