Es sind zwei Veteranen. Ein betagter grüner Traktor, der schon 1990 bei einem Konvoi dabei war, als Allensbach den Ausbau der B33 und mehr Schutz für Mensch und Natur forderte. Und Bruno Böhler, Sohn des letzten Bürgermeisters von Hegne vor der Eingemeindung, der auch 1990 bereits auf die Straße ging.

Die Zeitspanne zwischen zwei Demonstrationen misst man in Allensbach in Jahrzehnten. Die letzten beiden liegen 33 Jahre auseinander und hatten das gleiche Anliegen. Es möge doch endlich mal vorangehen mit dem Straßenbau.
Zwei Stunden später verlassen Bruno Böhler, die anderen Demonstranten und viele weitere Allensbacher und Hegner die Bodanrückhalle, die Traktoren tuckern von dannen, und die Stimmung ist nicht viel besser als zuvor. Die Planer des Freiburger Regierungspräsidiums hatten sich alle Mühe gegeben, die neuerlichen Verzögerungen zu erklären. Der schlechte Baugrund, die komplizierten Ausschreibungsverfahren, die Verlegung einer Gasleitung.
Fertigstellung erst 2034
Was aber hängen bleibt, sind ein paar Zahlen. Sieben Jahre länger als noch 2015 angenommen dauert der vierspurige Ausbau der wichtigsten Straße im Kreis Konstanz. 2029 wird hoffentlich der Röhrenberg-Tunnel bei Allensbach fertig. 2034, im vierten Quartal, könnte der Tunnel Hegne fertig werden. 20 Jahre in etwa wird der Straßenausbau dann gedauert haben. 400 Millionen Euro sollte das einst kosten, 175 Millionen davon sind schon weg. Wie hoch die Rechnung am Ende wird, kann niemand sagen.
Viele derer, die vor der Halle mit Transparenten und Plakaten waren, sind schon vor Beginn des Bürger-Info-Abends wenig hoffnungsfroh. Mittfünfziger sagen schon solche Sachen wie: „Ob ich das noch erlebe“. Isabel Nerz, die in Hegne in vorderster Front zur Straße wohnt, geht davon aus, dass sie noch lange Äpfel ernten wird, die schwarz sind von einer Schicht aus Dreck – aufgewirbelt in der Mondlandschaft von Baustelle, die sich zwischen dem Ort und dem Bodensee erstreckt.

So hat Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer keinen leichten Auftritt. Vor der Halle hatte sie schon das Gespräch mit Demonstrierenden gesucht. Auch in der Halle liegt etwas Wut in der Luft, und Bürgermeister Stefan Friedrich sieht sich veranlasst, seine Bürger daran zu erinnern, sie mögen anständig mit den Planern umgehen. Die haben tatsächlich einiges zu erklären. „Damit sind wir sehr unzufrieden“, sagt Friedrich, um Diplomatie bemüht, über den schleppenden Fortgang der Bauarbeiten.
Regierungspräsidentin stellt sich vor die Mitarbeiter
Bärbel Schäfer nimmt dann die Verkündung der schlechtesten Nachricht des Abends selbst auf sich und stellt sich so auch vor die Mitarbeiter, die sie zu dem Abend mitgebracht hat. Referatsleiter Karl Kleemann erklärt dann die große Tabelle. Bis Ende 2034 sind darin Kästchen ausgefüllt, von denen jedes für einen Teil des Bauprojekts steht. Und anschließend, ergänzt er, sind dann auch noch Umleitungsstecken wieder aufzulösen und weitere Arbeiten zu machen.

Immerhin: Es sei ein „belastbarer Zeitplan“, betont Kleemann, ein hochrangiger Mitarbeiter der Planungsbehörde. Und was ihm auch noch wichtig ist zu sagen: „Der Tunnel Hegne kommt, er ist technisch baubar“.
Ob er ihn aber auch heute noch einmal planen würde? Seine Chefin antwortet selbst. Der Tunnel sei das Beste für Mensch und Natur, eine nachhaltige Lösung. Deshalb sei er heute vielleicht noch richtiger als 2007, als das Baurecht für die Straße kam. Und: eine oberirdische Straße, wie immer wieder vorgeschlagen, sei auch nicht schneller zu bauen, weil man dafür eine neue Genehmigung bräuchte.

Unterdessen können sich die Allensbacher an Thementischen informieren, und viele nehmen das Angebot gerne wahr. Projektleiter Valentin Wind ist ein gefragter Gesprächspartner, seine Kollegin Yvonne Schmid ebenso. Über Pläne gebeugt, geht es um den Lärm- und Staubschutz während der Bauarbeiten, um die künftige Verbindung zwischen dem Allensbacher Kernort und dem Gewerbegebiet, um den Fahrweg der Busse während der langen weiteren Bauzeit und auch um die Radwege.

Auch wenn viele Gäste das Bemühen der Planer loben, die Dinge zu erklären, so verlassen doch viele die Halle enttäuscht. Unter ihnen ist auch Gemeinderat Ludwig Egenhofer, der zusammen mit anderen wenige Tage vor der Veranstaltung einen Offenen Brief nach Freiburg geschickt hat. Seine Forderung, eine konkrete Jahreszahl für die Fertigstellung des B33-Ausbaus zu nennen, wurde erfüllt. Ist er aber auch zufrieden? „Wie könnte ich?“, fragt er. Seine Zweifel daran, ob das neue Datum zu halten ist, sind kaum zu überhören.
„Sieben Jahre, das ist bitter“
Also nochmals Jahrzehnte bis zur nächsten Demo in Allensbach? Die Planer versprechen, ihr Bestes zu geben. Ihre Chefin wünscht sich einen „wertschätzenden und sachlichen Umgang“ aller, die mit dem Thema zu tun haben. Für „Polemik und Verschwörungstheorien“ gebe es weder Anlass, noch habe sie Verständnis dafür, aber ja, „sieben Jahre, das ist bitter“.

Nun also 2034. Die Allensbacherin Beate Wunsch-Hermann erinnert sich dran, als sie 1986 in die Region kam. Drei Jahre später ging nochmals ein Stück Schnellstraße in Betrieb. „Und seither geht das kaum voran“, sagt sie, „das wird doch mit jedem Tag teurer, das sind auch meine Steuergelder. Ich glaube es erst, wenn ich auf der neuen Straße dann auch selbst fahren kann.“ Mit Humor statt mit Fatalismus versucht es unterdessen Hans Martin. Er hat einen Sandkasten-Spielzeugbagger unter den Arm geklemmt. „Hilfe naht“, hat er auf sein Transparent geschrieben, und bietet einen „Mietbagger“ an. Doch zum Lachen ist auch ihm nicht wirklich zumute.