Hier eine Maske, dort eine Getränkedose, einen Meter weiter eine leere Zigarettenschachtel, gleich daneben eine Plastikverpackung und dutzende Zigarettenstummel. Wenn Andreas Otte unterwegs ist, schaut er genau hin. „Und je länger man hinsieht, desto mehr Müll wird plötzlich sichtbar“, sagt der Tiengener bei einem spontanen Rundgang entlang des Tiengener Bahnhofs. Mit dem Sammeln von Müll hat Otte während des ersten Lockdowns 2020 begonnen. „Ich hatte mehr Zeit und war viel mit dem Rad unterwegs und da ist mir erst aufgefallen, wie viel Müll auch an den nicht so stark befahrenden Straßen einfach weggeworfen wird“, erinnert er sich.

Gefunden hat der ehemalige Apotheker dabei auch allerhand Kurioses wie Büstenhalter, Unterhosen, Waschmaschinen und Sexspielzeug. Immer dabei hat der Tiengener seine Bauchtasche, in der er Einmalhandschuhe griffbereit hat. Den Müll sammelt er in seiner Fahrradtasche. „Ich entsorge ihn dann meistens in öffentlichen Mülleimern. Wenn ich große Dinge wie Reifen oder Waschmaschine finde, dann melde ich mich beim Baubetriebshof, der die Sachen dann bei nächster Gelegenheit einsammelt.“

Zu wenige Mülleimer sind laut Andreas Otte am Tiengener Bahnhof ein Problem, so kommt es, dass viel Müll daneben geworfen wird.
Zu wenige Mülleimer sind laut Andreas Otte am Tiengener Bahnhof ein Problem, so kommt es, dass viel Müll daneben geworfen wird. | Bild: Andreas Otte

Weil Andreas Otte aber allein nicht gegen den Müll ankommt, hat er jetzt eine Müllsammel-Gruppe gegründet: die Tiengen-Cleaners. Vorbild sind die Klettgau-Cleaners, die Radovan Rábl 2019 ins Leben gerufen hat und mehrmals im Jahr Müllsammel-Aktionen organisiert. „Ich möchte mich den Klettgau-Cleaners anschließen, die ja auch in Tiengen schon aktiv waren, allerdings wäre es schön, wenn sich mir mehr Leute anschließen würden. Es würde schon reichen, wenn sich immer mal wieder Zweier-Teams finden, die für eine oder zwei Stunden Müll einsammeln, so wie jüngst die beiden engagierten Kadelburgerinnen. Die beiden Frauen haben allein auf dem kurzen Wegstück von Lauchringen über die Brytsche nach Kadelburg vier große Müllsäcke vom Straßenrand auf einer Strecke von nur einem Kilometer, gesammelt haben. Das ist erschreckend!“, sagt der Tiengener.

In einem Gebüsch am Mowagkreisel in Tiengen hat Andreas Otte diese Müll gefunden.
In einem Gebüsch am Mowagkreisel in Tiengen hat Andreas Otte diese Müll gefunden. | Bild: Andreas Otte

Ein Brennpunkt in Tiengen ist für Andreas Otte ganz klar der Bahnhof. „Hier herrscht ein Chaos, was die Reinigung betrifft. So sind beispielsweise die Deutsche Bahn und die Stadtreinigung involviert, allerdings ist nicht klar, wer bis wohin putzt. Hinzu kommt, dass, auch wenn gerade geputzt wurde, kurz darauf wieder überall Müll liegt.“ Auf die Frage, ob es für Otte nicht demotivierend ist, wenn seine Arbeit manchmal nicht mehr zu sehen ist, sagt er ganz klar: „Nein. Natürlich ist es ärgerlich, wenn Dinge achtlos herum geschmissen werden, aber nur frischer Müll lässt sich gut aufsammeln. Liegt der Müll zu lange, so zerfleddert er, zerbricht, verteilt sich weit, wird vom Mähauto geschreddert, wird von fallenden Blättern verdeckt, wächst regelrecht ein, kurz: Er ist nur noch sehr schwer oder überhaupt nicht mehr aufzusammeln“, erklärt Otte, der in diesem Jahr in Tiengen mit Hilfe der Kolpingfamilie, des Kirchenchors und des Sportvereins zwei Müllsammel-Aktionen organisiert hat (am 17. April und am 18. September). „Aber das ist eben zu wenig.“

Trotz Reinigung hat Andreas Otte diesen Müll innerhalb weniger Minuten am Bahnhof in Tiengen entdeckt, gesammelt und anschließend entsorgt.
Trotz Reinigung hat Andreas Otte diesen Müll innerhalb weniger Minuten am Bahnhof in Tiengen entdeckt, gesammelt und anschließend entsorgt. | Bild: Duygu-D'Souza, Susann

Mit den Tiengen-Cleaners soll sich das nun ändern. „Mein Ziel ist es, zunächst einmal gemeinsam zu klären, ob und wie man bereit ist, in Kommunikation zu bleiben; ob man einer Whats-App-Gruppe oder entsprechend Signal-Gruppe beitreten kann. Auf jeden Fall kann man sich so leicht auch im Vorfeld mit Terminen und Sammelgebieten absprechen. Denn das Bekanntmachen und dann Organisieren ad hoc, an einem Sammeltag, ohne Vorwissen, ist sehr aufwendig und bleibt doch bruchstückhaft. Auch wäre es wichtig, dass nicht alles an einer Person hängt, sondern, dass sich ein paar Leute besonders engagiert einbringen. Dann kann das Projekt Tiengen-Cleaners für ein sauberes Tiengen, für eine saubere Natur und Umgebung für die Zukunft gelingen. Dafür setze ich mich ein!“