Es muss eine filmreife Szene gewesen sein: Vier Männer sind gerade dabei, etwa 160 Kilogramm Kokain aus einem Fahrzeug auszuladen. Dann stürmen Ermittler die Szene und nehmen die vier Personen fest. Sie wurden auf frischer Tat ertappt. Die Festnahme machte einer Reihe von Drogengeschäften ein Ende, die zu diesem Zeitpunkt seit etwa eineinhalb Jahren am Laufen waren. Die Szene ereignete sich kurz vor Weihnachten 2021 in einer Industriehalle in Immendingen.

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Sechs Personen aus Deutschland, der Schweiz und der Dominikanischen Republik müssen sich deswegen derzeit wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln vor dem Konstanzer Landgericht verantworten. Sie sind zwischen 32 und 57 Jahre alt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, unter anderem eineinhalb Tonnen Kokain bewegt zu haben. Das Rauschgift kam demnach von Südamerika, die Gruppe soll es nach Mitteleuropa geschmuggelt und in Deutschland, der Schweiz, den Niederlanden und Frankreich verkauft haben. Eine Drehscheibe des Handels war laut der Anklage ein Betrieb in Gottmadingen.

Bis es soweit war, dass die sechs Personen festgenommen wurden, gab es offenbar intensiven Kontakt mit einem verdeckten Ermittler, wie nun am dritten Verhandlungstag deutlich wurde. Bei vielen der Einzeltaten, die die Staatsanwaltschaft anklagt, hatte diese Person die Finger im Spiel. Und dieser verdeckte Ermittler sei es auch gewesen, der die vier Personen, die nun unter den sechs Angeklagten sind, für die Übergabe der Drogen am Tag der Festnahme zusammengerufen habe, sagte nun Edward N.

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N. sitzt ebenfalls auf der Anklagebank, hatte aber von Anfang an Kooperationsbereitschaft signalisiert und schon am zweiten Prozesstag umfangreiche Aussagen gemacht. Nun sagte er, dass zwei der Angeklagten bei der Übergabe des Kokains am 21. Dezember eigentlich gar nicht hätten dabei sein sollen. Der verdeckte Ermittler habe sie hinzuholen lassen. Der genannte Grund: Sie sollten sicherstellen, dass alles in Ordnung geht und dass es keine Polizeikontrollen rund um den Übergabeort gibt. Der frühere Inhaber des Gottmadinger Betriebs, der ebenfalls unter den Angeklagten ist, bestätigt das: Mit dieser Begründung sei auch er zu dem Treffen geholt worden. Wie sich die Sache nun vor Gericht darstellte, war das ein Vorwand. Beim Ausladen des Rauschgifts klickten die Handschellen.

Spektakulärster Vorwurf: eine Tonne Kokain auf einmal

Edward N. berichtete auch über den spektakulärsten Tatvorwurf der Staatsanwaltschaft. Um eine Tonne Kokain soll es bei der fraglichen Tat gegangen sein. Wenn man die Zahlen aus dem Verfahren zugrunde legt, dürfte eine solche riesige Menge mehr als 30 Millionen Euro wert sein. Für einige Tage im Juli 2021 geisterte diese Menge offenbar durch das Leben der Gruppe. Ein anderer Angeklagter, Christopher L., habe ihn angerufen, ob er dabei helfen könne, eine große Menge Kokain aus dem Hamburger Hafen zu holen, berichtete Edward N. nun. Mit dem verdeckten Ermittler hätten die beiden Männer dann besprochen, wie man den Container aus dem Hafen herausbekommen könnte. L. habe beiden für diesen Hilfsdienst je 20 Prozent des in Rede stehenden Rauschgifts versprochen.

Die fünf männlichen Angeklagten sitzen in unterschiedlichen Gefängnissen in Baden-Württemberg in Haft. Sie werden in Fußfesseln in den ...
Die fünf männlichen Angeklagten sitzen in unterschiedlichen Gefängnissen in Baden-Württemberg in Haft. Sie werden in Fußfesseln in den Saal geführt. | Bild: oli

Doch nach ein bis zwei Tagen sei dieses Geschäft wieder vom Tisch gewesen, sagt N. nun. Der Angeklagte L. habe gesagt, dass sich die Besitzer des Kokains selbst darum kümmern würden. Hat diese große Menge Rauschgift jemals existiert? Edward N. äußerte daran nun Zweifel. Er habe keine Containernummer und keine weiteren Informationen bekommen. Und abgesehen davon, glaube er, dass L. oder sonst jemand eine so große Menge auf einmal überhaupt bereitstellen könne. L.s Verteidiger Andreas Hennemann sagte im Prozess auch, dass laut seinem Mandanten eine Tonne für alle Beteiligten tatsächlich eine Nummer zu groß sei. Der Vorsitzende Richter Arno Hornstein hielt dagegen: Dass keine Containernummer genannt wurde, bedeute ja nicht, dass es die Drogen nicht gegeben habe.

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Drogengeschäfte wurden unter anderem in Restaurants in Diessenhofen und Villingen-Schwenningen angebahnt

Andere Transporte kamen zustande. Größtenteils soll dabei laut den Auskünften von Edward N. ein anderer Angeklagter, Klaus F., das Rauschgift in einem präparierten Auto in den Betrieb nach Gottmadingen gebracht haben, bis er bei einer Fahrt erwischt wurde. F. verbüßt deswegen bereits eine Haftstrafe. In Gottmadingen seien die Drogen dann für den Weiterverkauf aufgeteilt worden, unter anderem auch an den Inhaber des Betriebs, der ebenfalls auf der Anklagebank sitzt.

Einmal wurde auch versucht, 500 Gramm Kokain in einem präparierten Umschlag eines Expressdienstes von Mexiko nach Pfullendorf zu schicken. Laut der Anklage wurde das Rauschgift in diesem Fall am Flughafen in Deutschland sichergestellt. Für das Gericht war es indes mühsam, bei der Befragung von Edward N. detaillierte Informationen dazu zu bekommen, wer jeweils wie viel Kokain bekommen hat und wie viel Geld wohin geflossen ist. Oft sprang er zwischen verschiedenen Fällen und machte Erinnerungslücken geltend.

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Angebahnt wurden all diese Drogengeschäfte – ob nun vermeintliche oder tatsächliche – laut den Angaben des Angeklagten bei zahlreichen Treffen. Diese fanden unter anderem in dem Betrieb in Gottmadingen statt, teilweise aber auch in einem Lokal im idyllischen Diessenhofen oder einem Lokal in Villingen-Schwenningen. Der frühere Inhaber des Betriebs berichtete vor Gericht nun unter anderem, dass er zumindest in einem Fall ein Kilogramm Kokain unangekündigt bekommen habe: „Ich war davon überrascht und nicht sehr begeistert.“

Gegen den Vorwurf, dass bei ihm beim Drogenhandel auch Waffen im Spiel gewesen sein könnten, wehrte er sich jedoch vor Gericht. Die Gaspistolen, die neben 37 Kilogramm Marihuana und knapp sechs Kilogramm Haschisch bei der Durchsuchung kurz vor Weihnachten gefunden wurden, seien nicht unmittelbar schussbereit gewesen. Damit habe er nur zum Zeitvertreib auf Zielscheiben geschossen. Eine andere Waffe habe er beim Einzug in die Räume vorgefunden und nie ausprobiert, ob sie funktioniere. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung. Der nächste Verhandlungstag ist für Montag, 21. November, geplant.