Es geht um Gerechtigkeit. Das machte Bürgermeister Michael Klinger den Teilnehmern beim Dorfgespräch in Randegg deutlich. Etwa 60 interessierte Bürger waren gekommen, um sich vor Ort über die neuesten Pläne zur Unterbringung von geflüchteten Menschen zu informieren. Denn dass auf dem großen Parkplatz hinter dem alten Rathaus eine Unterkunft für Flüchtlinge entstehen soll, ist eigentlich eine ziemlich junge Entscheidung und aus der Not geboren.

Ursprünglich sollte das dreigeschossige Haus mit neun Wohnungen in der Gottmadinger Hauptstraße gebaut werden. Doch diese Pläne sind an einem Bundesgesetz gescheitert. Und weil Randegg im Vergleich zur Kerngemeinde und zu Bietingen bisher zu wenig Geflüchtete aufgenommen hat, soll das Haus nun dort gebaut werden.

Es ist jedes Mal spannend zu erleben, wie die Menschen auf solche Veränderungen reagieren. Bei einer ähnlichen Diskussion in der Hilzinger Straße, wo gerade ein modellgleiches Haus gebaut wird, gingen damals die Emotionen hoch. In Randegg war die Stimmung ganz anders. Die Bürger lauschten den Ausführungen des Bürgermeisters aufmerksam und reagierten gelassen.

Gottmadingen muss derzeit 438 Geflüchtete aufnehmen

Michael Klinger führte die Anwesenden in das Projekt ein. Er erklärte die aktuelle Situation der Zuweisungen von Geflüchteten durch den Landkreis. Zur Zeit muss Gottmadingen mit Ortsteilen 438 Geflüchtete unterbringen. Tatsächlich leben aber nur 320 Personen in der Gemeinde. Weil der Landkreis die alte Eichendorff-Schule als Notunterkunft für maximal 200 Personen anmieten konnte, erfüllt Gottmadingen das Aufnahmesoll. Die Belegung in der Schule schwankt zwischen 100 und 180 Personen.

Doch die Schule soll abgerissen werden, sobald die Wettbewerbsgewinner und Investoren mit der Umsetzung des Quartiers 2020 beginnen. Und dann fehlen nach bisherigen Berechnungen 114 Plätze in Gottmadingen. Auch wenn gegenüber 2023 auf Kreisebene mit rund 50 Prozent weniger Flüchtlingen gerechnet werde, so sei weiterhin mit Zuzug zu rechnen.

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Immer wieder hatte die Verwaltung das Thema mit dem Gemeinderat diskutiert. Man war sich einig, dass eine Containerlösung nicht in Frage kommt. Deshalb entstehen nun Wohnhäuser für Geflüchtete. Am Beispiel des Mehrfamilienhauses in der Hilzinger Straße, das von der Anneliese-Bilger-Stiftung gebaut wurde, können alle Interessierten sehen, was geplant ist. In der Hilzinger Straße werden gerade neun Wohnungen für Geflüchtete im gleichen Stil gebaut. Und so sollen auch die Wohnungen aussehen, die hinter dem alten Rathaus in Randegg entstehen werden.

Alexander Kopp und Daniela Hall vom Gottmadinger Bauamt zeigen die Pläne für das Flüchtlingshaus, das in Randegg gebaut werden soll.
Alexander Kopp und Daniela Hall vom Gottmadinger Bauamt zeigen die Pläne für das Flüchtlingshaus, das in Randegg gebaut werden soll. | Bild: Trautmann, Gudrun

Dass jetzt alles so schnell gehen muss, liegt daran, dass Gottmadingen die bereits zugesagten Fördermittel in Höhe von 585.000 Euro nicht verlieren will. „Der Bauvertrag muss am 27. Januar 2025 unterschrieben sein“, sagte Michael Klinger. Doch das ist erst möglich, wenn die Baugenehmigung vom Konstanzer Landratsamt vorliegt. Die Firmen, die sich an der Ausschreibung für den gescheiterten Bau in der Hauptstraße beteiligt hatten, sind auch für Randegg bereit.

Bundesgesetz macht Gemeinde einen Strich durch die Rechnung

Dass man alles umplanen musste, liegt an einem neuen Bundesgesetz. Demnach darf die Bahn keine Grundstücke mehr freigeben, die zu Eisenbahnbetriebszwecken genutzt werden könnten. „Das hat uns kalt erwischt“, erklärte Klinger. Immerhin hat die Gemeinde das Grundstück von der Bahn erworben. Gleichzeitig sind die Kommunen verpflichtet, die ihnen zugewiesenen Flüchtlinge unterzubringen.

Bei der Verteilung soll es nach dem Willen des Gottmadinger Gemeinderates gerecht zugehen. Deshalb wird nun in Randegg gebaut. Denn Randegg hat einen Anteil von 11,4 Prozent an der Gesamtbevölkerung, hat bisher aber nur sechs Prozent Geflüchtete im Dorf aufgenommen. „Wir wollen die Menschen bewusst verteilen, damit die Integration besser funktioniert“, sagte Klinger.

Die Sorgen der Bürger sind praktischer Natur

In der anschließenden Diskussion gab es dann auch keinerlei Widerstand gegen das Haus an sich. Allerdings machten sich die Bürger Sorgen um die Parkplätze. In Randegg haben zahlreiche ältere Häuser keine eigenen Stellplätze. Und auch die Zufahrtsregelungen mit Wegerechten über Nachbargrundstücke sind kompliziert. Viele Anwohner nutzen die Freifläche hinter dem alten Rathaus zum Parken. Klinger beruhigte: Auch mit dem Flüchtlingshaus sei auf dem Gelände noch Parkraum vorhanden. Dafür soll ein altes Betonpodest entfernt werden.

Für ihn ist es auch eine Frage der Gerechtigkeit: Gottmadingens Bürgermeister Michael Klinger ist es wichtig, dass die Geflüchteten ...
Für ihn ist es auch eine Frage der Gerechtigkeit: Gottmadingens Bürgermeister Michael Klinger ist es wichtig, dass die Geflüchteten gleichmäßig auf den Kernort und die Ortsteile verteilt werden. Und da hinkt Randegg derzeit noch hinterher. | Bild: Fw

Ein Gesprächsteilnehmer wollte wissen, warum man nicht – wie in Bietingen – das leer stehende Pfarrhaus anmiete. Klinger begründete das mit dem technischen Zustand des Hauses. Da gebe es dauernd Probleme. Wie sich die Menschen von Randegg aus mit Lebensmitteln versorgen sollen, fragte ein anderer Teilnehmer. Die Antwort: „Sie werden mit dem Bus nach Gottmadingen zum Einkaufen fahren müssen.“ Vor allem Alltagsfragen beschäftigen die Menschen in Randegg. Eine ablehnende Haltung gegenüber den Flüchtlingen war bei dem Dorfgespräch nicht erkennbar.