Korrigierte Fassung Stand 1. Juni 2022, 16 Uhr

Eklatante Verstöße gegen geltende Vergaberichtlinien bei Großaufträgen, unübersichtliche Aktenführung und Arbeitsleistungen die teilweise mehrfach abgerechnet wurden: Zum zweiten Mal in Folge nach 2016 stellt die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) in ihrem Bericht zu den Bauausgaben für die Jahre 2017 bis 2020 dem Bauamt* der Stadt Waldshut-Tiengen ein verheerendes Zeugnis aus.

Doch es gibt auch eine Reihe positiver Nachrichten: Die wichtigen Leitungspositionen bei Baurechtsamt und Hochbauamt konnten endlich besetzt werden. Bei der Nachfolgersuche des Beigeordneten, in dessen Ressort der Sektor Bauangelegenheiten bei der Stadt fällt, kann sich die Stadt über ein beachtliches Bewerberfeld mit 20 Kandidaten freuen, wie Oberbürgermeister Philipp Frank im Gespräch mit unserer Zeitung erklärte.

Grundlegende Fehler und massive Verstöße

Doch der Reihe nach: Bereits vor fünf Jahren hatte die GPA der Stadt Waldshut-Tiengen gravierende Mängel bei den Kosten insbesondere von Bauprojekten im Bereich Hochbau ebenso bei strukturellen Abläufen bescheinigt. Hier hatte die Stadt Besserung gelobt. Umgesetzt worden sei von den angekündigten Maßnahmen allerdings nichts, monieren die Prüfer in ihrem Bericht.

Doch es kommt noch schlimmer: „Die GPA war schockiert von der mangelnden personellen Kontinuität und fehlenden Kompetenzen im Bauamt“, brachte Gerd Schönle vom Rechnungsprüfungsamt der Stadt es auf den Punkt. Wichtige Strukturen seien zum Zeitpunkt der Prüfungen vor einigen Jahren nicht vorhanden gewesen, es habe in vielen Bereichen keine vorschriftsmäßigen Abläufe gegeben.

Stichprobenartig analysierten die Prüfer fünf Großprojekte, darunter auch die Generalsanierung und Erweiterung der Stadthalle in Waldshut und den Neubau des Feuerwehrhauses mit Kita.

Die Liste der Beanstandungen ist lang: Belege konnten nicht mehr aufgefunden werden, es gab formale und kalkulatorische Fehler bei Ausschreibungen und Auftragsvergaben, Verstöße gegen rechtliche Vorgaben, samt Inkaufnahme unnötiger Mehrkosten, teilweise mehrfach bezahlte Rechnungsposten. Bei der Feuerwehr-Kita seien die Fehler so gravierend gewesen, dass sogar die gewährten Zuschüsse gefährdet wurden, heißt es in der Zusammenfassung des Berichts.

Die hohe Fluktuation in der Mitarbeiterschaft, personelle Engpässe bis in die Führungsetage der Ämter, verbunden mit einer konstanten Überlastung der Verbliebenen – all dies seien Faktoren, die für das desaströse Gesamtbild mitverantwortlich seien, das die GPA-Prüfer von der Waldshut-Tiengener Bauverwaltung gewonnen hätten, so Schönle in seiner Übersicht.

Gemeinderat: „Schockiert“ und „Entsetzt“, aber ungewohnt geschlossen

Der Gemeinderat reagierte mit großer Betroffenheit auf die angekreideten Fehler. „Ich bin erschrocken über die Vielzahl von fiktiven Rechnungen und formalen Fehler, trotz Einbeziehung namhafter Experten“, konstatierte Annette Klaas (FDP).

Als „Niederschlag mit Nachtreten“ bezeichnete Dieter Flügel (SPD) den Bericht. Die Mängel seien schon vom vorhergehenden Bericht bekannt gewesen, das daraus resultierende Pflichtenheft sei aber einfach „nicht ordentlich abgearbeitet worden“.

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„Mich erschrecken die vielen Rechtsverstöße“, sagte auch Claudia Linke (Grüne), die als wichtige Sofortmaßnahme die Besetzung der vakanten Stelle des bautechnischen Prüfers anmahnte.

„Der Bericht vor fünf Jahren war schon haarsträubend. Das hier setzt dem Ganzen noch die Krone auf“, analysierte Harald Würtenberger. Trotz gegensätzlicher Sichtweise in Details plädierte er wie die beiden CDU-Räte Philipp Studinger und Nathalie Rindt dafür, diesen neuerlichen „Schuss vor den Bug“ ernst zu nehmen und adäquat zu reagieren.

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Frauenpower an entscheidender Stelle

Große Hoffnung setzen Ratsgremium wie auch OB Frank in die Personalentscheidungen, die der Gemeinderat im nichtöffentlichen Sitzungsteil getroffen hatten: Hier konnten nämlich die vakanten Leitungsstellen im Baurechtsamt und beim Hochbauamt nach längerer Suche wieder besetzt werden.

Beides seien hoch qualifizierte Frauen, an die alle Beteiligten die große Hoffnung knüpften, das lädierte Schiff der Bauverwaltung wieder auf Kurs zu bringen. Und: „Im Grunde ist das jetzt ein guter Zeitpunkt, um einzusteigen und etwas aufzubauen.“

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Dies gelte gerade auch deswegen, weil keiner der jetzigen Mitarbeiter für die Beanstandungen verantwortlich sei – denn die meisten wurden erst in den vergangenen beiden Jahren eingestellt. Vielmehr handle es sich um ein gut aufgestelltes und lernwilliges Team, das verstanden habe, was nun tun sei, betont Philipp Frank.

Dennoch sei es wichtig, den neuen Amtsleiterinnen die nötige Zeit zur Einarbeitung, zur Formulierung eigener Vorstellungen und Ziele zu geben. Ebenso seien zwar einige Veränderungen in den Ämtern eingeleitet und auf einem guten Weg. Es werde allerdings eine gewisse Zeit brauchen, um alles ins Lot zu bringen.

Klare Vorstellungen von der Bauverwaltung der Zukunft

„Wir brauchen dringend mehr Fachlichkeit und Kompetenz an vorderster Front, damit sicher gestellt ist, das Gepflogenheiten beibehalten werden. Einen dritten Bericht dieser Art können wir uns nicht erlauben“, so fasst Frank die generellen Anforderungen an die Spitzen der Bauämter zusammen.

Das gelte eben auch für den künftigen Beigeordneten, in dessen Verantwortungsbereich dieses Ressort fällt. Dass die Stadt durchaus aus den Vollen schöpfen kann, schürt bei OB und Gemeinderat gleichermaßen Optimismus: „Wir haben 20 Bewerber. Fünf werden wir in die engere Auswahl nehmen“, schildert Frank.

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Als wichtige Maßgabe für die Zukunft gelte insbesondere, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Die Zahl der Projekte müsse reduziert werden – denn mit dem Aufgabenvolumen stiegen Druck und Fehleranfälligkeit, zugleich aber auch die Gefahr der Überforderung von Mitarbeitern und damit von Abgängen.

Zugleich müsse aber auch der Mitarbeiter-Förderung und dem Thema Fortbildungen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Hier seien bereits wichtige Grundsteine gelegt werden, so Frank.

„Ich bin mir sicher, dass die gestellten Herausforderungen lösbar sind“, betont der OB. Doch es brauche Zeit und Geduld. Dass der Gemeinderat seine Bereitschaft zur Kooperation deutlich zum Ausdruck bringt, dürfte in dieser Hinsicht als gutes Vorzeichen zu sehen sein.

* In einer früheren Version dieses Artikels hatten wir Hochbauamt, Tiefbauamt und Baurechtsamt unter dem Begriff „Bauverwaltung“ subsummiert. Dies hatte allerdings zur Verwechslung mit dem Bauverwaltungsamt geführt, das von den genannten Beanstandungen nicht betroffen war.