Der eine konnte schon bald nach Schließung der Wahllokale feiern und im Kreis seiner Familie auf den Erfolg anstoßen, die andere musste mit dem Anstoßen bis kurz vor Mitternacht warten, ehe es trotz „Katastrophen-Ergebnis“ doch noch mit dem Einzug ins Landesparlament klappte. Niklas Nüßle wird den Wahlkreis Waldshut künftig als direkt gewählter Abgeordneter in Stuttgart vertreten. Sein Glück, das Mandat erstmals für die Grünen gewonnen zu haben, war zunächst das Leid von Sabine Hartmann-Müller. Seit Oktober 2017 Mitglied des Landtags, verlor die CDU-Frau das Direktmandat und schaffte den Wiedereinzug nur über das Zusatzmandat.

Tag 1 nach dem Wahlsieg

Am Tag eins nach dem historischen Triumph in der einstmals tiefschwarzen CDU-Hochburg machte Niklas Nüßle erst einmal einen kleinen Sparziergang an der frischen Luft. „Seither bin ich damit beschäftigt, Glückwünsche entgegenzunehmen und Medienanfragen zu beantworten“, erzählt der 26-Jährige aus dem Wutöschinger Ortsteil Ofteringen im Gespräch mit dieser Zeitung. Und schon heute wird er im Zug nach Stuttgart sitzen, um erstmals mit der noch amtierenden Grünen-Fraktion im Landtag zu tagen. Doch bevor Nüßle am heutigen Dienstag landespolitische Luft schnuppern darf, stand gestern Abend noch kommunalpolitische Arbeit an. Der Gemeinderat von Wutöschingen tagte. An dessen Sitzungen will Nüßle auch in Zukunft teilnehmen. Denn er will sowohl sein Mandat als Gemeinde- wie auch das als Kreisrat behalten.

Bei aller Freude über den Wahlsieg, der für ihn nur zum Teil überraschend gekommen sei, räumt er ein, „dass ich die Situation erst noch richtig verarbeiten muss“. Niklas Nüßle: „Das fühlt sich alles noch ein wenig unwirklich an.“ Gleichwohl richtet er den Blick bereits nach vorn und verspricht – schon ganz Berufspolitiker – dass er sich dafür einsetzen wolle, „Umwelt und Menschen zukunftssichernd zusammenzubringen“. Und: „Ich werde mich mit ganzer Kraft dafür einsetzen, dass in Stuttgart die richtigen Entscheidungen für den Hochrhein getroffen werden.“ In welcher Koalition das geschehen soll, ist für den studierten Biologie- und Chemieingenieur noch nicht entschieden, auch habe er keine Präferenz, ob die grün-schwarze Regierung weiterregieren soll oder ob es eine Ampelkoalition aus Grünen, SPD und FDP richten soll. „Das müssen die Sondierungsgespräche ergeben“, stellt der 26-Jährige fast schon lapidar fest.

Spätes Happy-End in Rheinfelden

Gänzlich anders als Niklas Nüßle war die Stimmungslage am Wahlabend bei der amtierenden Landtagsabgeordnete Sabine Hartmann-Müller aus Rheinfelden. Nachdem bald klar war, dass sie den direkten Wiedereinzug ins Landesparlament verpasst hatte, galt es zu warten. Bis kurz vor Mitternacht. Erst dann stand fest, dass sie über ein Zusatzmandat ihrer Partei doch noch den Sprung in den Landtag geschafft hatte. Bereits in einem Hotel in Stuttgart angekommen, die CDU-Fraktion tagte bereits am gestrigen Montag, konnte sie mit ihrem Mann Richard Müller digital mit einem Glas Rotwein auf den späte Happy-End anstoßen.

Sabine-Hartmann-Müller (CDU) gab ihre Stimme im Wahllokal in der Scheffelhalle in Rheinfelden-Herten ab.
Sabine-Hartmann-Müller (CDU) gab ihre Stimme im Wahllokal in der Scheffelhalle in Rheinfelden-Herten ab. | Bild: Horatio Gollin

Bei aller Freude, es doch noch geschafft zu haben, macht Sabine Hartmann-Müller über ihre Enttäuschung im Telefonat mit dem SÜDKURIER keinen Hehl. Sie spricht von einem „Katastrophen-Ergebnis“ und einer „Erdrutsch-Niederlage“ für die CDU. Dass das Ergebnis im Wahlkreis noch schlechter ausgefallen ist, als auf Landesebene „macht es noch schlimmer“. Sabine Hartmann-Müller: „Dieses Ausmaß hätte ich nie erwartet.“ Dass es mit dem Direktmandat nicht mehr klappen könnte allerdings schon. Die damit verbundene Dramatik hätte sich die Rheinfelderin indes gerne erspart. Im Gegensatz zu Niklas Nüßle hat sich die Rheinfelderin bereits festgelegt, wie es in Stuttgart weitergehen soll. Sie plädiert ohne Wenn und Aber für eine Fortsetzung der grün-schwarzen Regierungskoalition. Auch wenn für sie der grüne Ministerpräsident den Ausschlag für die Niederlage ihrer Partei gegeben habe. Die große Mehrheit der Bevölkerung sei mit der Politik zufrieden gewesen und habe sich Sicherheit in Person des Ministerpräsidenten gewünscht.

Persönlich sei sie trotz des historisch schlechten Ergebnisses „glücklich, dass ich mich weiter für den Wahlkreis zum Wohl seiner Bürger einsetzen darf“. Auch wenn sie dazu die Zusammenarbeit mit Niklas Nüßle suchen werde, steht für Hartmann-Müller auch fest: „Ich werde versuchen, noch besser und merkbar die gute CDU-Politik darzustellen.“ Grundsätzlich wolle sie an ihrem Stil und ihrer Arbeit festhalten, wenngleich „ich für jede Anregung dankbar bin, was ich besser machen kann“. Das Ergebnis selbst möchte sie nicht an ihrer Person festmachen, sagt sie, legt auf, um wieder an der Fraktionssitzung ihrer Partei teilzunehmen.

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Stimmen zum Wahlausgang

  • Felix Schreiner, CDU-Kreisvorsitzender: „Das ist das schlechteste Ergebnis in der Geschichte für unsere Partei und eine bittere Niederlage.“ Da gebe es nichts drum herum zu reden. Die Menschen vertrauten Ministerpräsident Kretschmann und hätten ihn letztlich auch gewählt: „Die Kampagne der Grünen war erfolgreich.“ Dem Wahlsieger Niklas Nüssle gratuliert Schreiner zum Wahlsieg und bietet ihm eine gute Zusammenarbeit zum Wohl der Region an, für die es gut sei, dass Sabine Hartmann-Müller noch den Sprung in den Landtag geschafft habe. Für die CDU gelte es jetzt, die Wahl genau zu analysieren. Schreiner: „Wir müssen offen und ehrlich über eigene Defizite sprechen.“
  • Rita Schwarzelühr-Sutter, SPD-Kreisvorsitzende: „Ich hätte mir ein besseres Ergebnis für unseren Kandidaten Peter Schallmayer und die SPD gewünscht.“ Nicht nur wegen seiner Erfahrungen und Kenntnisse im Bereich der Bildungspolitik wäre der Berufsschullehrer „ein Gewinn für die Region im Landtag gewesen“. Er habe ein gutes Konzept gehabt, das bei den Wähler „leider nicht ankam“.
  • Peter Schallmayer, SPD-Kandidat: „Ich hätte mir persönlich sicherlich ein besseres Ergebnis gewünscht. Aber unterm Strich muss man wahrscheinlich froh sein.“ So lautet die Einschätzung des SPD-Kandidaten P zum Abschneiden seiner Partei und von sich selbst bei der Landtagswahl am Sonntag. Er hoffe, dass Nüssle der Region in Stuttgart eine Stimme verleiht und zugleich genau hinhöre, wo am Hochrhein der Schuh drückt.
Kai Oldenburg