„Wir müssen reden!“ – was für ein Motto in Zeiten, in denen die Corona-Pandemie Abstand erfordert und die gesprochenen Worte sich im Mundschutz verlieren. Mit kräftiger Stimme forderte die 80-jährige Maria Elfriede Lenzen in ihrer Ansprache in der Engener Stadtkirche jedoch genau dies: „Wir müssen reden, damit sich niemand von seinem Partner abwenden muss.“
Angehörige sollten Biographie festhalten
Die Trägerin des Bundesverdienstkreuzes betonte einen wichtigen Grund zum Reden: Menschen mit Demenz sollen die bestmögliche Lebensqualität erhalten. Auch erklärte sie, was ein wichtiger Gesprächsinhalt sein könnte: „Wir müssen über die Biographie reden.“
Angehörigen empfiehlt Lenzen, die Biographie des Betroffenen festzuhalten. Wichtige Daten, Erlebnisse und Erinnerungen würden sich lohnen, festgehalten zu werden. Denn Betroffene hätten immer wieder lichte Momente, in denen sie sich an den Daten aus ihrer Biographie festhalten können. „Bevor die nächste Demenz-Welle alles wieder fortspült“, wie Lenzen fortfuhr.
Allein in einer traurigen Situation
Wohl mancher Besucher des unter Corona-Bedingungen vollbesetzten Gottesdienstes in der Stadtkirche musste schlucken, als Lenzen auf Folgen der Pandemie-Maßnahmen einging: „Wir müssen reden, damit Menschen mit Demenz nicht weggesperrt werden. Ein Partner zuhause, einer im Heim. Das macht mir mehr Angst, als an Corona zu erkranken.“
Menschen mit Demenz seien allein in einer traurigen Situation – denn sie könnten schließlich nicht mehr telefonieren, so Lenzen. Die Engener Alzheimer-Beauftragte ging auch auf ein Thema ein, das ihr besonders am Herzen liegt: Die Kinderdemenz. Die Hirnabbauerkrankung NCL werde von vielen Ärzten nicht erkannt und die Familien würden sich durch falsche Diagnosen hindurchkämpfen müssen.
Hilft Gott während einer Demenz?
Nicht nur das Gespräch zwischen Menschen mit und ohne Demenz stand im Zentrum des Gottesdienstes. Pater Jose Emprayil hob noch eine tiefere Dimension hervor: Das Vertrauen auf Gott, der auch während einer Demenz hilft. Im Gebet sprach der Pater zu Gott und gedachte Demenz-Kranken, Pflegenden, Angehörigen und Ehrenamtlichen. Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg aus der Schriftlesung passte – jeder von ihnen bekam den gleichen Lohn, unabhängig von dem, was er geleistet hatte.
Eine Zusage für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen. „Demenz – wir müssen reden“: So lautete das Motto zum diesjährigen Weltalzheimertag, das die Deutsche Alzheimer Gesellschaft festgelegt hatte. Rund um den Weltalzheimertag fanden Aktionen zum Thema statt. Eine war dieser Gottesdienst zum Weltalzheimertag.
Konferenz das Aktionsbündnisses Demenz
Der SÜDKURIER hatte auch von einer öffentlichen Videokonferenz mit Dr. Stefan Bushuven unter dem gleichen Motto berichtet. Stefan Bushuven ist Chefarzt des Instituts für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Klinikverbund des Landkreises Konstanz. An der Videokonferenz nahm unter anderem auch Pflegewirtin Gabi Glocker aus dem Seniorenbüro teil. Sie war Sprecherin für mehrere Teilnehmer in den Räumen des Seniorenrates.

Für das Aktionsbündnis Demenz aus Singen fasst sie zusammen: „Das Aktionsbündnis Demenz Singen/Hegau hat mit ihrer Videokonferenz sicher nicht so viele Menschen erreichen können, wie in normalen Zeiten. Aber wir haben miteinander geredet. Ein bisschen anders als sonst – digital eben – und es ist uns gelungen. Demente Menschen reden auch oft ein bisschen ‚anders‘, und wenn wir uns darauf einlassen, gelingt es uns auch hier, mit ihnen zu kommunizieren – trotz Mundschutz. Vergessen wir nicht: Ein Lächeln erkennt man an den Augen.“