Nicht in heimischen Gefilden, sondern im Konstanzer Stadttheater sollen die Landtagskandidaten des Wahlkreises Singen – Stockach Farbe bekennen. Corona bestimmt den Standort wegen der besten Voraussetzung für die Umsetzung des Hygiene-Konzeptes und die muntere Diskussion. Die entfachen die Moderatoren Stephan Freißmann und Isabelle Arndt in der SÜDKURIER-Arena in einer aufgezeichneten virtuellen Veranstaltung. Der Leiter der Singener Lokalredaktion und die Kollegin fühlen den Kandidaten mit pointierten und pfiffigen Fragen auf den Zahn unter dem Motto „Sind wir noch ein Musterländle und welche Politiker braucht das Land“.
Tobias Herrmann: „Die Menschen fühlen sich alleingelassen“
Die Corona-Folgen auf vielfältigen sozialen Bereichen und die Wirtschaft sorgen für emotionalen Zündstoff. Herbe Kritik üben die Kandidaten beim Thema Impfen. Die Steilvorlage liefert Grüne-Kandidatin und Landtagsabgeordnete Dorothea Wehinger. Sie verteidigt das Vorgehen der Landesregierung, einen Teil des Impfstoffes zurückzuhalten, bis Aussicht auf Nachschub kommt. „Diese Strategie ist falsch und die Terminvergabe katastrophal“, verschafft sich SPD-Kandidat Hans-Peter Storz Luft. Die älteren Leute wählen sich die Finger wund. Sie sind verzweifelt und enttäuscht“, wettert Storz. „Die Menschen werden alleingelassen. Kommunen agieren schneller, wie über engagierte Bürgervereine“, pflichtet CDU-Kandidat Tobias Herrmann bei.
„Wir haben aus den Fehlern gelernt und nachgebessert“, räumt Dorothe Wehinger ein. Markus Bumiller (FDP) will nicht verstehen, warum Impfstoffe zurückgehalten werden. „Wir sollten der Wirtschaft vertrauen, welche die Impfstoffe herstellt. Wenn es klare Signale für Nachlieferungen gibt, können auch Zweitimpfungen mit dem vorhandenen Stoff zeitnah erfolgen“, erklärt Bumiller. „Da wurde an irgendeiner Stelle in Berlin oder Brüssel geschlafen. Einfach mehr bestellen, wie andere Länder, und das Problem ist gelöst“, sagt AfD-Kandidat Bernhard Eisenhut.
Emotionen kochen auch beim Thema Bildung hoch
Auch die Corona-Auswirkungen auf die Bildung und Kindererziehung lassen Emotionen hochkochen. „Die Gesundheit steht bei der Schließung von Kindergärten und Schule an oberster Stelle. Die Erfahrungen haben aber gezeigt, dass es einen Plan B braucht. Bei der Betreuung – möglich durch Schulsozialhilfe – und der digitalen Vernetzung ist einiges nachzuholen, wenn es auch schon Verbesserungen gibt“, sagt Tobias Herrmann, der als Gymnasium-Pädagoge tätig ist.

Auch Hans-Peter Storz hat als Religionslehrer beste Einblicke in das durch Corona stark belastete Geschehen. „Die Schließung der Schulen war aus gesundheitlichen Gründen richtig. Es müssen aber die digitalen Voraussetzungen geschaffen werden. Gut ein Viertel der Schüler arbeitet noch mit Handys. Das darf nicht sein“, kritisiert Storz.
„Es war richtig, die Notbremse zu ziehen. Auch in den Kindergärten“, streicht Dorothea Wehinger heraus. Als ehemalige Leiterin eines Kindergartens mit aktuellen Einblicken in solche Stätten, stellt sie fest: „Nicht nur die Eltern sind stark belastet, auch die Erzieherinnen, wie bei der aufwendigen Umsetzung der Hygiene- und Abstandskonzepte. Bei den Schulen hätte sich das Kultusministerium mit Konzepten besser auf die zweite Welle vorbereiten sollen“, so Dorothea Wehinger. „Das Geld war da, aber die digitale Infrastruktur wurde nicht rechtzeitig ausgebaut“, moniert Tobias Hermann. „Da hat das Kultusministerium geschlafen“, bestätigt Dorothea Wehinger. „Da war Herr Kretschmann als Chef des Hoheitsbereichs Bildung mitbeteiligt“, entgegnet Hans-Peter Storz.
Schüler in vollen Zügen und Bussen
„Die Nutzung von leerstehenden Hallen und Säle könnten den Schulbetrieb entzerren“, schlägt Markus Bumiller vor. Ein weit größeres Problem bei der Erfüllung der Corona-Verordnung seien die vollen Züge und Busse, in denen die Schüler oft steckten. „Es gibt klare Verträge, die erfüllt werden müssen, damit genügend Zugwaggons und Busse im Einsatz sind. Das muss bei Vergehen nachdrücklich eingefordert werden“, so Bumiller.

Beim Thema Flächenverbrauch und Wohnraum plädiert Hans-Peter Storz für die Gründung einer Landeswohnbaugesellschaft und eine Mietpreisbremse. Tobias Hermann fordert, dass Kommunen bezahlbaren Wohnraum schaffen. Gerade jungen Menschen und Familien müssten erschwingliches Bauland zur Verfügung gestellt werden, so Markus Bumiller. Einen zu große Flächenverbrauch für das Bauen beklagt Dorothea Wehinger. Bestehende Areale sollten besser genutzt werden, wie durch neue Wohnformen. Sie spricht sich auch für einen Mietdeckel aus. Ein neues Baurecht könnte für Bernhard Eisenhut das Problem von teurem Wohnraum lösen. „Die Geschäfte wieder öffnen“, beantwortet er die Frage: „Wie kann die Landespolitik die Wirtschaft schnell in Schwung bringen?“ Einig war sich das Podium darüber, dass der Internethandel besteuert werden müsse, um den Wettbewerbsnachteil regionaler Geschäfte abzumildern.
Storz fordert mehr Geld für öffentlichen Verkehr
Beim Thema, wie der Verkehr künftig aufgestellt werden soll, verlangt Hans-Peter Storz, dass das Land mehr Geld in Schiene und Busse investiert als in die Straßen. „Es gibt schon ein Umdenken, die Investitionsverhältnisse haben sich grundlegend verändert. Wir geben auch viel Geld dafür im Vorfeld aus, damit stillgelegte Bahnen wieder reaktiviert werden können“, so Dorothea Wehinger. „Der Schwarze Peter wird oft vom Land an die Kommunen zugeschoben. Förderungen sind nur halbherzig“, hält Hans-Peter Storz dagegen. Markus Bumiller bestärkt diese Meinung. Für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen öffentlichem und individuellem Verkehr wirbt Tobias Herrmann.
„Der Schienenverkehr, wie nach Stuttgart, muss modernisiert werden“, betont Bernhard Eisenhut. Mit dieser Forderung steht er nicht allein. Ganz im Gegensatz zu seiner These über Massen von Flüchtlingen ohne Bleibe-Anspruch. Die anderen Kandidaten bremsen Eisenhut wirkungsvoll aus. Die Diskussion bleibt bis zum Schluss munter, teils emotional und kontrovers, aber fair.
SÜDKURIER-Wahlarena
- Digitales Podium: Da öffentliche Podiumsdiskussionen im Verbreitungsgebiet aus Corona-Gründen nicht möglich sind, bietet der SÜDKURIER seinen Lesern zur Meinungsbildung ein digitales Format an. Die Wahlarena-Angebote zur Landtagswahl wurden zentral produziert, im Stadttheater Konstanz.
- Eingeladene Gäste: Der SÜDKURIER hat keine Partei gezielt ausgeschlossen, sondern positiv den Kreis der Teilnehmer auf die im Landtag vertretenen Parteien festgelegt. Dies dient dem Infektionsschutz und zur Einhaltung der Mindestabstände auf der Bühne und folgt einem vollkommen üblichen Kriterium, das den Willen des Souveräns widerspiegelt.
- Informiert per App: Alle Informationen rund um die Landtagswahl gibt es am schnellsten in der News-App des SÜDKURIER. Auch die Wahlergebnisse sind am 14. März dort sofort für Ihren Heimatort verfügbar. Mit einer Push-Nachricht erhalten Sie das Resultat sogar direkt auf Ihren Startbildschirm.
Hier können Sie die News-App für Android und iOS kostenlos herunterladen:
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Alle Videos über die SK-Diskussionen mit den Landtagskandidaten in der Region gibt es unter
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