Schopfheim – Nach einer Mieterhöhung um 20 Prozent im Georg-Reinhardt-Haus rumort es gewaltig beim Evangelischen Sozialwerk Wiesental (ESW). Bei den Erstbeziehern der Einrichtung fallen deutliche Worte gegen die Geschäftsführung. Es ist von Mietwucher die Rede, die christlich-soziale Einrichtung wird gar mit „Miethaien und Heuschrecken“ verglichen. Der neue Geschäftsführer Matthias Lang hat sich seinen Einstieg beim ESW anders vorgestellt. Erst im November als Nachfolger von Martin Mybes eingesetzt, sah er sich gezwungen, in der Adventszeit ein Schreiben an die Erstbezieher der Appartements im Georg-Reinhardt-Haus aufzusetzen, das eine Mieterhöhung ankündigt, die bemerkenswert ist. Von einer Klageandrohung ist dort die Rede, für den Fall, dass diese nicht akzeptiert wird.

Lang erklärt auf Nachfrage, dass acht von insgesamt 18 Bewohnern in der Einrichtung für Service-Wohnen von einer Erhöhung der Kaltmiete von 16 auf 19,20 Euro pro Quadratmeter betroffen sind: Jene Bewohner, die seit der Inbetriebnahme des Neubaus vor fünf Jahren dort eingezogen sind. Angehörige berichten, dass die Empörung unter den Betroffenen groß sei, zumal beim Bezug zumindest einigen Bewohnern von der damaligen Geschäftsführung mündlich Garantien gegeben worden seien, dass es zu ihren Lebzeiten keine Erhöhung geben werde. Darauf angesprochen antwortet Lang zunächst, dass er derartige Absprachen nicht kenne, relativiert dann aber, dass er zumindest in einem Fall doch von einer solchen Zusicherung erfahren habe, er habe sie aber bisher nicht bei den Beteiligten verifizieren können. Eine weitere ESW-Mitarbeiterin war bei dem besagten Gespräch als Zeugin zugegen.

In dem juristisch abgesicherten Anschreiben an die acht Erst-Mieter begründet Lang die saftige Mieterhöhung mit drei Argumenten. Zum einen sei alles teurer geworden. Das verstehen die Bewohner und ihre Angehörigen nur bedingt. Eine Angehörige bringt es auf den Punkt: „Die Preise steigen, ja. Beim Essen in der Tagespflege, bei Curare durch Löhne der Angestellten, bei Reparaturkosten und Hausmeisterdiensten. Was hat das aber mit der Kaltmiete zu tun? Ein Neubau ist normalerweise kalkuliert und muss nicht nach zwei Jahren angepasst werden.“ Der Geschäftsführer spricht von gestiegenen Zinsen. Aber ist das Darlehen für einen erst fünf Jahre alten Neubau wirklich teurer geworden? Nein, räumt Lang ein. Was also dann? Es habe vor fünf Jahren eine Nachfinanzierung zusätzlicher Kosten gegeben, „sodass die Mieten jetzt nicht mehr auskömmlich sind“, sagt Lang. Daher seien seit 2022 für neue Mietverträge 19,20 Euro je Quadratmeter verlangt worden.

Das zweite Argument: „Für mich ist wichtig, dass wir Mieter nicht ungleich behandeln. Dies (...) entspricht (...) nicht meinem Sinn für Gerechtigkeit.“ Nach der Kritik setzte Lang ein erklärendes Schreiben an die Bewohner ab. Darin heißt es: Als jemand, der den genossenschaftlichen Gedanken „einer für alle und alle für einen“ seit der Lehre in sich trägt, „tut es mir besonders weh, wenn mein Vorgehen, mit dem von Miethaien und Heuschrecken verglichen wird“. Der dritte Grund der Erhöhung zielt auf die Schopfheimer Vergleichsmiete ab. Lang führt drei Beispiele an. Sie stammen alle aus dem eigenen Haus und beziehen sich auf die jüngeren, also teureren Mietverhältnisse.

Knapp 1200 Euro werden nun für eine 60 Quadratmeterwohnung kalt verlangt. Hinzu kommen laut einer Angehörigen die Nebenkosten. In der Kaltmiete seien keine Zusatzleistungen enthalten, diese könnten separat dazu gebucht werden, auf eigene Kosten. Das will der Geschäftsführer so nicht stehen lassen. Bewegungskurse mit der Volkshochschule sowie Konzerte in Kooperation mit der Musikschule seien für die Bewohner gratis. Gelegentliches gemeinsames Kochen oder Backen sei ebenfalls inklusive. Wenig Service für monatlich 250 Euro mehr, finden die Angehörigen. Die betagten Bewohner haben laut ihrer Angehörigen nicht die Energie und den Willen, einen Rechtsstreit mit der christlich-sozialen Einrichtung zu führen, zumal sie sich bislang gut aufgehoben gefühlt hätten. Für Lang kommt eine Rücknahme der Erhöhung nicht in Frage. „Wir sehen uns als Teil einer Solidargemeinschaft und stützen uns gegenseitig, auch in schwierigen und herausfordernden Zeiten wie diesen.“ Die Angehörigen der Erstbeziehenden wollen nach einem ergebnislosen Gespräch mit der ESW-Geschäftsführung nun einen Termin beim Bürgermeister.