Wo normalerweise Gemeindepolitik über den Bildschirm flimmert, wurden Zuschauer am Dienstagabend von etwas ganz anderem überrascht: Unbekannte übernahmen die Kontrolle über die Online-Übertragung der Gemeinderatssitzung in Bodman-Ludwigshafen und spielten in ihren Bildschirmfenstern Videos mit pornografischen Inhalten und dazugehörigen Geräuschen ab, die auch auf der Leinwand im Sitzungssaal zu sehen und hören waren. Über die laufende Präsentation der Gemeinde malten sie mehrere rote Hakenkreuze, ehe Bürgermeister Christoph Stolz die Übertragung nach wenigen Sekunden abbrach und die Sitzung rein analog fortsetzte.

Das sagt Bürgermeister Stolz dazu

Stolz erklärt am Tag danach auf SÜDKURIER-Nachfrage, was genau vorgefallen ist: „Während der Übertragung der Gemeinderatssitzung über Zoom haben sich Unbekannte Zugang verschafft und versucht, die Sitzung mit lauten Störgeräuschen, verstörenden Bildern und Symbolen zu sabotieren.“

„Es gibt bislang keine Hinweise darauf, dass das gezielt gegen unsere Gemeinde gerichtet war. Solche Attacken werden oft wahllos ...
„Es gibt bislang keine Hinweise darauf, dass das gezielt gegen unsere Gemeinde gerichtet war. Solche Attacken werden oft wahllos durchgeführt, weil jemand einfach Lust hat zu provozieren“, sagt Christoph Stolz. | Bild: Fw

Dies sei eine bekannte Masche, die man Zoombombing nennt. „Dabei wurden anscheinend technische Schwachstellen in Zoom genutzt. Wir haben die Übertragung daraufhin sofort beendet, um alle Teilnehmenden zu schützen und weiteren Schaden zu vermeiden“, führt Stolz weiter aus. Finanzielle Folgen hatte der Angriff daher nicht.

Unbekannte hackten sich in die Zoom-Übertragung der Gemeinderatssitzung und kaperten die Sitzung. Sie starten in zwei Accounts Video mit ...
Unbekannte hackten sich in die Zoom-Übertragung der Gemeinderatssitzung und kaperten die Sitzung. Sie starten in zwei Accounts Video mit pornografischen Inhalten und malten Hakenkreuzsymbole über die Präsentation der Gemeindeverwaltung. | Bild: Mario Wössner

Seit April 2021 überträgt Bodman-Ludwigshafen seine Gemeinderatssitzungen mit der Software Zoom digital ins Netz, sodass jeder Bürger auch von zuhause aus teilnehmen können. Damit gehört die Gemeinde zu den Vorreitern im Landkreis. Wie genau es nun zu dem Cyber-Angriff kommen konnte, ist aktuell noch unklar.

Laut Stolz deute vieles darauf hin, dass sich die Störer schlicht mittels der öffentlichen Zugangsdaten eingewählt haben und es ihnen dann gelungen ist, sich die Berechtigung zur Teilung des Bildschirms eigenständig zu verschaffen. Normalerweise hat dies nur die Gemeinde als Organisator der Übertragung. Wie das möglich war, wisse die Gemeinde noch nicht. „Wir prüfen nun, wie wir den Zugang künftig sicherer gestalten können und sich solche Fälle vermeiden und nachverfolgen lassen“, kündigt der Bürgermeister an.

Wer steckt hinter dem Angriff?

Wer dafür verantwortlich ist, weiß Stolz noch nicht. „Es gibt bislang keine Hinweise darauf, dass das gezielt gegen unsere Gemeinde gerichtet war. Solche Attacken werden oft wahllos durchgeführt, weil jemand einfach Lust hat zu provozieren.“ Er selbst halte den Vorfall für einen schlechten und geschmacklosen Scherz – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Allerdings sei es nicht der erste Vorfall dieser Art. Laut Stolz versuchten Unbekannte bereits in der Vergangenheit einmal, Zugriff auf die Übertragung einer Sitzung des Touristikausschusses zu erhalten. Allerdings sei Bodman-Ludwigshafen als kleine Gemeinde ansonsten bislang nicht im Fokus solcher Angriffe gewesen. Dennoch nehme man das Thema IT-Sicherheit ernst, da sich die generelle Bedrohungslage in den vergangenen Jahren deutlich verschärft habe.

Laut Stolz gehe es nicht darum ob, sondern wann der nächste Angriff auf die öffentliche Verwaltung folgen wird. „Da gibt es in Fachkreisen keine unterschiedlichen Meinungen“, sagt er.

Das könnte Sie auch interessieren

Gemeinde stellt auf andere Software um

Die Verwaltung habe den Vorfall dokumentiert und bespreche das weitere Vorgehen mit der Polizei, weil die gezeigten Inhalte strafrechtlich relevant sein können, so Stolz. Zudem wolle man versuchen, die sicherheitstechnischen Lücken zu schließen. Mittelfristig sei ohnehin geplant gewesen, für die Übertragung auf eine andere Software umzusteigen – wenn auch eher aus praktischen und organisatorischen Gründen. „Diesen Prozess werden wir gegebenenfalls beschleunigen und dabei auch ein besonders Augenmerk auf die Sicherheit des Systems legen“, kündigt Stolz an.

Das könnte Sie auch interessieren

Allerdings stellt er auch klar: Hundertprozentige Sicherheit gibt es weder im Netz noch im echten Leben. Man könne das Risiko eines solchen Hacks durch technische Einstellungen und mehr Kontrolle deutlich reduzieren, allerdings sei es für eine vergleichsweise kleine Kommune nicht einfach, mit der großen Dynamik in diesem Bereich Schritt zu halten.

Stolz hält an Online-Übertragungen fest

Einstellen möchte Stolz die digitale Übertragung der Ratssitzungen, an der er 2016 im Rahmen seines Studiums selbst mitgewirkt hat, auf keinen Fall. „Ich halte die Übertragung für einen echten Gewinn an Transparenz und Bürgernähe. Wir lassen uns von so einem Vorfall nicht entmutigen, sondern lernen daraus, wie wir es künftig noch sicherer gestalten“, so Stolz.