Das Aufatmen im Gastgewerbe ist groß: Cafés, Restaurants und Hotels dürfen ihre Gäste wieder begrüßen. Doch die Öffnung mit ihren Restriktionen birgt auch ein kalkulatorisches Wagnis, das nun viel Professionalität erfordert.
„Das Herz des Hirschen fängt wieder an zu schlagen“, freut sich der Horner Gastronom Sebastian Amann über den Start in die Pfingstsaison. Es sei wirklich höchste Zeit gewesen, so Amann: Nicht nur für das Geschäft, sondern auch für die eigene Seele. Der Gastronom zeigt sich emotional, als er über den ersten Tag der Öffnung spricht: Es sei ihm kalt den Rücken herunter gelaufen, als er die ersten Gäste im Biergarten begrüßen durfte. Alle seien begeistert gewesen und hätten ein ansteckendes Lächeln auf dem Gesicht gehabt.

Am Tag der Öffnung zeigten sich vor allem Gäste, die das Außerhaus-Geschäft genutzt hatten und für die Wirte in der schwierigen Zeit da gewesen waren. Nun läuft der Betrieb auf Hochtouren unter den Bedingungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Das Hotel ist voll belegt. Das dazugehörige Restaurant im Stammhaus ist zu 60 Prozent der Kapazitäten freigegeben und erfreut sich großen Andrangs.
Bei schönem Wetter fasst der Biergarten mit den aktuellen Corona-Maßnahmen bis zu 300 Personen. Im Hotel gehen aktuell bis zu 80 Menüs an die Tische der Gäste. Das Geheimnis des gelungenen Starts liegt wohl auch im guten Verhältnis zum treuen Personal wie zu den Lieferanten, die bei Andrang den Betrieb auch an einem Pfingstmontag beliefern.
Wiedersehensfreude auf beiden Seiten
„Es war ein wunderbar guter Anfang“, urteilt Johannes Wuhrer aus Schienen über den Start in die gastronomische Saison. Und es hätte kein größeres Geschenk geben können als das, nach diesem langen Lockdown in gewohnter Weise wieder arbeiten zu dürfen. Der Gastgeber des idyllisch gelegenen Restaurants Falconera hatte seine liebgewonnenen Gäste sichtlich vermisst.

In einem Eintrag in den sozialen Medien richtete er am Dienstag ein großes Dankeschön an alle Gäste, die ihn in der ersten Woche nach dem Lockdown besucht hatten. Diese Woche sei voller Wiedersehensfreude gewesen. Und für alle sehr aufregend, bekennt Wuhrer. Er bedankte sich auch bei seinem gastronomischen Team, das trotz des Regelwerks den Überblick behalten habe.
Die Auflagen zum Saisonstart erachtet Johannes Wuhrer als sinnvoll: „Wir brauchen Sicherheit und tragen die Verantwortung auch für Angestellte.“ Die Sperrstunde könne er gut mittragen, so der Gastgeber. Und trotz des sehr langen Lockdowns habe er die Maßnahmen als Pflicht für den Schutz älterer Menschen anerkennen können.
Wenn der Druck sich löst
Wuhrer zeigt sich im Gespräch über den Saisonstart sehr berührt. Als die ersten Gäste wiedergekommen seien, habe sich bei ihm ein emotionales Ventil geöffnet, das den gesamten Schmerz der vergangenen Monate habe spürbar werden lassen, bekennt der Gastronom. Der Druck war weg – mit dem Gedanken: „Jetzt geht‘s los.“ Wuhrer verzichtete auf die Möglichkeit eines verkleinerten Speiseangebots und bot das volle Programm einer Küche mit tagesfrisch zubereiteten Speisen.
Corinna Blondzik-Burgo und Franziska Ehret eröffneten zu Pfingsten mit einem neuen Konzept das Tagescafé s‘Plätzle 2.0 mit Frühstücksangebot und Seeterrasse samt Anlegestelle in Hemmenhofen. Das nervenstarke Duo wollte eigentlich den Pfingstsonntag als Probelauf für das neue Tagescafé nutzen und kündigte dessen Öffnung einem kleinen Personenkreis an, ehe sie am Montag offiziell starten wollten. Doch das schöne Wetter trieb auch zahlreiche Touristen auf die Seeterrasse.
Während die Gastronominnen von ihrem Start mit dem neuen Konzept erzählen, lachen beide immer wieder über die Erfahrungen am ersten Tag. Sie seien einfach ins kalte Wasser gestoßen worden. Und wollte der Service die Abläufe erklärt bekommen haben, so mussten die Gastronominnen bekennen, dass es bei Neueröffnungen noch keine Erfahrungswerte über die Abläufe gebe. Im Improvisieren zeigten sich jedoch die Gastronominnen sehr geschickt.

Die Gäste seien überglücklich gewesen, dass sie das neue Plätzle begutachten durften, sagt Blondzik-Burgo erfreut. Die Eröffnung sei sehr erfreulich gelaufen. Ebenso die Kalkulation mit den unbekannten Variablen an Gästeaufkommen, Personalbedarf und Wareneinkauf. Das Geheimnis liege auch hier in der eigenen Herstellung des Angebots mit frischen Waren, die täglich auf der Höri eingekauft werden können. Denn bei wetterbedingt schwankendem Gästeaufkommen begrenzt die tägliche Kalkulation einer tagesfrischen Küche den Überschuss.
Gastronomie und ihr gesellschaftlicher Aspekt
Der Landgasthof Zum Sternen liegt am Fuße des Schienerbergs in Bankholzen. Brigitte Bohner-Seibold führt es in vierter Generation. Nach einem Winter würden die Gäste der Höri zuerst an den See wollen, ehe sie das Hinterland für sich wieder neu entdecken, so die Erfahrung von Brigitte Bohler-Seibold. Dabei sei ihre Lage kein Nachteil. Denn die Gastronomie begreift sie als eine Art „Handarbeit der Frische“, die hinfällig wäre, wenn man von Gästen überrannt werden würde.

Ihr Hotel ist zu 60 Prozent ausgebucht. Und die Gastronomie am Abend sei über die Pfingstsaison gut angelaufen. Manche Stammgäste hätten die Frequenz ihres Besuchs verdoppelt. Die Menschen hätten einen Nachholbedarf. Es gehe einerseits um den Genuss, in einem Restaurant zu sitzen. Aber auch um das Sehen und das Gesehen-Werden. Somit habe die Öffnung der Gastronomie auch einen gesellschaftlichen Aspekt.
Brigitte Bohner-Seibold zeigt sich in der Planung und im Management bedacht. Ihr ist bewusst, dass die Lockerungen in der Gastronomie abhängig von der Höhe der Fallzahlen sind. Von Anfang an habe sie den Betrieb langsam gestartet und die Restauration auf den Abend beschränkt.
Wer der Gastronomin genau zuhört, lernt die Raffinesse des Berufstands kennen: Es sei wichtig, dass das Restaurant voll ist, erläutert sie das Management im Hinterland. Und dass die Menschen zufrieden sind und die Ware nicht verdirbt, wenn es wieder anders laufen sollte. All das müsse man bei der Wiedereröffnung gleichzeitig im Blick haben.