Es hat für überregionales Aufsehen gesorgt, als Ermittler kurz vor Weihnachten 2021 im Gottmadinger Industriegebiet große Mengen Rauschgift sichergestellt haben. Vorgefunden wurden damals 233 Kilogramm Kokain und 50 Kilogramm Cannabis. Den Straßenverkaufswert gaben die Behörden damals mit mindesten 50 Millionen Euro an. Nun stehen sechs Personen im Alter von 32 bis 57 Jahren als Angeklagte vor dem Konstanzer Landgericht. Die Angeklagten kamen am ersten Prozesstag aus verschiedenen Gefängnissen in Baden-Württemberg und trugen allesamt Fußfesseln. Der Prozess findet unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt.

Handelt es sich um eine Drogen-Bande?

Die sechs Personen mit Staatsangehörigkeiten aus Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz und der Dominikanischen Republik müssen sich wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verantworten, wie es in der Ankündigung des Termins durch das Landgericht Konstanz im Juristendeutsch heißt. Im Klartext bedeutet das: Die Staatsanwaltschaft legt den sechs Personen, unter denen eine Frau ist, zur Last, dass sie eine Bande gebildet haben, um Drogen von Südamerika nach Deutschland zu bringen, zum Weiterverkauf in der Schweiz, den Niederlanden, Frankreich und Deutschland. Die individuelle Tatbeteiligung ist dabei laut der Anklage unterschiedlich stark.

Das könnte Sie auch interessieren

Allein die Verlesung der Anklageschrift vor Gericht dauerte am Freitag etwa eine Stunde. Und was der Vertreter der Staatsanwaltschaft zu berichten hatte, kennt man sonst nur vom Kino. Da ging es in mehreren Fällen um hunderte Kilogramm Kokain, die von Südamerika in Containern nach Europa verfrachtet wurden. Einer der Angeklagten soll dafür nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft eine Firma gegründet haben, die offiziell mit Kunststoffgranulat handelte. In den Containern fuhr allerdings regelmäßig kiloweise Kokain mit.

Mehr Drogen als bisher erwartet

Die Mengen an Rauschgift, um die es bei den kriminellen Aktivitäten ging, waren dabei offenbar noch deutlich größer, als kurz vor Weihnachten 2021 öffentlich wurde. In einem Fall ist die Rede davon, dass eine Tonne Kokain in einem Container nach Deutschland unterwegs war. Staatsanwalt Kulikow beziffert die Gesamtmenge an Kokain, die von der Gruppe bewegt worden sein soll, mit etwa 1500 Kilogramm.

233 Kilogramm Kokain und 50 Kilogramm Cannabis mit einem Straßenverkaufswert von mindestens 50 Millionen Euro wurden bei einem Einsatz ...
233 Kilogramm Kokain und 50 Kilogramm Cannabis mit einem Straßenverkaufswert von mindestens 50 Millionen Euro wurden bei einem Einsatz kurz vor Weihnachten 2021 bei Durchsuchungen sichergestellt. Einer der Fundorte lag in Gottmadingen. So präsentierten Polizei und Staatsanwaltschaft damals die Funde. | Bild: Polizei Baden-Württemberg

Ein Dreh- und Angelpunkt der Aktivitäten der Gruppe war laut der Anklageschrift ein Betrieb eines der Angeklagten in Gottmadingen. Immer wieder seien die Drogen dorthin gebracht und von dort aus weiter verteilt worden, so der Staatsanwalt.

Das könnte Sie auch interessieren

Der Zugriff gelang den Ermittlern laut der Anklage dann kurz vor Weihnachten 2021 in Immendingen. Dort seien mehrere der Angeklagten dabei gewesen, das frisch eingetroffene Kokain zu zählen, als sie von den Beamten überrascht wurden. Auch in den Betriebsräumen in Gottmadingen griffen Ermittler am selben Tag zu. In den Räumen seien neben 37 Kilogramm Marihuana und 5,8 Kilogramm Haschisch auch eine geladene Schusswaffe und zwei Gaspistolen mit der Kennzeichnung „F im Fünfeck“ samt Munition gefunden worden. Der Angeklagte, der den Betrieb führte, sei dabei nicht im Besitz der erforderlichen Erlaubnis gewesen, so der Staatsanwalt.

Was aus der Anklageschrift auch deutlich wurde: Für längere Zeit waren offenbar verdeckte Ermittler im Spiel. Immer wieder hätten einzelne Angeklagte einem verdeckten Ermittler Drogen zum Kauf angeboten, ging aus Kulikows Ausführungen hervor.

Mehrere Jahre Gefängnis stehen in Aussicht

Bereits im Vorfeld der nun begonnenen Hauptverhandlung hatten sich Gericht und Verteidiger zu Verständigungsgesprächen getroffen, wie der Vorsitzende Richter Arno Hornstein sagte. Eine abschließende Verständigung habe es dabei nicht gegeben. Einer der Angeklagten verbüße zudem bereits eine Haftstrafe des Landgerichts Krefeld von vier Jahren und zehn Monaten. Dazu werde noch deutlich mehr hinzukommen, so Hornstein.

Das könnte Sie auch interessieren

Am ersten Prozesstag kam es nach der Anklageverlesung dann zu einer umfassenden Prozessabsprache zwischen Staatsanwaltschaft, Gericht und den Verteidigern der sechs Angeklagten. Die Beteiligten einigten sich je nach der individuellen Tatbeteiligung auf einen Strafrahmen, im Gegenzug haben die Verteidiger zugesagt, dass ihre Mandanten sich ausführlich äußern und die Vorwürfe einräumen würden.

Die einzige Frau auf der Anklagebank dürfte demnach mit einer Bewährungsstrafe davonkommen, ihr Haftbefehl wurde unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Sie war laut der Staatsanwaltschaft hauptsächlich als Übersetzerin beteiligt. In ihrer Einlassung, die ihr Verteidiger Michael Kolaczkowski verlas, gab sie an, manipuliert worden zu sein, weil sie sehr verliebt in einen der anderen Angeklagten gewesen sei.

Es drohen teilweise langjährige Haftstrafen

Den fünf männlichen Angeklagten drohen weiterhin teilweise langjährige Haftstrafen. Ein weiterer Angeklagter, der nach der Darstellung der Staatsanwaltschaft hauptsächlich als Kurier beteiligt war, sah sich nach den Worten seines Verteidigers Marc Decker allerdings nicht als Teil einer Bande und wollte auf Nachfrage von Richtern und Staatsanwalt nur einen der Mitangeklagten gekannt haben.

Prozess vor dem Konstanzer Landgericht gegen sechs Personen wegen Drogenschmuggels in großem Stil. Die Angeklagten kamen aus ...
Prozess vor dem Konstanzer Landgericht gegen sechs Personen wegen Drogenschmuggels in großem Stil. Die Angeklagten kamen aus verschiedenen Gefängnissen und trugen im Gerichtssaal Fußfesseln. | Bild: Freißmann, Stephan

Wie ein roter Faden zogen sich durch die Erzählungen der Angeklagten allerdings Trennungen, Scheidungen und unübersichtliche Familienverhältnisse – ebenso wie Schulden und Schwierigkeiten, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Drogen würden sie selbst nicht konsumieren, sagten alle Angeklagten bis auf einen, der Kokain bei langen Autofahrten genommen haben will. Und vier der sechs Personen berichteten von Migrationsgeschichten mit dominikanischem Hintergrund. Zentrale Orte für die Gruppe waren indes Zürich, wo zwei der Angeklagten zeitweise auch als Paar lebten, und der Bodenseeraum.

Die Verhandlung wird am kommenden Freitag, 14. Oktober, fortgesetzt. Es gilt die Unschuldsvermutung.