Stühlingen (sbe) Die Tage zwischen Weihnacht und Dreikönig nannte man in früheren Zeiten Lostage. Dieser Zeit hat der Stühlinger Stadtchronist Gustav Häusler in seinem Heimatbuch, das bis 1966 Stühlinger Sitten und Gebräuche dokumentiert, auch ein Kapitel gewidmet. Dass in den Tagen zwischen Weihnacht und Neujahr die Frauen nicht waschen sollten, war wohl dem Umstand gewidmet, dass die Frauen wenigstens ein paar Tage im Jahr von dieser Last befreit werden sollten. Es wurde behauptet, wer an diesen Tagen wäscht, wäscht einen Familienangehörigen zum Haus hinaus. Letzteres bedeutete, dass ein Familienmitglied bald sterben werde. Das Waschbrett war früher ein unverzichtbares Haushaltsgerät. Die Wäsche wurde von Hand ausgewrungen und als Waschmittel wurden Kernseife, Soda und Pottasche benutzt.
Der Wetterverlauf der Lostage wurde genau aufgeschrieben. Jedem Lostag war ein Monat im Jahresablauf zugeschrieben. Am Neujahrstag drehten die beiden Nachtwächter eine Ehrenrunde durch ihre Reviere, um den Einwohnern Glück und Segen für das neue Jahr zu wünschen. In Ermangelung von Nachtwächtern übernimmt diese Aufgabe längst der Bürgermeister via Amtsblatt. Patenkinder besuchten an Neujahr Götti und Gotte (Pate und Patin), um ebenfalls Glückwünsche zu überbringen. Als Belohnung gab es meist eine Neujahrsbrezel und vermutlich auch ein paar Groschen.
Und am ersten Werktag des neuen Jahres wurde die Werktagsgemeinde abgehalten. Diesen Brauch pflegt in Stühlingen nur noch die Gemeinde Lausheim. Früher wurden an diesem wichtigen Tag im Jahresablauf neue Gemeindebedienstete und „Umgelder“ gewählt. Umgelder – das waren die Steuereinzieher. An diesen offiziellen Teil schloss sich das Bürgermahl an. Letzteres sorgte vermutlich auch dafür, dass diese Werktagsgemeinde immer gut besuchte wurde. Die Stadt ließ sich nicht lumpen. Sämtliche Besucher wurden mit Fleisch, Brot und Wein bewirtet. Der Wein stammte meist aus dem schweizerischen Hallau oder Gächlingen, manchmal sogar aus dem alten Stühlinger Bezirksort Horheim. Zwar gab es früher an den steilen Stühlinger Hängen auch Rebbau, doch der dabei gewonnene Wein reichte bei weitem nicht für alle aus. Die Stadt zeigte sich nicht kleinlich. Aus alten Rechnungen geht hervor, dass manchmal ziemlich viel Fleisch und Wein übrig blieb.
Die Winterszeit war erst an Maria Lichtmess endgültig vorbei. Ab diesem Zeitpunkt ließen die Frauen das Spinnen sein. Bienenväter (Imker) schritten um ihre Bienenstöcke und sprachen: “Freu dich Immeli (Biene), Maria Lichtmeß isch wieder do!“ Am 17. Januar wurde des Heiligen Antonius des Einsiedlers gedacht. Im Volksmund wurde dieser „Suu Toni“ (Schweine Toni) genannt, weil dieser Heilige auf alten Bildern meist zusammen mit einem Schwein abgebildet ist. Zu Ehren dieses Beschützers fand eine Prozession zur Weilerhof-Kapelle statt. Heute gedenkt man seiner alljährlich in der Kapelle des Hohenlupfen.
Am 20. Januar, in Stühlingen kurz „Sebastiani“ genannt , wurde der „Städtlifiertig“ begangen. Ein Gottesdienst zu Ehren des Heiligen Sebastian findet bis heute in der alt-katholischen Stadtkirche statt, aber ein Feiertag ist dieser schon lange nicht mehr.