Sandra Kolb von Thomas Zoch

Urne statt Sarg und Wald statt Friedhof – der tiefgreifende Wandel in der Bestattungskultur ist auch in den Gemeinden Allensbach und Reichenau angekommen. Während auf der Reichenau erstmals ein Urnenfeld eingerichtet wird, das auch Beisetzungen unter einem Baum zulässt, ist die Nachfrage nach einer Ruhestätte im Bodanrück-Wald auf Allensbacher Gemarkung unvermindert hoch. Auch Geld spielt eine Rolle: Gräber sollen zunehmend wenig Arbeit und Mühen verursachen.

Die letzte Ruhestätte, mitten im Grünen, mit Blick auf den See und umgeben von Vogelgezwitscher: In der Waldruh St. Katharinen zwischen Dettingen und Langenrain können Interessenten auf einem neun Hektar großen Waldstück aus rund 600 Bäumen auswählen. Jeder Baum hat Platz für zwölf Urnengräber. Leiterin Adina Lauer erklärt: „Die Gräber können im Voraus gekauft werden. Es ist auch möglich, einen Familienbaum zu kaufen.“ Am auserwählten Baum wird nach der Beisetzung der Name des Verstorbenen angebracht. Die Gräber werden dann aber nicht weiter gepflegt. „Es gibt keine Kerzen, Figuren oder Blumengestecke“, sagt Lauer.

Im Einklang mit der Natur die letzte Ruhe zu finden – diese Vorstellung hat auch das Ehepaar Tilgner aus Allensbach überzeugt. Die beiden haben sich schon zu Lebzeiten zwei Plätze gekauft. „Wir sind sehr glücklich“, sagt Walter Tilgner. Der 82-Jährige ist mit dem Wald durch sein Hobby, dem digitalen Aufzeichnen von Naturgeräuschen, besonders verbunden. „Außerdem leben unsere Verwandte oben im Norden, da kann sich niemand um das Grab kümmern“, erklärt Heidrun Tilgner. Durch den Kauf des Platzes seien ihr nun viele Sorgen genommen. „Man weiß, wo man hinkommt“, sagt sie lachend.

Die Waldruh St. Katharinen wird offiziell von der Gemeinde Allensbach betrieben. Diese hat das Waldstück vom gräflichen Haus Bodman gepachtet, von dem die Initiative für den Waldfriedhof gekommen war. „Wir haben schon mehrere hundert Beisetzungen gehabt“, erklärt Adina Lauer. Die gelernte Försterin führt den Erfolg des Waldfriedhofs vor allem auf die beruhigende Wirkung des Waldes zurück und darauf, dass die Angehörigen keine Verpflichtungen in Form von Grabpflege haben. „Aber natürlich spielt auch der Faktor Geld eine Rolle. Unsere Gräber sind viel günstiger, da wir zum Beispiel keine Grabsteine haben,“ sagt Lauer. Die Interessenten kommen vor allem aus der Region, und die Nachfrage bricht nicht ab.

Die Gemeinde Reichenau muss sich dem Kulturwandel ebenfalls weiter anpassen, auch hier wollen immer mehr Menschen für sich oder ihre verstorbenen Angehörigen ein Urnengrab, wie Hauptamtsleiter Michael Lieske im Gemeinderat sagte. Deshalb wurden bereits in den Nuller-Jahren zwei Urnenwände auf dem Friedhof Mittelzell aufgestellt. Mittlerweile gebe es zunehmend den Wunsch nach Urnengräbern, die keinen Pflegeaufwand erfordern. Deshalb soll es nun zum in Mittelzell einen ein kleines Rasenurnenfeld. Außerdem will die Gemeinde die Möglichkeit schaffen, unter einigen Bäumen Urnen beigesetzt – und sie will neuartige Urnenstelen aufstellen. Dies hat der Gemeinderat auf Vorschlag der Verwaltung beschlossen.

Der Friedhofsfachberater Stefan Lubowitzki von einer Freiburger Firma, die ein Angebot unterbreitet hat, erklärte, wie das aussehen könnte: In einem Würfel einer Urnenstele könnten bis zu drei Urnen unterkommen. Wenn das Fach neu belegt werde, brauche es nur eine neue Granitplatte davor. Die Kosten für die Betroffenen wie die Gemeinde könnten so gesenkt werden, zumal die Stelen nach Bedarf erweitert werden könnten. Bei den Erdgräbern im Rasen und unter Bäumen komme nur eine Bronzeplatte oben drauf. Diese Flächen seien dann leichter zu pflegen.

Matthias Graf und Ralf Blum (beide CDU) meinten, sie seien schon öfter von Bürgern angesprochen worden, die ein Rasengrab mit Steinplatte wünschten. Lieske und Zoll erklärten, es gebe ja weiter Erdurnengräber, wo dies möglich sei. Sie betonten zudem, dass alle bisherigen Bestattungsformen erhalten bleiben. „Was wir brauchen, ist eine einfache Bestattungsform“, so der Bürgermeister. Er sagte aber zu, in einer weiteren Phase der Neuplanung den Vorschlag von Blum und Graf aufzugreifen bei einer weiteren Rasenfläche. Auch über die anderen Friedhöfe der Gemeinde müsse man noch reden.

Hauptsache pflegeleicht

Kein großes Erdgrab mit Blumen und Stein mehr: Seit Jahren stellen Gemeinden und Bestatter einen tiefgreifenden Wandel in den bevorzugten Begräbnisformen fest. Neben den Kosten spielt nach Aussage von Experten auch der Umstand eine Rolle, dass die Familien weit verstreut sind. Viele Menschen haben demnach den Wunsch, dass Hinterbliebene nicht viel Arbeit für die letzte Ruhestätte haben. (sak)