Rheinfelden Sobald VHS-Leiterin Veronika Plank die Klingel betätigt, heißt es: Aufstehen und zum nächsten Stadtrat weiterziehen – so funktioniert das Speed-Dating. Das Format, bei dem interessierte Bürger auf Rheinfelder Stadträte treffen, hat in der vergangenen Woche seine zweite Auflage erlebt. Während es bei der Premiere im vergangenen Oktober noch darum ging, mit Vertretern des neugewählten Gemeinderats ins Gespräch zu kommen, drehte es sich nun nach der Bundestagswahl vor allem um die große Politik und ihre Auswirkungen auf die Stadt. Die Fragen dazu hatten Veronika Plank und VHS-Fachbereichsleiter Thomas Schmidt zusammen mit der Rheinfelder Initiative für Demokratie vorbereitet. Zwischen den neun Ratsmitgliedern, die in der Cafeteria der Volkshochschule an Bistrotischen platziert waren, und den knapp doppelt so vielen Rheinfelder Bürgern entstanden im Laufe der etwa zwei Stunden spannende Gespräche und Debatten.

Investitionen in Gesundheit, Bildung und Infrastruktur standen bei vielen Stadträten und Teilnehmern ganz oben auf der Prioritätenliste – sowohl auf der kommunalen wie auch auf der bundespolitischen Ebene. „Gegen den Fachkräftemangel im medizinischen Bereich angehen“, war für eine Bürgerin der wichtigste Punkt für die Zukunft. Stadträtin Nadia Mucha (Bündnis Grün-Sozial) wünschte sich dazu auch noch, dass die Stadt mehr öffentlich zugängliche Orte schafft, an denen Jugendliche Sport treiben können. Olga Kaiser (AfD) nannte mehr Angebote für ältere Menschen als eine Priorität. Für Hannelore Nuß (SPD) stehen die Sicherung des Friedens und der Schutz der Bevölkerung auf Platz eins.

Was soll die neue Bundesregierung anders machen als die vorherige? Sich mehr auf der Sachebene auseinandersetzen und Entbürokratisieren, wünschte sich Dieter Meier (CDU). Beim Thema Asyl war sich Jörg Moritz-Reinbach (Bündnis Grün-Sozial) mit zwei jungen Teilnehmerinnen einig. „Das kann nur auf der europäischen Ebene gelöst werden“, sagte eine Schülerin. Die Abschiebung von Menschen mit Duldungsstatus hätte auch wirtschaftliche Auswirkungen auf die Stadt, mahnte Moritz-Reinbach.

Joachim Vetter (AfD) überraschte mit dem Satz: „Wenn es um Solaranlagen geht, bin ich ein Grüner.“ Er plädierte allerdings mit der Einschränkung „das Alleine reicht aber nicht“ für einen Energiemix, der auch Kernkraftwerke umfasst. Dafür erntete er Widerspruch von einer Teilnehmerin. Solange es keine Lösung für die Entsortung des Atommülls gibt, dürfe man das Problem nicht einfach auf die nächste Generation verlagern, argumentierte sie.

Im zweiten Teil des Abends ging es dann um die Frage, welches das Best- und welches das Worst-Case-Szenario für Deutschland in den nächsten Jahren sei. Karin Paulsen-Zenke (SPD) formulierte dazu eine klassisch sozialdemokratische Vision: „Eine solidarische Gesellschaft mit der Sicherheit, dass ich in der Gemeinschaft aufgehoben bin und an alle gedacht wird.“

„Dass Deutschland nicht endlich richtig anfängt zu digitalisieren und zu entbürokratisieren“, sieht Almir Imeri, stellvertretender Schülersprecher des Georg-Büchner-Gymnasiums, als Worst-Case-Szenario. Deutschland dürfe bei Bildung und Forschung gerade im Hinblick auf Künstliche Intelligenz und Robotik nicht ins Hintertreffen geraten, stimmte Felix Düster (FDP) zu. Düster sitzt eigentlich im Gemeinderat in Grenzach-Wyhlen. Er war an diesem Abend aber kurzfristig für eine erkrankte Rheinfelder FDP-Stadtratskollegin eingesprungen.

Nach der Runde hatte Veronika Plank dann „Verlust des Friedens“, Cyber-Krieg oder auch „German Angst“ als schlimmstmögliche Zukunftsszenarien an der Tafel gesammelt. Auf der optimistischen Seite standen beispielsweise „optimale Bildung“ oder „absoluter Frieden“. Was denn davon realistisch sei, wollte die VHS-Leiterin als letzte Frage wissen. Beim Thema „absoluter Frieden“ zeigte sich Matthias Reiske (Freie Wähler) skeptisch. „Streit wird es wohl immer geben. Aber man muss eben die Mitte suchen“, sagte er.

Als sich zum Schluss alle im Raum positionieren durften, gemäß ihrer Einschätzung, ob sie eher optimistisch oder pessimistisch in die Zukunft blicken, drängten sich die Teilnehmer in die „realistische“ Mitte – allerdings mit leichter Tendenz zum Optimismus. Das Format des Speed-Datings mit Politikern soll diesen Herbst in die nächste Runde gehen. Dann will die VHS allerdings keine Stadträte einladen, sondern Kreisräte, kündigte VHS-Leiterin Veronika Plank bereits an.