Richard Kaiser

Neue Erkenntnisse brachte die jüngst erfolgte Vermessung des Grundrisses der Burgruine Hauenstein mit sich. Vier Auszubildende der Vermessungstechnik von der Flurneuordnungsverwaltung mit Dienstsitz in Bad Säckingen ermittelten zwei Tage lang die Ausmaße der historischen Mauern und zeigen nun ihre Ergebnisse in einem Lageplan auf. Darin wird die jetzige topografische Aufnahme der jüngsten von 1883 gegenübergestellt.

Aktuell: Die Vermessung der Burgruine Hauenstein von 2018 (gelbe Flächen kennzeichnen das Mauerwerk, der Zufahrtsweg ist grau) ...
Aktuell: Die Vermessung der Burgruine Hauenstein von 2018 (gelbe Flächen kennzeichnen das Mauerwerk, der Zufahrtsweg ist grau) unterscheidet sich besonders im westlichen Bereich von der topografischen Aufnahme von 1883 (schwarze Linien). | Bild: Repro: Richard Kaiser

Die heutigen Messmethoden bringen zentimetergenaue Koordinaten hervor. Das war vor 135 Jahren, als die ehemalige Burg das vorige Mal katastermäßig vermessen wurde, noch nicht der Fall. Ein geodätisches Lagefestpunktfeld war im gesamten Großherzogtum Baden mit mehr als 50 000 trigonometrischen Punkten (TP) vorhanden. Einer davon war aufgrund der exponierten Lage auch an der höchsten Stelle der Hauensteiner Burgruine als Granitpfeiler vorhanden, aber dennoch erfolgte die Einmessung der historischen Burgmauern nur auf volle Meter.

Teile der Karte aus dem Gedächtnis heraus

Aber nicht diese „Ungenauigkeit“, sondern eine nicht eingemessene Mauerabzweigung, verbunden mit einer etwas nachlässigen Darstellung der Mauerlinienführung, erbrachte ein verfälschtes Kartenbild. Und weil der damalige Geometer nicht alle erforderlichen Messungen durchgeführt hatte, musste er die häusliche Ausarbeitung des Grundrisses teilweise aus dem Gedächtnis heraus fertigen. So war in der bisher gültigen Liegenschaftskarte im südwestlichen Bereich der ehemaligen Burg eine Rundmauer eingezeichnet, die es an dieser Stelle hinsichtlich des nahezu senkrecht abfallenden Bergrückens gar nicht geben konnte.

Historisch: In einer schematischen Darstellung der Burgruine Hauenstein aus dem Jahr 1803 sind im Areal A, das in der dazugehörigen ...
Historisch: In einer schematischen Darstellung der Burgruine Hauenstein aus dem Jahr 1803 sind im Areal A, das in der dazugehörigen Flurbeschreibung als „Altes Schloss“ bezeichnet wird, noch drei Räume zu erkennen. | Bild: Repro: Richard Kaiser

Dabei war es so einfach, denn wegen des vorhandenen Burg-TP konnte durch Anzielen der koordinierten Kirchtürme Luttingen und Hochsal auf der Burgruine ein Hilfspunkt eingerichtet werden, zu dem vom TP aus eine 73,55 Meter lange Messungslinie führte. Diese wurde an ihren beiden Endpunkten um 14 Meter in westliche und 18 Meter in östliche Richtung bis zu den Mauer­endpunkten verlängert und darauf orthogonal an vier Stellen die südliche Burgwand eingemessen. Dabei wurde die Rundmauer, die möglicherweise einst eine Bastion umschloss, zahlenmäßig nicht ordnungsgemäß erfasst, sondern zeichnerisch arglos in die Liegenschaftskarte übertragen; ausgerechnet an einem steilen Felsenhang, wo eine Mauer gar nicht stehen konnte.

Abgestürzter Wohnturm?

Anders sieht es im westlichsten Teil der alten Burg aus. Der im bisherigen Plan dargestellte Eckpunkt der Burgmauer ist heute nicht mehr vorhanden. Mit 43,80 Meter ab der östlichen Kante des gegenwärtigen Burgeingangs wurde er 1883 dokumentiert, doch dort befindet sich jetzt ein leicht abschüssiger Felsgesteinsboden. Das könnte bedeuten, dass dieser Burgteil vor 135 Jahren noch vorhanden war. Kenner der Hauensteiner Burg vermuten ohnehin in diesem Bereich einen früheren Wohnturm, der teilweise abgestürzt ist.

Staatlich konserviert

1892 und 1906 wurde die Burgruine staatlicherseits konserviert. Dadurch entstand der aktuelle Grundriss, der sich zum einen mit einem halbrund-diagonalen Mauerwerk im anscheinend abgestürzten Wohnturm zeigt und zum andern mit einer mit der Jahreszahl 1906 gekennzeichneten restaurierten Steinwand, die schon in einem Plan von 1803 enthalten war. Darin sind zwei überdachte Räume dargestellt, die durch diese Mauer getrennt waren.

Mauer teilweise entfernt

Der westliche Burgteil war einst von einer Mauer umschlossen, wie sie im Plan von 1883 ersichtlich ist. 1906 wurde die Mauer teilweise entfernt und etwas abgewinkelt fünf Meter lang neu gezogen, sodass man diesen Teil der Ruine seither in einer Breite von zwei Metern leicht bergauf betreten kann.

Mit Gestrüpp und Dornen zugewachsen

Im östlichen Burgteil brachte die Neuvermessung weniger Spektakuläres hervor. Die Mauerlinienführung stimmt weitgehend überein, zumal sie eine Grundstücksgrenze bildet, die 1883 sorgfältig eingemessen wurde. Weil der damalige Geometer aber den Innenbereich des östlichen Burgteils nicht erfasst hatte, stellt sich die Mauerbreite, statt früher angenommen zwei Meter, nunmehr mit teils mehr als, teils weniger als drei Metern dar. Hätte man auf der bereits erwähnten 73,55 Meter langen Messungslinie noch zwei oder drei weitere Rechtwinkelabstände gemessen, wäre die tatsächliche Breite bestimmt zutage gekommen. Vielleicht wurden diese Maße nicht ermittelt, weil die Ruine seit dem großen „Graf-Hans’sche-Schlossruinen-Fest“ anlässlich der erfolgten Bahnhofseröffnung am 15. Juni 1876 wieder einmal mit Gestrüpp und Dornen zugewachsen war, wie es alle paar Jahre vorkam.

Messpunkt wird einfach entfernt

Doch immer wieder sorgten die Bewohner von Hauenstein für Wohlbehagen auf dem herrlichen Flecken hoch über dem Rhein. Im Dritten Reich schlug das Badische Finanz- und Wirtschaftsministerium vor, dass der Platz auf der Burgruine zum Abhalten von nationalen Feiern und Kundgebungen hergerichtet werden könnte. Das vernahm der seinerzeitige örtliche Fähnleinführer gerne und ließ vom heimischen Jungvolk im Winter 1935/36 an mehreren Samstagen Gebüsch und Knüppelholz entfernen. Auch wurden seinerzeit Freilegungs- und Planierungsarbeiten durchgeführt, wie aus alten Akten hervorgeht, denn „der Schlossplatz soll ein Festplatz für Kundgebungen werden“, so die Kreisleitung der damaligen Partei. Dadurch kam dem Vermessungsamt sein trigonometrischer Punkt abhanden. „Er wurde wahrscheinlich kurzerhand entfernt, weil er im Wege stand“, lautete die Rückäußerung der zuständigen Stelle.

Flurname wird geändert

Der Grundriss der Überreste des Wahrzeichens der einstigen Grafschaft Hauenstein wurde also auf Vordermann gebracht. Und wenn man schon beim Berichtigen war, so wurde auch der für das Burgareal-Grundstück fälschlicherweise eingetragene Flurname „Judengarten“ abgelegt und stattdessen die bereits 1803 erwähnte Bezeichnung „Schlosshalde“ wieder eingeführt. Der Judengarten führt auf eine Legende zurück, wonach Ritter Luit­hold vom Kreuzzug aus dem Heiligen Land einen getauften Juden mitbrachte. Für diesen ließ er er neben der Burg eine Klause errichten. Der christliche Klausner legte dort einen Naturgarten an und pflanzte darin Heilkräuter, die den umliegenden Bewohnern zugutekamen.

Schlosshalde ersetzt Judengarten

Aus Dankbarkeit gegenüber dem Klausner, der stets ein vorbildliches Leben führte, wurde das Areal östlich der Burg „Judengarten“ genannt und stets mündlich überliefert, bis der Name 1820 ins Grundbuch überging. Bei der Katastervermessung Anfang der 1880er Jahre wurden alle Grundstücke in diesem Gebiet, auch das Burgruinengrundstück mit dem Gewannnamen „Judengarten“ ins Liegenschaftskataster eingetragen. Jetzt aber erhielt dieses Grundstück die Lagebezeichnung „Schlosshalde“ und in der Flurkarte den Zusatz „Altes Schloss“, wie schon in der Herzoglich-Modenaischen-Beschreibung von 1803 so genannt.