Manfred Dietenberger

Neben den unzähligen kriegerischen Auseinandersetzungen, deren Schau- und Schlachtplatz unsere Region am Hochrhein schon gewesen ist, hat die Pest für eine immense Zahl von Bewohnern den „Schwarzen Tod“, wie die Pest auch genannt wurde, gebracht. Den Hochrhein erreichte diese schreckliche Erkrankung viele Male, so zum Beispiel nachweislich in den Jahren 1146, 1348/49, 1439/40, 1541, 1552, 1582, 1593, 1608 -1612, 1626-1628, 1633 -36, 1667 bis 70 und 1673.

Der Ursprung der Pest

Das lateinische Wort „pestis“ bezeichnete eine ansteckende Krankheit oder eine Seuche mit häufiger Todesfolge. Die vielen in der europäischen Geschichte gemeinhin ,,Pest“ genannten Seuchen hatten unterschiedliche Ursachen und Verlaufsformen. Das gilt auch für die Große Pest von 1348 bis 1352. Ausgebrochen war die lebensgefährliche Seuche um 1340 in Asien (wohl im heutigen Kirgisistan oder in China). Mit mongolischen Soldaten reiste die Seuche bis ans Schwarze Meer, von wo aus sie sich von italienischen Seeleuten auf den entlang der Handelsrouten segelnden großen Handelsschiffen bis nach Westeuropa weiter ausweitete.

Die Ausbreitung

Ende September 1347, zur Weihnachtszeit, steuerten zwölf Genueser Kaufmannsschiffe den Hafen von Messina an. Von dort aus breitete sich das große Sterben im Oktober über Sizilien und die Basilikata im Süden Italiens weiter aus. Vier Galeeren wagten es leichtsinnig, weiter nach Norden zu rudern; doch ihnen eilte die Kunde des Unheils voraus, und sie werden daran gehindert, in Genua einzulaufen, sodass sie ausweichen mussten und an Allerheiligen ihre tödliche Ladung in Marseille anlandete. Den Hochrhein erreichte der Schwarze Tod durch die Brennerfurche sowie von Westen: Über Trient, das im Juli 1348 erfasst wurde, breitete die Pest sich nach Kärnten sowie zum Inntal hin aus; St. Gallen und Zürich wurden vom Gotthard aus erreicht. Von Westen her suchte der Tod zum Jahresende die Städte in Richtung Basel heim.

Besonders betroffene Region

Die Messeplätze am Hochrhein, Zurzach und Basel trugen die Seuche weiter. Diese beiden großen Handelsumschlagplätze machten die Hochrheinregion, mit ihren zahlreichen wirtschaftlichen und verwandtschaftlichen Verbindungen zu anderen Städten, zu einer besonders gefährdeten Region während aller Pestausbrüche.

Der Verlauf

Die meist tödlich verlaufende Krankheit trat, nach einer Inkubationszeit von zwei bis fünf Tagen, in zwei Erscheinungsformen auf. Die häufigste war die der Beulenpest. Der Erkrankte bekam hohes Fieber und erlitt andauernd Herz-Kreislaufschwächen. Von einer inneren Unruhe getrieben, litt er unter Übelkeit und war oft benommen. Seine Drüsen schwollen mehr und mehr an (daher der Name Pestbeule), doch konnten diese sich auch zurückbilden. In diesem Falle hatte der Patient noch einmal Glück gehabt und war wieder auf dem Wege der Genesung. Gingen die Beulen und Symptome nicht zurück und kam ein Lungenödem dazu, trat rasch der Tod ein.

Schlechte Bedingungen

Die Hochreinbewohner kannten weder den geografischen Weg, den die Pest zu ihnen nahm, noch kannten sie die Infektionswege dieser Krankheit: Die Pest ist eigentlich eine Tierseuche. Der verantwortliche Erreger ist das Bacterium pestis, das ursprünglich bei den Nagetieren, besonders bei Ratten Zentralisierens, vorkam. Die schlechten hygienischen Zustände in den engen mittelalterlichen Städten mit ihrem nur ungenügend sauberen Trinkwasser und den nur selten von Abfällen gereinigten Straßen und Wegen (nicht umsonst ließen sich die hochadeligen Damen jener Zeit in Sänften durch die Gassen tragen) förderten die Ausbreitung der Seuche.

Wie aus heiterem Himmel

Für die Menschen des Mittelalters kam die Pest unvermittelt über sie, wie Pfeile aus heiterem Himmel. Aber irgendjemand musste doch schuld sein. Vielleicht die Juden? Sie galten als Sonderlinge, dabei wurde übersehen, dass die obrigkeitlichen Gesetze die Juden erst dazu machten. Von den Kanzeln herunter wurden Menschen jüdischen Glaubens von den Pfarrern als die Mörder Jesu, denen alles zuzutrauen ist, gebrandmarkt. Da es unter den Juden einige (etwa als Viehhändler) zu beachtlichem Wohlstand brachten, wurden sie von vielen Bürgern christlichen Glaubens beneidet oder gar gehasst.

Juden als Sündenböcke

Im Herbst 1348 schien eine Nachricht aus Savoyen diese Vermutung zu bestätigen: Nachdem ihnen die Glieder gebrochen und die Hände gequetscht worden waren, gestanden vor dem dortigen Gericht elf Juden, Quellen und Brunnen vergiftet zu haben. Ähnliche Geständnisse wurden landauf, landab – zum Beispiel in Bern und Zofingen – von Juden erpresst. Der Volkszorn, derart aufgehetzt, kochte. 1349 wurden, wie einem alten jüdischen Martyrologium (Verzeichnis der als Märtyrer wegen ihres Glaubens getöteten Juden) zu entnehmen ist, in Zürich, Aarau, Baden, Waldshut, Säckingen Rheinfelden, Basel Tann, Pfirdt, Ensisheim, Mühlhausen, Colmar und Freiburg Juden öffentlich – nach ähnlichen Verhören – verbrannt.

Fortschritt

In den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten nahm sich die Medizin allmählich der Erforschung der Pest-Ursachen an. Trotz allmählich aufkommenden Schutz- und Hygienevorschriften kam die Pest immer wieder an den Hochrhein. In Basel fielen 1667/68 ganze 15 Prozent der Bewohner der Seuche zum Opfer.

Die Lage in Waldshut

Für Waldshut war das Pestjahr 1611 besonders verheerend: Man schrieb den Monat August und hatte schon 60 Pestopfer zu beklagen; der September forderte weitere 206 und der Oktober gar 216 Opfer. Erst im November ging die Zahl der Toten auf 98, im Dezember auf 13 zurück. Die Waldshuter Pestkranken wurden in das städtische „Haus der armen Sondersichen ob der Steig“ (am Ochsenbuckel) vor den Mauern der Stadt gebracht, wo sie in Quarantäne nicht lange auf ihren Tod warten mussten.

Die von der Seuche befallenen Wohnhäuser in der Stadt mussten kenntlich gemacht werden, um Vorbeigehende zu warnen. Die Zimmer oder auch gleich das ganze Haus wurden mit Weihrauch, Kampfer und anderen Mitteln eher ausgeräuchert als desinfiziert.

Schutzmaßnahmen

Ärzte, Bader und anderes Pflegepersonal versuchten, sich mit einer Art Schutzkleidung vor der Ansteckung zu schützen. Dazu hüllten sie sich in einen Umhang aus Wachstuch, zogen fest schließende Stiefel, Lederhandschuhe und eine Gesichtsmaske an. Die Maske trug einen langen Schnabel, den „Doktor Schnabel von Rom“, in den täglich stark duftende Stoffe wie Harz, Balsam, Wacholder, Essig und ätherische Öle eingeträufelt wurden.

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Die Bevölkerung hielt sich zum Infektionsschutz ein mit den gleichen Stoffen beträufeltes Tuch vor den Mund. Bevor man zu anderen Menschen ging, besprengte man sich noch schnell mit „Pestwasser“, wie es auch in Köln damals gebraucht wurde und daher vieler Orts nachgeahmt auch „Eau de Cologne“ genannt wurde.

Verbote

Die Hinterbliebenen versuchten oft, ihre Not durch den Verkauf der Kleider der Pestopfer in einem Nachbarort finanziell etwas zu lindern. Dagegen wandte sich zum Beispiel eine obrigkeitliche Verordnung im Fricktal aus dem Jahr 1669: „Nachdem die Basler, Brugger, Aargauer und ander infizierte Orte, ihre von infizierten Hinterlassenen, Bet(t)gewand, Kleider… abzukommen, diese um einen geringen Preis zu verkaufen, dadurch Land und Lüth angesteckt, haben wir verboten… Dergleichen zu verkaufen, die Sachen sollen unter freiem Himmel verbrannt werden.“

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Medizin und Bevölkerung blieben gegenüber der Pest weiter hilflos. Die Menschen im Mittelalter konnten sich das Auftreten der Pest nur als eine Strafe Gottes für die Sünden der Menschen vorstellen. Die Kirche bot den Gläubigen daher neue Heilige als Schutzschilde an. So sollten der heilige Sebastian und auch der heilige Rochus die vom Himmel zur Erde geschleuderten Pfeile des Todes auf sich ziehen.

Die Opfer

Seriöse Schätzungen gehen heute davon aus, dass der „Schwarze Tod“ etwa 20 Millionen Menschen beziehungsweise ein Drittel der Bevölkerung dahinraffte und das wirtschaftliche Gefüge in der Region jeweils lahm legte. Im Jahr 1707 stellten die Waldshuter gemäß dem Motto „Doppelt genäht hält besser“ zum Schutze der Bewohner der Stadt auf zwei ihrer drei städtischen Brunnen die Heiligen Rochus und Sebastian, die beiden europaweit beliebtesten Schutzpatrone gegen die Pest. Heute stehen die beiden Figuren zusammen mit der Heiligen Maria und dem Heiligen Nepomuk als Brückenfiguren vor dem Oberen Tor in Waldshut.

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Dennoch blieb die Angst vor Pest und anderen Seuchen ein Mitbewohner der Städte und Orte am Hochrhein. An den Stadttoren und Dorfeingängen wurden die Neuankömmlinge scharf kontrolliert. Vielfach wurde ein gesundheitliches Unbedenklichkeitszeugnis gefordert, beziehungsweise eine Bescheinigung, dass der Ort oder die Stadt, aus der der Fremde gerade kam, seuchenfrei, sprich „die Luft rein“ war.