„Bei uns heißt das hier Chläggi“, sagt die Winzerin Katja Waldmeier. Nur wenige Kilometer entfernt wird daraus hinter der Grenze der deutsche Klettgau. Die Unterscheidung ist der Schweizerin wichtig. Stolz ist man im Chläggi auf die Weinberge, die sich über die weite Hügellandschaft erstrecken. Das Blauburgunderland gehört zum Kanton Schaffhausen. Und der lässt sich für seine Touristen immer wieder etwas Neues einfallen. Weil es zusammen besser geht, haben sich Schaffhauserland Tourismus und Thurgau Tourismus gemeinsam auf Ideensuche begeben. Entstanden ist die Velosafari, ein originelles Übernachtungsangebot, das gleich mehrere Trends verbindet: Individualreise und Abenteuer.

Zu beobachten ist seit der Corona-Pandemie ein regelrechter Fahrrad-Boom und Campingurlaube. Das haben sich die Profi-Touristiker der beiden benachbarten Kantone in der deutschsprachigen Schweiz genauer angeschaut und ein Konzept daraus entwickelt, eben die Velosafari. Amanda Suter von Schaffhauserland Tourismus erklärt ganz praktisch, was es damit auf sich hat. Dazu trifft man sich in Trasadingen bei der Familie Waldmeier. Denn dort steht eines der Velosafari-Gespanne. „Hier ist die Rezeption für die Gäste des Velo-Campers“, erklärt Amanda Suter. „Wer auf Velosafari gehen möchte, muss zunächst einmal eingewiesen werden.“

Schlafen in riesigen Weinfässern

Katja Waldmeier betreibt zusammen mit ihrem Mann Christian neben dem Weingut in Trasadingen auch noch ihr Fass-Hotel. Auch das ist eine originelle Unterkunft in riesigen ehemaligen Weinfässern, auf die wir später nochmal zurückkommen wollen.

Jetzt aber erklären Katja Waldmeier und Amanda Suter zunächst einmal das Prinzip der Velosafari. Dazu schieben die beiden Frauen ein Lastenrad in Position. Genauer betrachtet ist es ein Dreirad mit eckigem Zeltaufbau und zwei elektrischen Antriebseinheiten. Ein bisschen sieht es aus wie eine geschlossene Rikscha.

Etwas klein für ein Doppelbett, möchte man meinen. Aber da öffnet Amanda Suter schon die Reißverschlüsse und Katja Waldmeier klappt seitlich einen kleinen Anbau aus. Überall werden Planen aufgerollt, ein Vordach auf Teleskopstangen gesteckt, Fächer geöffnet und ein kleiner Tisch und Stühle herausgezogen. Katja Waldmeier bringt die frisch bezogene Bettwäsche und legt sie auf die 1,30 Meter breite Matratze. Innerhalb von einer viertel Stunde ist die Unterkunft aufgebaut. Übernachtet wird beim Graf & Gräfin Hofgut.

Angst vor Wassereinbruch bei Regen müsse man nicht haben, sagt Katja Waldmeier. Das habe ein Paar bestätigt, das ein regnerisches Wochenende erwischt hatte. Apropos Wochenende: Die meisten Buchungen für das Gespann gebe es für Wochenenden. Ursprünglich sei das Ausflugspaket auf zwei Übernachtungen, also drei Tage ausgelegt gewesen, erklärt Amanda Suter. „Aber die Meisten wollen nur zwei Tage unterwegs sein“, berichtet die Touristikerin.

Man befinde sich immer noch in der Einführungsphase. Deshalb habe man auch die anfangs längere Strecke in zwei Rundkurse unterteilt. Einer verläuft im Schaffhauserland und einer im Thurgau. Zum Paket gehören auch eine Flasche Wein und ein Frühstück auf dem Graf & Gräfin Hofgut in Oberhallau. Dort befindet sich auch der idyllisch gelegene Stellplatz für die Nacht mit Sanitäranlagen in der Nähe.

Was für die Deutschen der Klettgau ist, ist für die Schweizer der Chläggi. An den sanften Hügeln wächst überall Wein. Die Landschaft ...
Was für die Deutschen der Klettgau ist, ist für die Schweizer der Chläggi. An den sanften Hügeln wächst überall Wein. Die Landschaft bietet sich für Fahrradtouren an. | Bild: Trautmann, Gudrun

„Trotz Motor braucht man schon starke Wädli, um den Velocamper durch die Weinberge zu bewegen“, sagt Amanda Suter. Zu große Steigungen sollte man dem Gespann auch nicht zumuten, sonst ist der Akku zu schnell leer. Und dann müssten Waldmeiers oder Graf und Gräfin den Gestrandeten aus der Klemme helfen. Aber das ist bisher noch nicht vorgekommen. Die Begleitperson fährt übrigens auch mit einem E-Bike.

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Vor allem Paare oder Freundinnen mittleren Alters hätten sich bisher für die Velosafari entschieden und seien begeistert zurückgekehrt, schildert Katja Waldmeier. Sie weist die Gäste ein und gibt Tipps. In den Gästebewertungen liest man von unvergesslichen Erlebnissen, Komplimenten „für die ausgefeilte Konstruktion, die tolle Routenplanung mit Restauranttipps und die durchdachten Details in und am Wagen“. Auch die Zusammenarbeit der Partnerbetriebe wird gelobt. Es seien vor allem aktive Menschen, die sich auf Velosafari begeben. Dabei kommt der Genuss aber nicht zu kurz. Am Abend besteht am Stellplatz Grillmöglichkeit.

Es ist also alles ausgeklügelt: Der Start, die Route, der Stellplatz. Wer noch freier reisen möchte, muss sein eigenes Zelt mitnehmen. Aber Achtung: wild campen ist in der Schweiz nicht erlaubt. Mal eben schnell über die Grenze nach Deutschland fahren, geht auch nicht, erklärt Amanda Suter. „Der Velocamper darf aus rechtlichen Gründen Schweizer Boden nicht verlassen“, sagt sie.

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Aber im Chläggi gibt es ja auch genug zu sehen für zwei Tage. Die Fahrt durch die Reben führt immer wieder durch idyllische Winzerorte oder Städte wie Neunkirch. Unterwegs besteht immer wieder die Möglichkeit zu Weinproben, zum Beispiel in der Bergtrotte Osterfingen oder auch in Trasadingen. Die Velosafari mit einer Übernachtung, Begleit-E-Bike, Stellplatz und Frühstückskorb gibt es für zwei Personen ab 250 Schweizer Franken.

Auch weitere touristische Betriebe im Schaffhauserland haben den Trend zu außergewöhnlichen Unterkünften erkannt. So wurden Glamping-Angebote am Rhein, also eine luxuriösere Art des Campings, das Baumzelt in der KSS-Badi, die Übernachtung auf dem Schiff MS Konstanz ins Leben gerufen.

Bereits seit 25 Jahren betreibt Katja Waldmeier ihr Fasshotel. In vier riesigen Holzfässern können jeweils sechs Personen in Stockbetten in Schlafsäcken nächtigen. Eine urige Idee, die gerne von Familien für Feste oder von Gruppen genutzt wird. Es ist bewusst rustikal gehalten. „Rund 16.000 Liter Rotwein wurden in den Barrique-Fässern früher gelagert“, erklärt die Winzerin. „Das jüngste Fass stammt aus dem Jahr 1939/40 und stand auf der Landesausstellung in Zürich.“

Vier riesige alte Weinfässer hat Katja Waldmeier mit jeweils sechs Stockbetten ausgestattet. Hier können ihre Gäste nach einer Weinprobe ...
Vier riesige alte Weinfässer hat Katja Waldmeier mit jeweils sechs Stockbetten ausgestattet. Hier können ihre Gäste nach einer Weinprobe übernachten. | Bild: Trautmann, Gudrun

Die Färbung vom Rotwein sieht man noch an den Innenwänden. „Ein Heuhotel passt nicht zu einem 100-prozentigen Winzerbetrieb“, sagt Katja Waldmeier. Da kam ihr die Idee, Gäste in großen Weinfässern übernachten zu lassen. Die Nacht mit Frühstück kostet 49,50 Schweizer Franken. Dazu bietet sie auch Abendessen mit Wein-Degustation an. 14 verschiedene Sorten vom Riesling bis zum Blauburgunder werden auf dem Weingut in dritter Generation gekeltert. Und mit der Tochter steht die vierte Generation schon in den Startlöchern.