24 Quadratmeter für die Hasans, für sechs Personen. Die syrische Familie wohnt im Containerdorf in der Tiengener Badstraße und das schon seit anderthalb Jahren: Vater Rokhash Hasan, Mutter Nesrin Sido und die vier Kinder Asim, Imra, Berfin und Ahmed. Sie haben zwei der dort stehenden 12-Quadratmeter-Container für sich. WC und Sanitäranlagen gehören nicht zur Wohnung. Auch die Küche liegt außerhalb.
Die so genannte Gemeinschaftsunterkunft in Tiengen wird aktuell von 260 Menschen bewohnt und ist die größte der insgesamt zwölf Unterkünfte im Landkreis Waldshut.
Und weil die Unterkunft die größte ist, wohnen dort auch vergleichsweise viele Kinder. 53 sind es Mitte November 2024. Für sie dürfte das Leben in der Containersiedlung mit am bedrückendsten sein. Sie wollen raus, spielen, lernen und sich mit Gleichaltrigen treffen, auch mit deutschen.
Keinen Platz im Kindergarten
Das könnten sie im Kindergarten – gäbe es für sie Plätze. Aber die Stadt Waldshut-Tiengen kann ihnen keine bieten. Acht der in der Badstraße lebenden Jungen und Mädchen sind im Kindergartenalter. Aber bis auf eines, das den sonderpädagogischen Carl-Heinrich-Rösch-Kindergarten besucht, haben alle keinen Platz, stehen nur auf einer Warteliste.
Fatal: Denn gerade im Kindergarten werden die Grundlagen dafür gelegt, die Jungen und Mädchen schulreif zu machen. Rhythmus bekommen, Regeln kennenlernen, Stillsitzen und zuhören – darum geht es. Wenn es unterbleibt das zu lernen, haben die Grund- und weiterführenden Schulen in Tiengen das Problem. Diese werden von derzeit 27 Kindern und Jugendlichen aus der Badstraße besucht, immerhin kann bei ihnen die Schulpflicht erfüllt werden.
Traumatisiert auf der Flucht mit den Eltern
Aber das wird vor Ort zur Herausforderung. „Herausfordernder als man sich das vorstellen kann“, sagt Henning Zillessen, Rektor der Hans-Thoma-Schule. „Herausfordernd ist das breite Spektrum der Kinder und deren Herkunft“, erklärt er weiter.
Was haben sie schon alles erlebt auf der Flucht mit den Eltern? Wie traumatisiert kommen sie in Deutschland an? Was bringen sie an Vorbildung mit? Herausfordernd war es für die Tiengener Schulen vor allem im Sommer 2023, als mit relativ kurzem Vorlauf die schon zwischen 2015 und 2020 bestehende Tiengener Containerunterkunft aufgrund der hohen Zuweisung an Geflüchteten reaktiviert worden ist.

Zillessen macht die Erfahrung, dass die Vorbildung teils groß, teils gar nicht vorhanden ist. So gebe es Kinder, die weder Schuhe binden noch einen Stift halten könnten. Andere wiederum könnten sich „ruckzuck in die Regelklasse“ einfügen, so der Schulleiter.
Wo das nicht auf Anhieb gelingt, sollen Vorbereitungsklassen helfen. Diese gibt es in Tiengen an Zillessens Schule, Johann-Peter-Hebel Grundschule, Realschule und Klettgau-Gymnasium. Laut Staatlichem Schulamt liegt deren Auslastung in den Tiengener Grundschulen und der Realschule bei etwa 62 Prozent.
Klingt entspannt. Doch vor Ort muss in Zeiten des Lehrermangels dennoch das dafür nötige Personal vorhanden sein. So werden Pensionäre für die Aufgabe gewonnen oder Quereinsteiger ohne Lehramtsausbildung, dafür aber oft auch mit Migrationshintergrund, was Brücken bauen kann.
Auch die an den Schulen tätigen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter können Kindern und Jugendlichen den Start in Deutschland erleichtern helfen. Aber auch da gilt: Ohne Deutschkenntnisse wird die Kommunikation schwierig. Ziel ist es, „unter den gegebenen Umständen die bestmögliche Integration und Bildungsbiografie für die Schulkinder zu erreichen“, bringt es Christian Dierkes vom Schulamt auf den Punkt.
Hausaufgabenbetreuung durch Freiwillige
Vor Ort, im Containerdorf in der Badstraße, hilft der „Helferkreis für Geflüchtete WT“ dabei mit. Für die Kinder im Kindergartenalter gibt es einmal pro Woche ein Spiel- und Lernangebot ebenso wie für die Schulkinder, für die zudem Hausaufgabenbetreuung stattfindet. Auch während der Sommerferien fand diese statt und wurde begierig aufgegriffen. Der Helferkreis stemmt zusätzlich noch zwei Sprachkurse, je zwei Mal die Woche, einen Anfänger- und einen Fortgeschrittenen-/Konversationskurs.
Aber die Freiwilligen gelangen so immer mehr an ihre Grenzen. „Das Ehrenamt in der Flüchtlingshilfe ist leider nicht mehr so wirklich attraktiv“, sagt Marion Pfeiffer, Ehrenamtskoordinatorin in der Flüchtlingsarbeit der Diakonie Hochrhein. Und betont: „Grundsätzlich müsste von staatlicher Seite mehr Geld für das Ehrenamt und die Begleitung der Ehrenamtlichen zur Verfügung gestellt werden.“
Wobei die staatliche Seite inzwischen in Tiengen auch mehr unternimmt. So organisiert der vor Ort tätige Sozialdienst Asyl vom Landratsamt Waldshut Ausflüge mit den Kindern der Badstraße. Im Waldshuter Wildgehege oder im Wild Kids-Indoorspielplatz in Bad Säckingen waren sie schon.