Die Allensbacher Flüchtlingsbeauftragte Petra Tiefenthaler, die diese Aufgabe demnächst abgibt, zieht nach knapp vier Jahren eine überwiegend positive Bilanz: Die Integration von Menschen, die hier eine neue Heimat finden sollen, funktioniere oft recht gut. „Wir haben in Allensbach wenig Probleme“, so Tiefenthalers Erfahrung, zumindest mit Zwischenfällen, wo die Polizei einschreiten müsse.
So sei es zum Beispiel selten vorgekommen, dass es Beschwerden wegen Lärm nach 22 Uhr gegeben habe. Wobei die Menschen aus anderen Kulturkreisen das dann in der Regel einfach anders kennen und einsichtig seien.
Ein Polizist habe ihr mal gesagt, es falle eigentlich gar nicht auf, dass Flüchtlinge in der Gemeinde leben. 116 seien es aktuell in der so genannten Anschlussunterbringung, so Petra Tiefenthaler, überwiegend aus Syrien und Afghanistan, aber auch zunehmend auch aus afrikanischen Ländern wie Somalia, Eritrea oder Nigeria.
„Die integrieren sich toll“
Viele dieser Menschen würden sich gern integrieren wollen, seien dankbar und höflich. Es mache Freude zu sehen, wenn das gut gelingt. Als Beispiele nennt Tiefenthaler eine afghanische Großfamilie mit drei Generationen, für die die Gemeinde ein Haus in Hegne habe mieten können. „Die integrieren sich toll“, meint Petra Tiefenthaler. Der Vater habe Arbeit, die Kinder spielen mit deutschen Kindern.
Ebenso positiv sei die Entwicklung bei einer weiteren afghanischen Familie mit sechs Angehörigen, für die die Gemeinde ein Haus in der Höhrenbergstraße gemietet habe. Und in derselben Straße gebe es noch eine syrische Familie, für die die Gemeinde zunächst eine Wohnung gemietet hatte, die nun aber selbst einen Mietvertrag mit dem Eigentümer habe. Und diese Leute kämen gut klar mit ihrem Vermieter, sprechen perfekt Deutsch.
Eigener Mietvertrag ist hilfreich
Ein eigenes Mietverhältnis helfe den Leuten, heimisch zu werden. Die Anschlussunterbringung der anerkannten Flüchtlinge, um die sich die Kommunen kümmern müssen, sei ja nur eine Übergangslösung, erklärt die Allensbacher Flüchtlingsbeauftragte.
Die Leute sollten dann die Sprache lernen, sich um Arbeit und eine richtige Wohnung bemühen. „Die Integration gelingt auch besser, wenn die Leute dezentral untergebracht sind“, so Tiefenthalers Erfahrung. Und das sei in Allensbach überwiegend der Fall – mit Ausnahme der vor ein paar Jahren extra im Gewerbegebiet gebauten Unterkunft
Leidiges Thema Mülltrennung
„Aber es gibt auch Leute, die einen viel Kraft kosten“, erzählt Petra Tiefenthaler. „Die einem nicht so höflich gegenüber treten.“ Als Beispiel nennt sie das leidige Thema Mülltrennung, was manche auch nach Jahren einfach nicht kapieren würden, obwohl man an die Mülltonnen Infoblätter in arabischer Sprache gehängt habe.
„Ich glaube, das ist ein Thema, mit dem alle Gemeinden kämpfen“, so Tiefenthaler. Wobei ihre Nachfolgerin Anne Gehrmann schmunzelnd anmerkt: „Das ist ja schon sehr spezifisch in Deutschland.“
Platz im Gewerbegebiet wird knapp
Petra Tiefenthaler nennt als weitere Schwierigkeit die Belegung der Unterkunft im Gewerbegebiet. Dort seien bisher vor allem Familien gewesen, nun aber mehr und mehr Einzelpersonen. Da müssten dann halt auch mal zwei in einem Zimmer wohnen, das sich zuvor mehrere Kinder geteilt hätten, aber: „Jeder hätte natürlich gern ein eigenes Ein-Zimmer-Appartement.“ Nur müsse die Gemeinde natürlich schauen, dass sie möglichst viele Leute unterbringt.

Der Sollwert sei aktuell 136 Personen, es fehlten also ohnehin schon 20 Wohnplätze. Ein Problem, das auch andere Kommunen im Landkreis haben – wie etwa Reichenau. Diese bezahlen daher eine so genannte Fehlbelegungsabgabe an den Kreis, der dafür Flüchtlinge länger in seinen Gemeinschaftsunterkünften wohnen lässt.
Seit 1. Oktober 2017 im Amt
Petra Tiefenthaler hatte am 1. Oktober 2017 die damals von der Gemeinde neu geschaffene Halbtagsstelle der Flüchtlingsbeauftragten angetreten. Sie ist Ansprechpartnerin Flüchtlinge, aber auch für Bürger, die ein Anliegen haben oder etwas anbieten möchten wie Wohnungen oder Möbel und Kleidung.
„Es ist sehr vielseitig, das macht Spaß“, sagt sie rückblickend. Oft gehe es darum, Reparaturarbeiten in Auftrag zu geben, wenn in einer Wohnung etwas wie die Dusche oder der Backofen nicht mehr funktioniere. Oder wenn eine Familie eine größere Wohnung brauche, zu schauen, ob die Gemeinde etwas bieten oder mieten könne.
Werte und Gepflogenheiten vermitteln
Neben der Mülltrennung sei auch die Kehrwoche rund ums Haus ein Thema: die Bewohner müssten sich im Wechsel darum kümmern, Müll wie Zigarettenkippen oder Papiertaschentücher aufzusammeln und zu entsorgen.
Es sei wichtig, dass die Flüchtlinge die hiesigen Werte und Gepflogenheiten akzeptieren und annehmen, damit sie sie Akzeptanz der Einheimischen bekämen, meint Tiefenthaler. In ihrem Job gehe es aber auch darum, Listen für das Landratsamt und für Versicherungen zu erstellen, wer wo wohne. Und dies alles im steten Austausch mit der Integrationsmanagerin der Caritas.
Anlaufstelle für Flüchtlinge und Bürger
„Ich bin froh, dass ich diese Erfahrungen machen konnte“, sagt Petra Tiefenthaler einerseits. Aber: „Die Tätigkeit kostet schon viel Kraft“, erklärt sie mit Blick auf die Problemfälle. Und sie sei jetzt 60 Jahre alt. „Ich möchte meine Energie nun in andere Dinge investieren“, begründet sie ihren Abschied.
Mit Anne Gehrmann sei eine nette und kompetente Nachfolgerin gefunden worden. Bis Ende Juli arbeite sie diese noch ein – übrigens seit kurzem im neuen Büro im Gebäude am Rathausplatz 7, wo früher ein Frisörsalon war. Dort sei nun die Anlaufstelle für Flüchtlinge, deren Betreuer und Bürger, die zu diesem Themenbereich ein Anliegen haben.
Auslandseinsatz und Studium
Anne Gehrmann ist 30 Jahre alt. Sie sei gebürtige Allensbacherin, wohne aktuell aber nicht im Ort. Mit Flüchtlingen habe sie bereits im Rahmen ihres Freiwilligen Sozialen Jahres für das Rote Kreuz in Kolumbien gearbeitet.
Danach habe sie den Masterstudiengang Friedensforschung und internationale Politik an der Universität Tübingen absolviert. Und bei diesem Studium habe sie sich auf Integrationspolitik spezialisiert, so die künftige Allensbacher Flüchtlingsbeauftragte.