Stefan Ammann

Rheinfelden – Wie können Jugendliche für Kommunalpolitik begeistert werden? Nachdem die vergangenen Wahlen zum Jugendparlament am mangelnden Interesse der Zielgruppe gescheitert waren, testet die Stadt Rheinfelden eine neue Form der Beteiligung. Gestern hatten 150 Siebtklässler beim „Jugendrathaus“ die Gelegenheit, die Stadtverwaltung kennenzulernen und dem Oberbürgermeister Fragen zu stellen. Nächstes Schuljahr soll aus dem Format der „Achter-Rat“ werden.

„Wir wollen neue Beteiligungsformen“, sagt Rheinfeldens Jugendreferent Andreas Kramer. Seit 1995 gab es in der Stadt ein so genanntes Jugendparlament. „In ganz Baden-Württemberg zeichnet sich ab, dass das Format nicht mehr funktioniert“, so Kramer. Bei den letzten beiden Wahlanläufen zeigte sich, dass das Interesse der Jugendlichen in Rheinfelden denkbar gering war. Es fanden sich weder genug Wähler noch Kandidaten, um eine sinnvolle Arbeit zu gewährleisten. „Es macht keinen Sinn, jetzt in dem Stadium einen dritten Anlauf zu nehmen“, sagt der Jugendreferent. Deshalb versucht es die Stadt jetzt mit einem neuen Konzept.

Bereits am Morgen konnten die 150 Jugendlichen, die alle eine der fünf weiterführenden Schulen in Rheinfelden besuchen, die Verwaltung intensiv kennenlernen. Dazu wurden sie in Gruppen aufgeteilt und durchliefen verschiedene Stationen im Rathaus. Die Siebtklässler konnten dabei die unterschiedlichen Bereiche wie zum Beispiel das Stadtbauamt, die Kämmerei oder das Bürgerbüro aus erster Hand kennenlernen.

Als Abschluss der Veranstaltung war eine halbstündige Fragerunde mit Oberbürgermeister Klaus Eberhardt angesetzt. Dabei zeigten sich die Schüler durchaus gut informiert, was kommunalpolitische Themen anbelangt. Der Oberbürgermeister musste einige knifflige Fragen beantworten: Warum ersetzt man die gelben Säcke nicht mit Tonnen? War die Stadt Rheinfelden schon im Minus? Und wie ist sie wieder da raus gekommen? Wie können die Busse barrierefrei gestaltet werden?

Aber auch eher persönliche Dinge interessierten die Jugendlichen: Wie und warum wird man Oberbürgermeister? Welcher Partei gehören sie an? Wie ist ihr Alltag? Ging ihnen ihre Arbeit schon mal auf die Nerven? Was machen sie, wenn sie nicht wiedergewählt werden? Und nicht zuletzt die Königsfrage: Wie viel verdient ein Oberbürgermeister? Bei der letzten Frage musste Eberhardt dann doch ein bisschen schmunzeln.

„Diese halbe Stunde hat mir gezeigt, dass die Schüler auch wirklich etwas mitgenommen haben. Ich hoffe, davon bleibt auch einiges auf der Festplatte“, hoffte der Oberbürgermeister zum Schluss. „Die Jugendlichen haben gemerkt, dass ein Interesse an ihnen da ist und dass das auch authentisch ist“, freute sich Jugendreferent Kramer.

Das Jugendrathaus ist nicht als einmalige Solo-Veranstaltung gedacht, sondern als Auftakt zum sogenannten „Achter-Rat“. Nächstes Schuljahr werden die Schüler, die dann die achte Klasse besuchen werden, sich erneut treffen. Zusammen mit den entsprechenden Fachbereichen können sie ihre Ideen und Wünsche entwickeln. Mögliche Themen wären zum Beispiel Freizeitgestaltung, Schultoiletten oder die Gestaltung von öffentlichen Räumen in jugendgerechter Form, so die Stadt in einer Pressemitteilung. Am Ende sollen diese Projekte dann im Gemeinderat präsentiert werden. Für die Initiativen des Achter-Rates soll ein Budget von 15 000 bis 20 000 Euro zur Verfügung gestellt werden. Teurere Wünsche müssten allerdings weiterhin über den Haushalt beantragt und vom Gemeinderat beschlossen werden.

Warum sollten sich Jugendliche für den Achter-Rat interessieren, wenn das Jugendparlament in der Vergangenheit am allgemeinen Desinteresse gescheitert ist? Ein bedeutender Vorzug des Achter-Rates ist, dass diese Beteiligungsform milieu-übergreifend angelegt ist. „Jugendparlamente sind oft von Gymnasiasten dominiert. Wir arbeiten nie mit nur einem Schultyp, sondern immer mit allen zusammen“, sagt Udo Wenzl. Der freie Kommunalberater hat das Konzept bereits in Emmendingen, Waldshut-Tiengen und Freiburg erfolgreich getestet. Auch in Rheinfelden begleitet und organisiert er das Projekt in enger Abstimmung mit der Verwaltung.

Ganz beerdigt hat man in Rheinfelden die Idee eines Jugendparlaments jedoch noch nicht. Ein mögliches Szenario sei, dass sich aus dem Achter-Rat wieder eine größere Anzahl von Jugendlichen finde, die bereit sind, sich regelmäßig und verbindlich zu treffen und gegebenenfalls wieder ein Jugendparlament zu gründen, hofft die Stadt.