Am Willen liegt es nicht, doch der Weg zur Gottmadinger Verkehrswende ist lang. Die Gemeinde beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit der Frage, wie man mehr Menschen zum Umstieg vom Auto aufs Fahrrad und öffentliche Verkehrsmittel bewegen kann. Um diese für die Bürger schmackhaft zu machen, bedarf es zum einen besserer und klarer geführter Radwege; zum andern braucht es sichere Abstellplätze für die Räder.
Kurzum: Ein Fahrradhaus mit gesichertem Bereich am Bahnhof. Dort wechseln Schüler und Pendler täglich vom Fahrrad auf die Bahn oder Busse. Die alte, marode Abstellanlage war da wenig Vertrauen erweckend. Ein teures E-Bike wollte man dort guten Gewissens nicht stehen lassen. Der Gemeinderat beschloss eine moderne Anlage mit einem frei zugänglichen und einem geschlossenen Bereich.
Das Flachdach wurde mit Photovoltaik ausgestattet, das nun sowohl das Rathaus, als auch die Ladestationen für die Elektrofahrräder mit Strom versorgen kann. Nur hat bisher immer noch niemand Zugang zu dem verschließbaren Abteil. Wer die automatischen Glastüren passieren will, muss sich mit einem elektronischen Zugangscode Zutritt verschaffen. „Außer Betrieb“ steht auf dem Display.
Bereits vor einem Jahr war der Rohbau des Fahrradhaus abgeschlossen. Es sah so aus, als könnten die Radler es schon bald beziehen. Doch bisher sind nur die 36 Bügel im offenen Bereich nutzbar. Der Glasbau steht immer noch nicht zur Verfügung. Man habe sich wegen der Zugangsbestimmungen lange mit der Firma herumgeschlagen, die das Programm für den Eingang austüfteln soll. Offenbar ist das deutlich komplizierter als gedacht. Ausschließlich online können die Stellplätze und Schließfächer mit Stromanschluss gemietet werden. Das Buchungssystem ist auf der Internetseite der Gemeinde Gottmadingen zu finden. Besucht man diese Seite, dann streckt einem ein junger Mann seinen erhobenen Daumen entgegen. Dahinter ist zu lesen: „Ihr Account wurde freigeschaltet“.

Pünktlich zum 1. Mai trat auch die Nutzungsordnung der Gemeinde Gottmadingen für das Fahrradhaus in Kraft. In seiner jüngsten Sitzung hatte der Gemeinderat die Regeln verabschiedet. Potenziellen Mieter nützt das allerdings noch nichts. Obwohl die Anlage laut Nutzungsordnung an sieben Tagen die Woche 24 Stunden geöffnet sein soll, tun sich die Glastüren derzeit nicht auf. Die 44 Stellplätze sind nach wie vor unerreichbar.

Bürgermeister Michael Klinger machte keinen Hehl aus seiner Verärgerung über den holprigen Start. Auch die Tatsache, dass die Plätze im geschlossenen Bereich nur für maximal drei Monate gebucht werden können, gefällt ihm nicht wirklich. „Ich hätte es vorgezogen, wenn man die Plätze für ein ganzes Jahr buchen könnte“, sagt er. „Oder wie bei einem Hotelbuchungsportal auch tageweise.“ Offenbar lässt sich das nicht so leicht programmieren ohne die Kosten in die Höhe zu treiben.
Klinger sprach von einem „Kraftakt ohne gleichen„. Er hätte sich im Sinne der Mobilitätswende eine reibungslosere Inbetriebnahme gewünscht. Doch die Hürden sind nicht nur technischer, sondern auch datenschutzrechtlicher Natur. Wer einen Platz im Fahrradhaus buchen möchte, muss bei der Online-Buchung persönliche Daten preisgeben und eine entsprechende Datenschutzerklärung abgeben.
Während die Gemeinde Gottmadingen auch Betreiberin des Buchungssystems ist, betreibt die österreichische Firma Gantner mit Sitz in Bochum das Schließsystem. Bezahlen kann man nur über das Zahlungssystem „GantnerenvisoPay„, und zwar monatsweise. Karten kann man künftig sowohl als Gast ohne Konto, als auch über ein vorhandenes oder neues Konto buchen. Nach Abschluss der Buchung erhält der Mieter einen QR-Code, mit dem er das Glashaus betreten kann. Wer eines der Schließfächer mit Stromanschluss nutzen möchte, braucht eine Zwei-Euro-Münze als Pfand. Die monatliche Miete eines Stellplatzes im geschlossenen Bereich beträgt zehn Euro.