Gailingen Ein bedeutendes Stück jüdischer Geschichte hat seinen Weg zurück an den Hochrhein gefunden. Mit einem wertvollen Originaldokument im Gepäck reisten dieser Tage Rainer Schimpf und Jonathan Mall vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg nach Gailingen, um dem dortigen Jüdischen Museum eine besondere Dauerleihgabe zu überbringen. Dabei handelt es sich um das originale Stiftungsbuch zum Bau des israelitischen Krankenhauses Gailingen aus den Jahren 1890 bis 1895.
Das reichhaltig belegte Dokument ist nicht nur ein Zeugnis der lokalen Medizingeschichte, sondern auch ein faszinierender Spiegel des weitverzweigten Netzwerks jüdischer Gemeinschaften weltweit. In fein säuberlicher Handschrift sind dort Spenden verzeichnet, aus New York, Moskau, Frankfurt und anderen Teilen der Welt. „Man kann an diesem Buch ablesen, wie stark die Gailinger Gemeinde mit der jüdischen Welt verbunden war“, erklärt Schimpf. Der Vorsteher der damaligen jüdischen Gemeinde, Baruch Harburger, und Bezirksrabbiner Leopold Löwenstein sandten nach allen Himmelsrichtungen Spendenaufrufe. Marx Jacob Weil und Samuel Moos sammelten bei den israelitischen Gemeindemitgliedern vor Ort Geld. „Es zeigt, dass das Krankenhausprojekt nur durch das solidarische Engagement vieler möglich wurde, auch weit über die Grenzen Gailingens hinaus“, so Schimpf.
Das israelitische Krankenhaus Gailingen eröffnete im Jahr 1891. Es bot damals bis zu 26 Betten und wurde später, um das Jahr 1931, zu einem kleinen Sanatorium erweitert. Ärztlicher Leiter war über nahezu drei Jahrzehnte der Arzt Kalman Heilbronn, der ebenfalls zu den Initiatoren gehört hatte. Nach dessen Tod übernahm sein Sohn, Sigmund Heilbronn, die Leitung. Im israelitischen Krankenhaus wurden auch Christen aufgenommen. Bemerkenswert ist, dass dort zeitweise (von 1900 bis 1907) zwei Schwestern aus dem Franziskanerinnen-Mutterhaus Gengenbach tätig waren. Das Haus stand in der Büsinger Straße 6. Das Gebäude ist noch gut erhalten und dient heute zu Wohnzwecken.
Die Finanzierung des Hauses war eine immense Aufgabe und wurde durch die gezielt gegründete Stiftung realisiert, wie das übergebene Buch eindrucksvoll belegt. Zu den Gönnern zählte unter anderem auch Salomon Oettinger. Zu den weiteren dokumentierten Stiftungen der jüdischen Gemeinde Gailingen zählt dessen Stiftung, die Gelder für Brautausstattungen und Talmud-Stipendien einbrachte. Zwischen 1888 und 1903 erschienen regelmäßig Anzeigen hierzu in der Zeitschrift „Der Israelit“, oft mit detaillierten Angaben zu Zweck und Summe – etwa 942,86 Deutsche Mark für eine Einzelausstattung.
Neben dem Stiftungsbuch erhielt das Museum in jüngster Zeit auch Originalunterlagen des ehemaligen Bezirksrabbiners Joseph Spitz aus Israel sowie wertvolle Rabbinats-Akten, die in der Schweiz in einem Nachlass gefunden und nun zurückgeführt wurden. Damit kann das Jüdische Museum Gailingen seine Rolle als zentrale Dokumentations- und Bildungsstätte jüdischer Geschichte in der Region Hochrhein vertiefen. Die Unterlagen stehen auch für Forschungszwecke zur Verfügung.
Mit der Rückkehr des Stiftungsbuches kann das historische Erbe der israelitischen Gemeinde Gailingen weiter erschlossen werden. Es öffnet sich ein weiteres Kapitel für Forschung, Bildung und Erinnerungskultur. „Es ist sinnvoll, dass dieses wichtige Zeugnis jüdischen Gemeindelebens wieder an seinem Ursprungsort einsehbar ist“, betont Schimpf.