Herr Rumpf, 650 Jahre Hauensteinische Einungen wurden kürzlich von den historischen Einungsmeistern in Dogern groß mit einem Festbankett gefeiert – zu Recht?

Ja, die Grafschaft Hauenstein war eine Frühform der Demokratie. Eine demokratische Verfassung und gewählte Einungsmeister waren für die damalige Zeit des Absolutismus etwas ganz Neues. Landrat Martin Kistler hat über die Grafschaft dissertiert und Parallelen zu anderen Verwaltungsformen, zum Beispiel in der Schweiz gefunden, aber die Grafschaft bleibt dennoch etwas ganz Eigenständiges.

Etwas Eigenständiges, auf das die Hotzenwälder stolz sein können und von dem sie lernen können?

Es ist auf jeden Fall eine Geschichte, die die Nachkommen bewahren sollten. Heimatgeschichte wird grundsätzlich zu wenig erforscht, aber so wie unser Verhalten als Erwachsener seine Wurzeln in der frühen Kindheit hat, so hat die Gegenwart ihre Wurzeln in der Vergangenheit. Wer diese Wurzeln kennt, weiß besser, wo er steht. Es gab nicht umsonst früher in den Schulen das Fach Heimatkunde.

Was für Menschen waren die Vorfahren der heutigen Hotzenwälder?

Etwa ab dem 9. Jahrhundert wurde das Land hier urbar gemacht. Bauern wurden von den Grundherren angeworben und ihnen Land zugeteilt, um es zu roden und den Boden fruchtbar zu machen. Dafür bekamen sie bestimmte Freiheitsrechte und Privilegien, wie das Recht, sich weitgehend selbst zu verwalten wie die Hauensteiner in ihren Einungen. Ich denke, die damaligen freien Bauern waren sehr robuste und auch mutige Menschen.

Joachim Rumpf hat über die Geschichte der Grafschaft Hauenstein und der Salpeterer-Unruhen ein Buch geschrieben.
Joachim Rumpf hat über die Geschichte der Grafschaft Hauenstein und der Salpeterer-Unruhen ein Buch geschrieben. | Bild: Ursula Freudig

Und was können Sie über die Einungsmeister sagen?

Sie gehörten der bäuerlichen Oberschicht an, denn sie mussten es sich leisten können, öfter der Arbeit fernzubleiben, um beispielsweise bei den regelmäßigen Sitzungen der Einungsmeister in Dogern oder bei den Einungsmeisterwahlen in Görwihl zugegen zu sein.

Sie haben viel über die Salpeterer geschrieben – was genau führte zu den Salpeterer-Unruhen und woher kommt der Name Salpeterer?

Bei den Einungsmeisterwahlen 1721 weigerten sich einige Einungsmeister, einen Vertrag mit dem Kloster St. Blasien zu unterzeichnen, der die Rechte der freien Bauern zu Gunsten des Klosters eingeschränkt hätte. Es kam zu ersten Unruhen. Einer der Anführer war Hans-Fridolin Albiez aus Buch. Er war Bauer und hatte als Salpetersieder das Recht, Salpeter in den Ställen und Dunggruben abzukratzen und zu sieden, das zur Herstellung von Pulver gebraucht wurde. Von diesem Handwerk leitet sich der Namen Salpeterer ab.

Haben die Salpeterer ihre Aufmüpfigkeit, ihre Freiheitsliebe und ihren Mut an die heutigen Hotzenwälder vererbt?

Die Salpeterer standen für Bedürfnisse, die wir auch heute alle haben: Wir wollen selbst über unser Leben bestimmen, selbst entscheiden und unsere Freiheit haben, aktuell kämpfen die Ukrainer dafür. Der salpeterische Geist ist kein revolutionärer, der Neues schaffen will, er will vielmehr alte Gegebenheiten, Privilegien und Rechte erhalten. Dieser Geist lebt noch, aber nicht generell. Bei uns wirkt er sich besonders aus, weil wir uns auf eine bestimmte Geschichte berufen können.