Das Hegau-Jugendwerk muss derzeit gleich mehrere Belastungen hinnehmen, auch finanzielle. Und doch wagt die Einrichtung, die vor allem Kinder und Jugendliche mit teils schweren körperlichen und geistigen Schäden umfassend therapiert, einen wichtigen Schritt nach vorne. Bis zum ersten Quartal 2024 soll der Neubau eines Eltern-Kind-Hauses stehen. Die kalkulierte Kosten betragen acht Millionen Euro. Dazu gibt es nun schon einen Personalwechsel im Vorsitz des Aufsichtsrates.

Claus Moldenhauer agiert als Chef des Gremiums und des Trägervereins. Er war zuvor Vize. Er folgt dem kürzlich verabschiedeten Roland Sing. Moldenhauser Stellvertreter wird nun Rüdiger Hermann. Beide weisen eine beeindruckende berufliche Laufbahn im Gesundheitswesen auf, wie bei der Deutsche Angestellten Krankenkasse und der Deutschen Rentenversicherung. Und sie wollen auch für die offensive Ausrichtung des Hegau-Jugendwerkes stehen.

Das Hegau-Jugendwerk hat ein umfassendes Angebot an Therapien und Betreuung von jungen Patienten.
Das Hegau-Jugendwerk hat ein umfassendes Angebot an Therapien und Betreuung von jungen Patienten. | Bild: Arndt, Isabelle

„Hier leisten etwa 400 Beschäftigte eine außergewöhnliche Pflege, Behandlung und Betreuung mit einem umfassenden Therapieangebot“, erklärt Claus Moldenhauer. Der Volkertshauser hat sich in seinem Wohnort für die Vereine maßgeblich engagiert. Den weithin geschätzten Kunstverein hat er ins Leben gerufen und lange Zeit auch geleitet. Der vom Aufsichtsrat und Trägerverein Ende Juni 2022 beschlossene Neubau des Eltern-Kind-Hauses könne gut finanziell bewältigt werden. Aus einem guten Polster an Eigenmitteln und laufenden Einnahmen, zeigt Moldenhauer auf.

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Für Rüdiger Herrmann ist die für ihn einzigartige Reha-Einrichtung mit dem besonderen Therapieangebot samt „fürsorglicher, mit viel Herzblut ausgeführten Betreuung“ Motivation, sich für das Hegau-Jugendwerk einzubringen. „Zum Gesundheitswesen hatte ich schon notgedrungen schnell Bezug, als die Kinderlähmung meinen Vater im eigenen Kindesalter in den Rollstuhl fesselte, ein halbes Jahr, bevor es die Schluckimpfung gab. Das hat mich sehr geprägt und meine Kindheit schlagartig verändert“, so Herrmann.

Das sagt der Geschäftsführer des Gesundheitsverbundes

Der Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz hält 51 Prozent der Anteile am Hegau-Jugendwerk. „Die Einrichtung gehört zu den erfolgreichen des Verbundes und rundet das medizinische Angebot bestens ab“, erklärt Bernd Sieber, Geschäftsführer des Verbundes. Neben dem Klinikbetrieb mit Geburtenstationen nennt Sieber auch das Pflegeheim in Engen und das dort ansässige Medizinische Versorgungszentrum.

Der gesamte Landkreis Konstanz stehe mit großer Geschlossenheit zum Hegau-Jugendwerk. Das neue Eltern-Kind-Haus stärke die Einrichtung weiter. Das Hegau-Jugendwerk therapiert und betreut die Patienten nicht nur durch vielfältige Behandlungsformen, sondern bietet auch eine eigene staatlich anerkannte Schule mit gut 50 Pädagogen, sondern auch eine professionelle Vorbereitung in das Berufsleben.

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„Seit mehreren Jahren verzeichnet die Kinder- Und Jugendreha und insbesondere in unserem Haus eine zunehmende Nachfrage und einen steigenden Bedarf nach Behandlungsplätzen mit Begleitpersonen. Oft zusätzlich noch mit Geschwisterkindern der Patienten“, begründet Barbara Martetschläger, kaufmännische Direktorin des Hegau-Jugendwerks, die Notwendigkeit des Neubaus. Deshalb sei diese Investition eminent wichtig.

Weshalb der Neubau wichtig ist

Trotz schwieriger Entwicklungen, wie zunehmender Fachkräftemangel, der sprunghafte Anstieg der Energiekosten, die Ungewissheit über finanzielle Hilfen, der Wegfall der finanziellen Corona-Unterstützung und Schwankungen bei den Belegungen. Der Neubau verhindere auch, dass bestehende Einrichtungen modernisiert und erweitert werden müssten, was wegen des Baulärms zu Lasten der Qualität der Behandlung und Betreuung der Patienten gegangen wäre.

„Wenn wir bei Anfragen keine kurz- oder mittelfristige Zusagen erteilen können, wandern die Patienten in andere Kliniken ab. Das führt auch zu einem wirtschaftlichem Risiko“, so die Direktorin. Dazu trage auch die gesetzlich verordnete Abrechnung der Kassen über Fallpauschalen bei. Das passe nicht auf das spezielle und umfangreiche Angebot von Reha-Kliniken, wie das des Hegau-Jugendwerks. Die Bedingungen sorgten auch dafür, dass die Beschäftigten eine zu geringe Vergütung erhalten und die Gefahr von Abwanderung in die finanziell lukrativere benachbarte Schweiz wachse.

Mit herzlichen Dankesworten verabschiedete Barbara Martetschläger im Hegau-Jugendwerk, Jörg Rinninsland in den Ruhestand. Rinninsland ...
Mit herzlichen Dankesworten verabschiedete Barbara Martetschläger im Hegau-Jugendwerk, Jörg Rinninsland in den Ruhestand. Rinninsland hatte sich auch als Galerist einen Namen gemacht. Er zeigt seine eigenen Werken im Rahmen der Jungen Galerie. | Bild: Andrea Jagode

Dass nun wegen Überlastung der Intensivstationen von allgemeinen Kliniken, viele schwere Patienten-Fälle auch in das Hegau-Jugendwerk verlagert werden, mache die Lage noch bedrohlicher. „Diese Entwicklung setzt unser Therapeuten-Team einer außergewöhnlichen Belastung aus. Es geht dabei nicht nur um um immense medizinische, sondern auch psychologische Anforderungen, wie es der Zuschnitt unserer Reha-Einrichtung vom Charakter her nicht vorsieht“, sagt die Leiterin.

Versorgung soll weiter ausgebaut werden

„Die neurologische Versorgung von Kindern und Jugendlichen bleibt auch in Zukunft ein wichtiger und weiter auszubauender Baustein im Gesundheitssystem. Die Verantwortlich sind ergänzend zum laufenden Betrieb bemüht, nach neuen, wirtschaftlich sinnvollen Tätigkeiten Ausschau zu halten, um gleichzeitig weitere medizinische Standbeine im Sinne von Alleinstellungsmerkmalen auszubauen“, sagt Barbara Martetschläger im Blick voraus.

Das Hegau-Jugendwerk hofft auch auf die Spendenbereitschaft, wie durch Firmen oder Privatleuten. Hierbei leiste der Förderverein Hegauhelden einen wichtigen Beitrag.