Es war ein Kraftakt, aber Gottmadingen hat es hinbekommen, kurz vor Weihnachten eine Impfaktion zu stemmen. Vom 18. bis 22. Dezember wurden 1188 Dosen Moderna verimpft. Mittwochabend passierte es dann trotz bester Vorbereitung: Die EDV-Verbindung zum Robert-Koch Institut brach zusammen und es konnten keine Daten mehr bearbeitet werden. Man hat die Kurve trotzdem noch gekriegt, aber es wurde sportlich.

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Und wie fing alles an? Mitte Dezember schlugen die Gottmadinger Ärzte Alarm. Mit lediglich 15 Dosen Impfstoff pro Woche, die ihnen zugeteilt wurden, kam kein Schwung in die Impfaktion. Die Inzidenzen wuchsen und die Gewissheit, dass sich mit Omikron die nächste Welle aufbaut. Viele Menschen telefonierten Terminen hinterher, froren in langen Schlangen und wurden trotz langer Wartezeiten wieder weggeschickt.

Die Gemeinde Gottmadingen beschloss deshalb in kommunaler Eigenverantwortung zu impfen. Am Montag, 13. Dezember, erhielt Bürgermeister Michael Klinger die Zusage, dass Impfstoff für die kommunale Aktion zur Verfügung stehe. Mit vereinten Kräften gelang es, ein Impfzentrum quasi aus dem Boden zu stampfen. Das konnte nur funktionieren, weil wirklich alle mitgeholfen haben: Verwaltung, Bauhof, Rotes Kreuz und Feuerwehr, Bahnhofsapotheke und Arztpraxen vor Ort. An Bord waren die Teams der Praxen Felix-Mitteis, Graf, Stoll und Wilms sowie Ärzte, die aus dem „Unruhestand“ heraus die Teams unterstützten.

Achim Kernke lässt sich vom Gottmadinger Arzt Klaus Gestefeld, der aus dem Ruhestand die Aktionstage unterstützte, impfen.
Achim Kernke lässt sich vom Gottmadinger Arzt Klaus Gestefeld, der aus dem Ruhestand die Aktionstage unterstützte, impfen. | Bild: Ulrike Blatter

Nach rekordverdächtigen fünf Tagen öffnete am 18. Dezember das Impfzentrum in der Fahrkantine. Einlasskontrolle erfolgte durch Mitarbeiter der Freiwilligen Feuerwehr und drinnen fungierten Ehrenamtliche des DRK unter Leitung von Peter Löchle als Lotsen, um das Prinzip der Einbahnstraße zu wahren. Nach dem Datenabgleich folgte ein ärztliches Gespräch. Danach ging es weiter zur Impfung und in den Ruhebereich. Nebenan zog geschultes Personal unermüdlich neue Spritzen auf. Alles lief wie am Schnürchen, es gab kaum Wartezeiten.

Der Andrang war mit über 500 Boosterimpfungen am Wochenende am größten. Die meisten Impfwilligen kamen aus der Region: 44 Prozent aus Gottmadingen, 15 Prozent aus Singen und 32 Prozent aus anderen Orten in der Nähe. Jeder zehnte hatte eine deutlich weitere Anreise, wobei es sich vermutlich um Feiertagsgäste handelte, welche die Gelegenheit nutzten. „Die Menschen sind erleichtert und dankbar“, hörte man überall. Manche Impflinge brachten das auch ganz direkt zum Ausdruck: Immer wieder landeten liebevoll verpackte Schokolade oder andere Süßigkeiten bei den Helfern.

Kleine Aufmerksamkeit für alle Freiwilligen gab es bei den Impftagen in Gottmadingen von dankbaren Impflingen
Kleine Aufmerksamkeit für alle Freiwilligen gab es bei den Impftagen in Gottmadingen von dankbaren Impflingen | Bild: Ulrike Blatter

Auch in den nächsten Tagen setzte sich der Trend zum Booster fort. Die Statistik weist lediglich 35 Grundimmunisierungen gegenüber 1153 Boostern aus. Bürgermeister Michael Klinger zeigte sich insgesamt zufrieden mit dem Ergebnis, auch wenn er gern die „volle Dosis“ der bereitgestellten Impfungen ausgeschöpft hätte. „So schnell wird uns das Thema nicht loslassen“, betont er und hat bereits für Mitte Januar zwei Impftage organisiert (siehe Infokasten).

Dr. Graf wies auf zahlreiche Probleme hin, bis eine solche Impfaktion genehmigt werden konnte. „Der bürokratische Teufel steckt im Detail“, weiß er. „So gibt es auf allen Ebenen der Beschaffung von Impfstoff den sprichwörtlichen Flaschenhals, vor dem sich alles staut, falls es schlecht läuft.“ Erwähnt werden administrative Hürden, aber auch das Verfallsdatum der Impfstoffe spielt eine wichtige Rolle. Was die Logistik angeht, besteht nach übereinstimmender Meinung vieler Anwesender deutlich Luft nach oben.

Dr. Gestefeld in Impfkabine 2 macht sich um so etwas keine Gedanken. Er hat nämlich alle Hände voll zu tun. Impfpass checken, jeden Neuankömmling mit Namen begrüßen – welcher Arm soll es sein? Manche der Impflinge brauchten Unterstützung beim An- und Ausziehen, aber alles ging fix und dann heißt es auch schon: „Hat gar nicht wehgetan“ oder wie Pierre Saba es ausdrückt: „Läuft rein wie Wasser!“

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Auch Achim Kernke (50) aus Gottmadingen ist froh, dass er den Booster nun vor Ort erhalten kann. Er selbst hat kaum Angst vor einer Infektion, da er sich an alle Regeln halte und sehr vorsichtig sei. Aber er lasse sich aus Verantwortungsgefühl gegenüber der Gemeinschaft impfen, wie er mehrfach betont. Ähnliche Motive nennt auch Hannah Lane (23), die nach ihrer Frühschicht im Krankenhaus nun als Freiwillige des DRK die Spätschicht in Gottmadingen drangehängt hat. Sie ist im letzten Jahr der Krankenpflegeausbildung und will Fachpflegekraft für Intensivpflege werden. Corona hat auch ihre Ausbildung ganz schön durcheinandergebracht. „Zu viel Online-Unterricht und Theorie“, bemängelt sie. „Aber ich spüre überall, dass jeder sein Bestes gibt. Klar habe ich ein bisschen Bammel vor dem Examen – aber gerade deswegen nutze ich jede Gelegenheit, um praktische Erfahrungen zu sammeln.“ Was sie dazu motiviert, die Pflegeausbildung zu machen? „Dass wir verhältnismäßig schlecht bezahlt sind, hat sich ja mittlerweile rumgesprochen“, sagt sie. „Aber es ist eine interessante und abwechslungsreiche Arbeit und der Dank eines Menschen ist eigentlich unbezahlbar.“

Unbezahlbar war auch die Reaktion auf den eingangs geschilderten Komplettausfall der EDV: Martina Stoffel vom Hauptamt der Gemeindeverwaltung bastelte innerhalb von dreißig Minuten eine Eingabemaske für alle Daten, so dass der Betrieb weiterlaufen konnte.

Irgendwann war der Spuk vorbei, aber draußen hatte sich dann doch eine Schlange gebildet. „Der Schultes bespaßt die Leut!“, war zu hören – und tatsächlich: Bürgermeister Klinger war unverdrossen draußen unterwegs, erklärte die Gründe für die Verzögerung und schenkte fleißig Kaffee aus.

„Wir haben viel Erfahrungen sammeln können, die wir bei den nächsten Aktionen nutzen werden, um den Impfschutz für die Bevölkerung kontinuierlich zu verbessern“, ist er sicher und verweist auf die nächsten Impftage am 13. und 17. Januar in Gottmadingen. „Reden Sie darüber! Teilen Sie die Aktionen in ihrem Bekanntenkreis und in den sozialen Netzwerken“, ist sein Appell. „Wir hier in Gottmadingen sind bereit und werden auch weiterhin unser Bestes geben.“