Was sich in der Natur nur schleichend über den Erdboden bewegt, hüpft bei den Schnägge der Narrenzunft Gerstensack Gottmadingen bei Umzügen auf dem Kopf. „Bis zu 400 Schneckenhäuser können das sein, je kleiner, umso mehr müssen drauf“, erklärt Adele Platz und betont, dass alle Schnägge mit der Hand aufgenäht werden.

Auf ihrer Maskenhaube trägt sie rund 300 dieser zerbrechlichen Gebilde, aber es zeigen sich auch Lücken. Denn wenn die Schnägge-Gruppe so richtig durch die Menge juckt, gingen viele der Schneckenhäuser kaputt und verloren. Die werden dann bei einem Schnägge-Annäh-Termin ersetzt. Dabei werden die männliche Mitglieder nicht bevorzugt, auch sie müssen zu Nadel und Faden greifen.

„Die laufet wieder wiä d‘ Schnäggä“

Adele Platz bezeichnet sich als Quereinsteigerin. Zwar ist sie als Gottmadingerin mit der Fasnacht aufgewachsen, kam aber erst im Jahr 1983 als 19-Jährige zur Schneckengruppe.

Beim Fasnet-Mäntig-Umzug im Jahr 2019: Auf dem Kopf tragen die Schnägga leere Schneckenhäuschen, auf dem Häs Sonne, Mond und Sterne.
Beim Fasnet-Mäntig-Umzug im Jahr 2019: Auf dem Kopf tragen die Schnägga leere Schneckenhäuschen, auf dem Häs Sonne, Mond und Sterne. | Bild: Tesche, Sabine

Die Schnägge-Figur bezieht sich auf die Zeit, als die Gottmadinger den beschwerlichen Weg zur Kirche in Gailingen noch zu Fuß gehen mussten. Deshalb kamen sie oft zu spät zur Messe und so hieß es bald: „Gugget an – die Gottmadinger laufet wieder wiä d‘ Schnäggä.“ Mit drei Brauereien im Ort hatten die Gottmadinger dem Spott aber etwas entgegen zu setzen – als Symbol dafür sind Sonne, Mond und Sterne auf das Häs aus alten Gerstensäcken gemalt.

„Mein Herz schlägt für die Zunft“

Seit fast 40 Jahren ist Adele Platz Mitglied in der Zunft und hätte nie gedacht, dass sie so lange in einem Verein durchhalten würde. „Aber es macht einfach Spaß, anderen Freude zu bereiten. In dieser Zeit sind die Leute auch viel offener und der Funke springt über.“ Als gestandene Närrin und Oberschnägge sagt sie heute: „Mein Herz schlägt für die Zunft.“

Fasnacht sei eine besonders schöne Zeit. Wenn diese wie im vergangenen Jahr ausfalle, würden Narren auch richtig leiden: „Man hat sich drauf gefreut, Urlaub ist schon angemeldet und dann findet nichts statt.“ Innerhalb der Schnägge-Gruppe seien zwar Fasnachts-Überlebens-Pakete mit Konfetti, Luftschlangen und Mocken verteilt worden, aber sonst sei alles ausgefallen. Auch Bier habe die Gerstensack-Zunft im Jahr 2021 nicht gebraut.

Zunft-Bier in Bügelflaschen

Aber in diesem Jahr und zum ersten Mal in ganz besonderer Art in 0,33 Liter Bügelflaschen abgefüllt. Im Sechser-Pack stehen sie im Zunftstüble aufgereiht und werden an Gönner und die einzelnen Gruppen der Zunft verteilt. Das ist handfester als Luftschlangen und Mocken, denn jede Gruppe erhält 50 Liter Bier. Gefeiert werde im Rahmen der Möglichkeiten, aber etwas müsse sein.

Das könnte Sie auch interessieren

Für Oberschnägge Adele Platz steht fest: „Am Dunschtig heißt es rein ins Häs und raus ins Dorf.“ Aber die ungewissen Zeiten würden schon an die Nerven gehen, sagt sie als Zunftmeister-Stellvertreterin. Denn im Jahr 2024 feiert die Gerstensack-Zunft ihr 125-jähriges Jubiläum. Und um alles auf den Weg zu bringen, habe die Planung dafür schon 2020 begonnen.