Kriminalität ist meist Männersache, informierte die Polizeidirektion Waldshut-Tiengen im April 1992 bei der Präsentation der Polizeistatistik für das Vorjahr. Mit ihren nur 20 Prozent von 3000 Tatverdächtigen spielten – wie auch heute noch – kriminell gewordene Frauen eher eine Nebenrolle.
Die Ausnahme folgte noch am gleichen Tag: Gegen 14.30 Uhr betrat eine maskierte Frau die Zweigstelle der Volksbank in Grafenhausen. Dort hielten sich der Zweigstellenleiter und eine Angestellte hinter der Panzerglasscheibe auf, davor ein 14-jähriger Kunde. Dem jungen Mann hielt die Bankräuberin eine Pistole an Kopf und forderte Geld. Der Filialleiter legte daraufhin die ersten Scheine auf den Kassentresen. „Mehr“, forderte die Frau und hatte schließlich eine Beute von rund 29.000 Mark in der Hand. Beim Verlassen der Bank wurde sie vom Filialleiter beobachtet. Sie ging über den angrenzenden Schulhof, stieg in einen grünen BMW und fuhr allein davon.
An der sofort eingeleiteten Fahndung nahmen 50 Polizisten in 20 Fahrzeugen teil. Schon um 16.50 Uhr konnten sie Erfolg melden. Als eine der Fahndungsgruppen den grünen BMW in Bonndorf sichtete und eine junge Frau aus dem Wagen steigen sah, klickten die Handschellen. Von der Beute fehlten nur einige hundert Mark. Bei der Bankräuberin handelte es sich um eine 33-jährige Frau aus dem Kreis Waldshut, die als Arbeiterin berufstätig war. Wenige Tage später gestand sie den Überfall und nannte als Motiv Geldsorgen wegen hoher Schulden. Sie wurde in U-Haft genommen.
In der Geschichte der Polizeidirektion Waldshut-Tiengen war die 33-Jährige die erste Frau, die einen Bankraub verübte. Von ihr fühlte sich der Zweigstellenleiter übrigens nicht bedroht, „denn ich stand ja hinter der Panzerglasscheibe“, schilderte er dem Alb-Bote. „Doch wenn man zusehen muss, wie einem jungen Burschen aus der Gemeinde eine Pistole an die Schläfe gehalten wird, wirkt das doch ganz schön nach.“ Und welchen Eindruck machte die Bankräuberin auf ihn? „Die war gar nicht cool, sondern zitterte förmlich am ganzen Leib.“