Schopfheim Wellen hatte das Thema damals in Schopfheim geschlagen – jetzt könnte es als Vorlage für den künftigen Umgang mit dem städtischen Wuhr dienen: 2022 hatte der Gemeinderat beschlossen, dass der rund 90 Meter lange Seitenarm des Gewerbekanals als Bach ausgedient hat und umgestaltet wird. Bis dahin hatte er dem Wohngebiet Bifig einen Hauch von „Klein-Venedig“ verliehen, es wurde auch gerne so genannt. Jetzt fließt nur noch im Untergrund Wasser, verborgen unter einem Pflanzendickicht.

  • Was wurde gemacht? Ein Jahr zuvor, 2021, hatte der Gemeinderat auf den Vorschlag der Stadt hin entschieden, den Kanal komplett zuzuschütten und zu bepflanzen. Der Grund für diese Maßnahme war, dass der vom Fluss Wiese gespeiste Gewerbekanal, an dem nicht nur manches Wasserkraftwerk hängt, sondern auch das Wohl von Fischen, in Trockenzeiten wiederholt nicht genug Wasser führte, um auch diesen Seitenarm mitzuversorgen. Der Trockenlegungsplan löste bei Anwohnern freilich alles andere als eine Euphoriewelle aus. Es gab Proteste. 200 Unterschriften wurden für den Erhalt des Bächle gesammelt.

Letztlich mündete das Ganze in einer Art Entgegenkommen, auch wenn keineswegs alle Anwohner dafür waren: Der Seitenkanal wurde nicht komplett trockengelegt. Stattdessen wurde er nur bis etwa 15 Zentimeter über dem Wasserspiegel im Hauptkanal mit Schotter, Kies und Sand befüllt, damit weiterhin eine „Durchströmung“ stattfinden kann – dank eines Drainagerohrs. Zudem wurde das Ganze mit Schilf, Schwertlilien und Teichbinsen bepflanzt. Die Idee war, dem Fischsterben so einen Riegel vorzuschieben, das Quartier gleichzeitig zu verschönern und obendrein etwas für das Mikroklima gerade in heißen Sommern zu tun – dank Durchströmung sowie Verdunstungseffekten durch Pflanzen, die Wasser aufnehmen und wieder abgeben. Unklar war allerdings, ob das alles auch so eintrifft: Handelt es sich doch um ein ökologisches Pilotprojekt.

  • Wie ist die Bilanz? Als das Projekt 2022 vorgestellt wurde, gab es eine Visualisierung. Darauf waren im Kanal blühende Lilien abgebildet. Jetzt, im Juli, ist von blühenden Lilien nichts zu sehen. Ein grünes Pflanzenmeer dominiert das Bild. Tatsächlich haben die Lilien aber vor Kurzem geblüht, davon zeugen Fotos, die Amalia Besada, bei der Stadt zuständig für Frei- und Grünanlagen, sowie Remko Brouwer (Tiefbauamt) bei einem Vor-Ort-Termin zum Vergleich vorzeigten. Besada: „Das sieht genau so aus wie damals auf der Visualisierung.“ Nur seien die Pflanzen anders angeordnet.

Die beiden Stadtverwaltungsvertreter ziehen eine positive Bilanz. Besada: „Man sieht, dass es funktioniert hat.“ Die Pflanzen seien gut gewachsen. Außer in ganz trockenen Phasen sei auch zu sehen und am Plätschern zu hören, dass Wasser von Anfang bis Ende den Kanal in den unteren Schichten durchfließt – jedenfalls dann, wenn es auch im Gewerbekanal ausreichend Wasser gibt. Die gewünschte „Freiraumqualität“ sei hergestellt worden, zugleich sei das Ganze „ein Beitrag zur Kühlung im Stadtgebiet“, zumindest kleinräumig. „Wir sind sehr zufrieden. Das ist ein super Projekt geworden, auch aus ökologischer Sicht. Ein kleines Vorzeigeprojekt, wie man mit dem Klimawandel umgehen kann.“ Auch Brouwer wertet das Projekt als Erfolg. „Das passt. Das entwickelt sich sehr gut“ – auch wenn das Bild mit blühenden Lilien nicht das ganze Jahr zu halten sei. Allerdings sei bislang bewusst darauf verzichtet worden, den im Herbst braun werdenden Pflanzenteppich zurückzustutzen. Jetzt, aber im kommenden Winter – also nach drei Vegetationsperioden – soll dies erstmals erfolgen.

Und was ist mit den Befürchtungen, dass der Kanal zur Müllhalde und zur Stechmücken-Brutstätte wird? „Das mit dem Müll hält sich in Grenzen“, so die Beobachtung von Brouwer. Gerade im Winter, wenn die Pflanzen flach gedrückt seien, sammle sich zwar das eine oder andere an. Aber das sei vorher nicht anders gewesen – nur dass der Müll nicht liegengeblieben sei, aber „vom Wasser weggeschwemmt wurde und im Ozean landete“. Der Müll werde vom Bauhof beseitigt, wenn er ohnehin vor Ort sei. Auch sei der Kanal keine Stechmücken-Brutstätte geworden. Das liege am Konzept. Amalia Besada erklärt: „Wichtig war uns, dass es kein stehendes Wasser gibt. Das haben wir gut hinbekommen.“ Und eines sei auch wichtig, so Brouwer: „Wir haben jetzt keine toten Fische mehr.“

  • Wie sehen das Anwohner? Komplett gegensätzlich dazu wirken Aussagen von Anwohnern. Rolf Hugenschmidt hatte vor einiger Zeit in einem Leserbrief seine Sichtweise kundgetan: Demnach müsse er sich „regelmäßig aufregen, wenn ich an dem zugeschütteten Kanalabschnitt entlanglaufe“. Die frühere Oase sei leider „zu einer Müllkippe verkommen“ und biete „ein Bild des Jammers“. Auch biete die „Bepflanzung einen nicht gerade schönen Anblick“. Ähnlich äußert sich Manuela Heitzmann, die damals Sprecherin der Anwohner war. Jetzt gerade, wo alles Grün sei, sei es zwar ganz okay. Zwischen Herbst und Frühjahr jedoch sei das „ein trauriges Bild und einfach hässlich“, zumal erwartungsgemäß „Müll reingeschmissen wird“. Für sie steht fest: „Es ist kein Vergleich zum fließenden Gewässer.“ Anders als vorher, als noch Wasser floss, sei auch kein wirklicher Kühlungseffekt festzustellen. „Also zufrieden sind wir ganz sicher nicht. Im Endeffekt wäre es für uns besser gewesen, sie hätten den Kanal komplett aufgeschüttet und Rosenbüsche drauf gepflanzt, dann hätte wenigstens etwas Schönes geblüht und es wäre dann auch kein Hundeklo draus geworden.“

Eines allerdings sei richtig: Dank des unterirdischen Drainagerohrs sei aus dem Kanal tatsächlich keine Stechmücken-Brutstätte geworden. So oder so: Den Anwohnern bleibe jetzt nichts anderes übrig, „als sich damit abzufinden“, wie es jetzt aussieht. Als Vorbild für das Wuhr kann sich Heitzmann dieses Projekt allerdings überhaupt nicht vorstellen, vor allem nicht im Stadtpark, der schließlich eine Visitenkarte für Schopfheim sein soll.

  • Blaupause für das Wuhr? Tatsächlich hatte sich bei der Vorstellung möglicher Zukunftsszenarien für das Wuhr kürzlich im Bauausschuss abgezeichnet, dass es – je nachdem, wie der Gemeinderat am Ende entscheidet – auf ein Konzept hinauslaufen könnte wie beim Seitenkanal. Also auf einen „grünen Korridor“ mit Pflanzen. Der Grundgedanke sei „ähnlich“, bestätigt Brouwer. Es gebe aber einen großen Unterschied: „Eine aktive Bewässerung wie beim Kanal ist nicht vorgesehen.“ Das wäre beim 1,8 Kilometer langen Wuhr „einfach ein Wahnsinn, weil es viel zu teuer wäre.“ Auch werde das Wuhr anders als der Kanal fast vollständig dafür benötigt, im Starkregenfall Wasser aus der Kanalisation aufzunehmen. Schon deshalb brauche es eine andere Lösung. Unabhängig davon aber steht für Remko Brouwer aber fest: „Grundsätzlich macht der Wandel von Blau zu Grün in künstlichen Gewässern, die wir einfach nicht mehr dauerhaft speisen können, absolut Sinn.“