Schopfheim „Stellt euch mal vor, wie es hier früher war, vor fast 800 Jahren“, machte Annette Dahlmann am Samstag die Kinder neugierig auf die Altstadtführung in Schopfheim. Es war eine stattliche Gruppe von rund 50 Kindern und Erwachsenen, die sich am Samstag an der Lenk-Plastik versammelte, um Annette Dahlmann zu den Stationen dieser speziellen Kinderführung zu folgen. Dahlmann ging voraus, Christiane Kästle, mit der sie diese Führungen gemeinsam macht, lief die Route mit und konnte auf Wunsch auch Fragen beantworten. „Wir werfen nicht mit Zahlen um uns“, machte Dahlmann klar. Denn das unterscheidet ihren auf Familien zugeschnittenen Rundgang von anderen geschichtlichen Themenführungen. Die Tour ist kindgerecht und von den Texten her so konzipiert, dass sie Kinder gut verstehen können. „Wir zeigen, was es bei uns vor der Haustür gibt, und erzählen, wie es früher war.“
In der nach dem Stadtgründer Konrad von Rötteln benannten Straße gab sie mit Blick auf die Alte Kirche St. Michael einen Eindruck davon, wie der Alltag ausgesehen haben mag, als Schopfheim sein Stadtrecht erhielt. „Einen Supermarkt um die Ecke gab es nicht“, erklärte sie den Kindern, „dafür kamen dreimal im Jahr Händler auf den Markt, wo man alles Wichtige kaufen konnte“. Auch Musik habe es auf diesen Märkten gegeben. „In diesem Bereich war die Stadtmauer“, erläuterte sie auf dem weiteren Weg. Außerhalb der alten Stadtmauer liegt das ehemalige Gefängnis, ein imposanter roter Sandsteinbau, Ende des 19. Jahrhunderts erbaut. „Das Gestein wurde ganz aus der Nähe hertransportiert“, berichtete Dahlmann. Verwendet wurde roter Sandstein, der am Hausberg Entegast gebrochen wurde.
Früher getrennter Unterricht
Zurück ging es durch das Neutor. Dort erzählte Dahlmann, dass bis etwa ins Jahr 1900 eine Schule am Neutor bestand, in der Mädchen und Jungs getrennt unterrichtet wurden. Später gingen die Kinder in die Max-Metzger-Schule, wo es zeitweise große Klassen mit 50 bis 60 Schülern gab, sodass der Unterricht aufgeteilt werden musste. In der Torstraße, ehemals Marktstraße, sei der Stadtbach durchgeflossen. „Da wurde auch der Unrat abtransportiert“, schilderte Dahlmann. Wenn es gebrannt habe, sei der Bach gestaut worden. Den Kindern erklärte sie, wie mühsam es war, das Wasser für den täglichen Gebrauch im Kanal zu schöpfen und nach Hause zu schleppen, zum Kochen oder zum Waschen. „Heute dreht ihr einfach den Wasserhahn auf.“
Beim Gehen über das Kopfsteinpflaster erinnerte Dahlmann daran, dass man früher auf den aus Erde gestampften Wegen ging, die bei Regen völlig verschlammten. Die Gruppe machte auch Halt an der Alten Stadtmühle. Dort haben die Landwirte mit Handkarren, Esel oder Pferd das Korn abgeliefert, um es mahlen zu lassen, berichtete Dahlmann. Während die Bauern warteten, kehrten sie in der Zwischenzeit in den umliegenden Gasthäusern ein, etwa im einstigen Schwanen. Durch den Durchgang der Stadtmühle zur Straße Altstadt führte Dahlmann die Gruppe vorbei an eng stehenden Häusern mit Eingängen direkt an der Straße, ohne Gärten. „Ihr habt zu Hause vielleicht einen Garten“, sagte sie und erinnerte daran, dass früher Kinder und Mütter oft jung starben. „Heute haben wir gute medizinische Fortschritte und Hygiene“.
Holzbrücken wurden zerstört
Weiter ging die Tour Richtung Wiese, als Annette Dahlmann über die 1911 erbaute Wiesenbrücke erzählte, die erste freitragende Stahlbetonbrücke der Umgebung. Zuvor haben stets Holzbrücken über den Fluss Wiese geführt, die aber regelmäßig durch Hochwasser zerstört worden seien. Dahlmann zeigte eine historische Abbildung der Holzbrücke. Fuhrwerke hätten stets Holz und Sandstein aus dem Entegast gebracht.
Am Kanal ging es ums Wäschewaschen. Annette Dahlmann erklärte den Kindern, wie mühsam es für die Frauen war, die Wäsche am Kanal zu waschen. Dafür habe es richtige Waschtage gegeben. Teils sei die Wäsche zum Bleichen auf die Felder gelegt worden. Auf dem Rückweg kam die Gruppe am alten Gasthaus Hans Sachs vorbei, das ebenso geschichtsträchtig ist, wie die frühere Lateinschule, die der Dichter Johann Peter Hebel besuchte. Dort verwies Dahlmann auf die Butzenscheiben, die früheren Fenster.
Auch über den früheren Alltag der Kinder konnten die Führerinnen erzählen. Zum Beispiel, dass Kinder im Spätmittelalter mit Murmeln, Holzkreiseln oder Ritterschwertern aus Holz gespielt haben. Annette Dahlmann riet den Kindern, mal das städtische Museum zu besuchen: „Es ist spannend, wie vielseitig das ist.“
Die nächste Altstadtführung für Kinder durch Schopfheim ist am Samstag, 18. Oktober, 14 Uhr. Buchung unter der Telefonnummer 0152/28643212.