Viele Besucher kommen in der Kirchweihwoche nach Hilzingen, um den weit über die Grenzen des Hegaus hinaus bekannten Kirchweih- und Erntedankschmuck in der Pfarrkirche St. Peter und Paul zu sehen. Das barocke Gotteshaus ist wunderbar geschmückt. Am meisten beeindruckend sind jedoch die großen, von vielen fleißigen Händen über Wochen hin aus Körnern, Gewürzen, Samen und Früchten gestalteten Mosaike vor den Altären. „Gottes weibliches Angesicht“ lautet das Thema der diesjährigen Kirchweih-Mosaike.
Für den einen oder anderen mag dieses Titelthema provokant klingen. Tatsächlich aber lasse sich der weibliche Aspekt in der Bibel belegen und sei theologisch nicht umstritten, sagt Simone Meisel, Gemeindereferentin der Hilzinger Seelsorgeeinheit. Die jetzigen Kirchenweihbilder ergänzten nun die Vorstellung von einem männlichen Gott mit der – biblisch fundierten – weiblichen Seite, erklärt die Gemeindereferentin. Im Prinzip seien sie ein Zwischenschritt dahin, sich kein Bild von Gott zu machen, wie es im Zweiten Gebot stehe.

Hat Gott ein Geschlecht? Diese Frage hat sich vielen wahrscheinlich noch gar nicht gestellt: Das Gottesbild, geprägt durch die Sprache der Liturgie und der Gebete, durch die bildlichen Darstellungen, ist im Allgemeinen männlich: Gottvater, Sohn und Heiliger Geist. Aber zumindest der Heilige Geist weist auf das Weibliche in den Gottesvorstellungen hin: Im hebräischen Urtext sei er weiblich, es gebe Bibelstellen, wo von Gott als Mutter gesprochen wird, erläutert Meisel: „Natürlich hat Gott kein Geschlecht – und er ist auch nicht nur männlich zu denken. In den Kirchweihbildern 2023 wollen wir unseren Horizont öffnen für Gottesvorstellungen, die sich weiterentwickeln dürfen.“
Frühe Kulturen kannten ganz selbstverständlich weibliche Gottheiten. Monotheistische Religionen von Judentum bis Islam integrierten diese weiblichen Vorstellungen teilweise in das Gottesbild. Papst Johannes Paul I. soll es 1978 so formuliert haben: „Gott ist Vater, mehr noch, er ist uns auch Mutter.“ Zudem könne es in der Bibel nachgelesen werden: „Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, nach dem Bild Gottes schuf er ihn, männlich und weiblich schuf er sie.“ Und auch die Dreieinigkeit aus Vater, Sohn und heiligem Geist sei nur auf den ersten Blick ausschließlich männlich: „Im hebräischen Urtext ist der Heilige Geist weiblich: die heilige Ruach“, erklärt die Gemeindereferentin.

Der Idee hinter dem diesjährigen Thema schließt sich die Lehrerin Anna Schneiderheinze an. Sie ist, unterstützt von Karin Häuptle aus dem Kreis der Bilderlegerinnen, gerade in die Fußstapfen von Agnes Weber-Lorenzet getreten und hat die Entwürfe für die diesjährigen Kirchweihbilder skizziert und gemalt. Die Kunsterzieherin Weber-Lorenzet hat diese Aufgabe weit mehr als 50 Jahre mit viel Freude und großer Professionalität ausgeführt. Vergangenes Jahr hat sie sich schließlich aus privaten Gründen ausgeklinkt.
Anna Schneiderheinze ist mit genauso viel Begeisterung dabei. Wie üblich habe man auch das diesjährige Thema gemeinsam im zuständigen Gremium festgelegt. Zu ihm gehören sowohl der Pfarrer und die Gemeindereferentin, als auch Vertreterinnen der Organisatoren und der Mosaiklegerinnen, erzählt die Lehrerin. Sie unterrichtet am Friedrich-Wöhler-Gymnasium in Singen.
Alle fünf diesjährigen Hauptbilder stellten Gott als Frau dar, so Meisel. Jeder, der sie sehe, denke da fast automatisch an Maria, die Mutter Gottes. „Diese wohlvertrauten und gängigen Vorstellungen wollen unsere Kirchweihbilder aufbrechen.“ Und die Betrachter sollen nicht alleine gelassen werden: Neben den Mosaiken stehen Info-Tafeln.

Der Erntedankschmuck in der katholischen Pfarrkirche kann vom Sonntag, 15. Oktober, bis zum Sonntag, 22. Oktober, täglich von 10 bis 18 Uhr besichtigt werden, wenn nicht gerade Gottesdienst gefeiert oder ein Konzert veranstaltet wird.