Wer erwartet hatte, dass die Kälte das Interesse der Gottmadinger am zweiten Dorfgespräch vor der Eichendorffschule beschränken würde, sah sich vor Ort getäuscht. Die Zahl der Einwohner, die sich einen Überblick über die künftige Situation bei der Unterbringung von Flüchtlingen verschaffen wollte, war so groß, dass sie in zwei Gruppen durch das Gebäude geführt werden mussten. Bürgermeister Michael Klinger hatte den Bürgern von Anfang an Einblicke in die Notunterkunft für geflüchtete Menschen versprochen. Dass sich der Termin verschob, liegt an den baulichen Verzögerungen.

Kein Luxus in der Unterkunft

Kurz vor der Fertigstellung der Räume kamen nun auch Vertreter des Landratsamtes um die Chefin Monika Brumm vom Amt für Migration und Integration zum Termin, um den Anwohnern das Haus zu zeigen und die Abläufe zu erklären. Hatte es im vergangenen Sommer beim ersten Dorfgespräch noch große Bedenken gegen die Notunterkunft mitten im Wohngebiet gegeben, so waren diese nach dem Rundgang durchs Haus jetzt nahezu verstummt.

Kein Wort mehr von vermeintlichem Luxus. Es herrschte eher eine bedrückende Atmosphäre angesichts der schwierigen Unterbringungsverhältnisse. Allen war klar: Wo sich zwölf Menschen, abgetrennt durch einen Sichtschutz, einen Klassenraum teilen müssen, gibt es keine Privatsphäre mehr.

Noch stehen die Bettgestelle für sechs Personen ohne Matratzen und Bettzeug an der Wand des halben Klassenzimmers. Den gesamten Raum ...
Noch stehen die Bettgestelle für sechs Personen ohne Matratzen und Bettzeug an der Wand des halben Klassenzimmers. Den gesamten Raum müssen sich zwölf Personen teilen, wie Hausmeister Mirko Schröder (Mitte rechts) erklärt. Für die Besucher des Dorfgespräches war das fast unvorstellbar. | Bild: Trautmann, Gudrun

Anmietung bis Ende 2023

Verglichen mit der Unterbringung in einer Sporthalle, in der alle Kojen nach oben offen sind, ist das Schulhaus mit den Klassenzimmern jedoch ein Segen. Bis Ende 2023 hat das Landratsamt das Gebäude in Gottmadingen angemietet. Vereinbart wurde eine maximale Unterbringung von 200 Personen.

Monika Brumm würde zwar gerne mehr Personen unterbringen und das Schulhaus länger anmieten, aber bei der Belegung bleibt die Gemeinde hart. Anders bei der Dauer. In seiner jüngsten Sitzung hatte der Gemeinderat über eine Verlängerung um ein halbes Jahr diskutiert und breite Zustimmung signalisiert. Faktisch würde die Notunterkunft gegenüber dem Ursprungsplan nur drei Monate länger betrieben, weil sich schon der Bezug um rund drei Monate verzögert hat.

Grund für die Verzögerung waren die aufwändigen Baumaßnahmen für den Brandschutz. Hier hatte es an Material und Fachkräften gefehlt. Auch während des Dorfgesprächs waren noch Handwerker im Haus. Mit 370.000 Euro wurden die Umbaukosten veranschlagt. Ob das Geld reicht, muss die Abrechnung zeigen. Die SPD-Gemeinderätin Kirsten Graf erinnerte beim Dorfgespräch noch einmal daran, dass es sich um Steuergelder handelt. Sie plädierte für eine Nutzung der Schule als Notunterkunft über den 31. Dezember 2023 hinaus.

Die SPD-Gemeinderätin Kirsten Graf.
Die SPD-Gemeinderätin Kirsten Graf. | Bild: SK

Mitte Februar folgt die Umsiedelung

Mitte Februar sollen 150 Menschen, hauptsächlich Ukrainer, aus der Singener Kreissporthalle in die Notunterkunft in der alten Eichendorffschule umgesiedelt werden. Die Halle in Singen wird dann wieder für den Sport frei.

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In Gottmadingen werden hauptsächlich Familien erwartet. Für die Nachbarn ist das ein wichtiger Aspekt, wie sich in der anschließenden Diskussion zeigte. Man geht offenbar davon aus, dass so weniger Unruhe entsteht. Maximal sechs Monate können die Personen in der Notunterkunft bleiben, bevor sie in eine Anschlussunterbringung kommen. Doch genau da fehlt es an Wohnraum.

Die Amtsleiterin des Amts für Migration und Integration, Monika Brumm.
Die Amtsleiterin des Amts für Migration und Integration, Monika Brumm. | Bild: Holle Rauser

Monika Brumm stellte den Heimleiter Sven Scheidemantel und den Hausmeister Mirko Schröder vor, die zu den üblichen Bürozeiten auch für die Nachbarn bei Problemen mit den neuen Bewohnern als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Darüber hinaus werden rund um die Uhr zwei Sicherheitskräfte vor Ort sein, die auf dem gesamten Gelände für Ordnung und Ruhe sorgen sollen. Boran Al Yousef wird als Integrationsmanagerin für die sozialen Belange zuständig sein. Dabei geht es auch um den Besuch von Kindergärten und Schule oder die Arbeitsaufnahme.

Ehemalige Schulbüros nutzt die Einrichtungsleitung

In den ehemaligen Schulverwaltungsräumen befinden sich nun die Büros der Einrichtungsleitung. In der Schulküche können sich die Menschen auch selbst ihre Mahlzeiten kochen. Dazu werden noch mehr Herde aufgestellt.

In den Zimmern darf nicht gekocht werden. In den Räumen gibt es kein Wasser. Vor dem Haus werden Container mit Sanitäranlagen aufgestellt. In der ehemaligen Hausmeisterloge werden 100 Steckplätze zum Aufladen von Mobiltelefonen eingebaut. Die Steckdosen in den Klassenräumen dürfen nicht genutzt werden, weil sonst die Gefahr einer Überlastung des Stromnetzes bestehe.

Peter Löchle vom DRK, warb um Spenden für das Rot-Kreuz-Lädele in Gottmadingen. Spiele, Kleider, Bettwäsche, Geschirr seien willkommen.
Peter Löchle vom DRK, warb um Spenden für das Rot-Kreuz-Lädele in Gottmadingen. Spiele, Kleider, Bettwäsche, Geschirr seien willkommen. | Bild: SK-Archiv

All diese Beschränkungen, vor allem aber die Enge in den Räumen oder der geringe Stauraum in den kleinen Spinden, stimmten die Besucher des Dorfgesprächs nachdenklich. Immer wieder hörte man Bedauern für die Menschen auf der Flucht.

Roland Fahr von der Gottmadinger Bürgerhilfe nutzte die Gelegenheit, um ehrenamtliche Helfer zu werben. „Alle sind willkommen zu unserer nächsten Sitzung am 15. Februar um 17 Uhr im AWO-Gemeinschaftsraum“, sagte er. Auch Peter Löchle vom DRK, warb um Spenden für das Rot-Kreuz-Lädele in Gottmadingen. Spiele, Kleider, Bettwäsche, Geschirr seien willkommen. Teppiche und Möbel dagegen aus Brandschutzgründen nicht.

Kreisbehörde und Gemeindeverwaltung hoffen auf Ehrenamtliche

Ehrenamtliche Helfer sind auch bei der Sprachvermittlung willkommen. „Wir haben zwei Klassenräume reserviert, in denen Deutschkurse gegeben werden können“, erklärt Monika Brumm. „Außerdem gibt es zwei Betreuungsräume für Kleinkinder.“ Martina Lohr, ebenfalls Integrationsmanagerin, ist froh über diese Möglichkeiten, die es in anderen Notunterkünften nicht gibt.

Wenn eine Schule zur Notunterkunft für Flüchtlinge wird, braucht es einen genauen Belegungsplan. Im Foyer betrachten Besucher des ...
Wenn eine Schule zur Notunterkunft für Flüchtlinge wird, braucht es einen genauen Belegungsplan. Im Foyer betrachten Besucher des Dorfgersprächs die Pläne. | Bild: Trautmann, Gudrun

Bürgermeister Michael Klinger versprach den direkten Nachbarn noch eine Abgrenzung zu den Grundstücken durch Bauzäune. Die Anlieger hatten die Befürchtung geäußert, dass sich hinter der Schule lärmige Treffs entwickeln könnten. Doch auch darauf sollen die Sicherheitskräfte ein Auge haben.

Durch Bauzäune wird auch das Gelände vor der Schule gekennzeichnet, das nur den Bewohnern und dem Personal vorbehalten ist. Gäste müssen sich in einem Gästebuch ein- und austragen. So will man verhindern, dass fremde Besucher im Haus unterwegs sind.