Luigi Pantisano trifft sich an einem Ort, der nicht für Absichten steht, sondern für Erfolge. Der OB-Herausforderer hat von 2009 bis 2014 im Quartier Berchen/Öhmdwiesen gearbeitet – und auch Leute, die sicher nicht links-grün sind, sagen: Er hat dort Spuren hinterlassen. Also starten die zwei Stunden auf dem Schulhof der Berchenschule.

Er zeigt, was er zusammen mit einigen Mitstreitern in dem Projekt namens Soziale Stadt geplant und organisiert hat, wie sie das Wohnviertel attraktiver gemacht und seinen Bewohnern ein Stück Stolz zurückgegeben haben.
Öffentliche Räume zu gestalten, das ist ein großes Thema entlang des „Grünen Bogen“, der als eine Art Bürgerpark mit kleinen Anziehungspunkten seit dem Projekt Soziale Stadt das Problemviertel von einst über die Riedstraße hinweg attraktiv umfasst. Der heute 41-jährige Architekt und Städteplaner hat ihn mit ins Leben gerufen. Inzwischen hat hier jeder seinen Platz gefunden.
Der so wichtige Berchen-Spielplatz hat Zonen für alle Bedürfnisse und Altersstufen, es gibt gute Plätze für das Picknick mit der Groß- oder Kleinfamilie, es kommt eine Ecke für die Jugendlichen, dann geht es schon weiter zum Jugendtreff mit Skater-Anlage.
Bloß keine Parteipolitik! Lieber sagt Pantisano: „Ich bin Pragmatiker“
Hinter den Rampen und Hindernissen deutet Luigi Pantisano auf eine Laterne, die anders aussieht. Als er im Quartier gearbeitet habe, hätten Jugendliche gefragt, ob man die Skater-Anlage an den kurzen Wintertagen nicht beleuchten könne? Also habe er eine gebrauchte Laterne organisiert, einen Stromanschluss und eine Zeitschaltuhr mit dazu. Sie funktioniere bis heute. „Die Leute sagen immer noch, das ist die Pantisano-Laterne“, kokettiert er. Und er will zeigen: „Ich bin ein Pragmatiker. Kommunalpolitik ist dann gut, wenn sie sich um die kleinen Dinge kümmert. Es geht nicht um die großen Programme.“
Das sitzt doppelt. Es ist erstens ein Hieb gegen Amtsinhaber Uli Burchardt, dem vorgeworfen wurde, Wohnen könne man nur in einem Haus und nicht in einem Handlungsprogramm. Und es ist zweitens eine Spitze gegen diejenigen, die ihn für einen linken Ideologen halten. Sie weist er darauf hin, dass Politik in einer Stadt sich nicht entlang von Parteiprogrammen gestalte. So viel zu seiner aktuellen Mitgliedschaft in der Partei Die Linke und seiner früheren bei den Grünen.
Er wäre der erste linke Oberbürgermeister in Baden-Württemberg
Dazu mal eine Frage: Herr Pantisano, wenn Sie die Wahl gewinnen, wären Sie der erste linke Oberbürgermeister in Baden-Württemberg. Seine Antwort: „Horst Frank war 1996 in Konstanz der erste grüne OB in ganz Deutschland.“
Das alles geht in einem schnellen Gesprächs-Pingpong hin und her, eher heiter als kämpferisch. Luigi Pantisano kann aber auch sehr schnell sehr ernst werden. Er spricht von seinem Engagement gegen Rassismus und erzählt sehr präzise davon, dass und wie er von Rechts drangsaliert und mit dem Tode bedroht wurde. Beirren lasse er sich nicht, weder in seiner Arbeit mit Jugendlichen noch in seinem Glauben an den Wert einer offenen Gesellschaft.
Neben ihm wachsen in den Öhmdwiesen die Wohnblocks in die Höhe. Nirgends in Konstanz erzielt die AfD ähnliche Erfolge wie hier: Bis zu 19,2 Prozent der Stimmen bei der Landtagswahl 2016, mehr als doppelt so viel wie in der Stadt insgesamt. Hat seine Soziale Stadt versagt darin, ein Klima der Vielfalt und Toleranz zu schaffen? Nein, sagt er. Wer wenig hat, hat viel zu verlieren und verteidigt die eigenen kleinen Besitzstände gegen diejenigen, die noch weniger haben. Nicht schön, aber nachvollziehbar.
Er will Tempo 30 – überall in der Stadt
Sprung zurück in den praktischen Alltag. An der Riedstraße sieht er, wie eine ältere Dame sich mit ihrem Handwägelchen hinüber zum Supermarkt müht. Hohe Bordsteine, schnelle Autos, der Umweg zur Fußgänger-Ampel ist zu weit. „Ich bin für viele Zebrastreifen und generell Tempo 30 in der Stadt. Im Verkehr müssen die Schwächsten die stärksten Rechte haben, das sind Fußgänger. Autos haben sich dem unterzuordnen.“ Punkt.
Und wie geht das? Man müsse die Bürger an der Veränderung ihrer Stadt beteiligen. Viele Konstanzer aber fühlten sich eher ausgeliefert, so sein Eindruck aus vielen Gesprächen, die er mit Jungen und Alten, Linken und Konservativen geführt habe. „Scala, Büdingen, Zoffingen: Viele Konstanzerinnen und Konstanzer zunehmend von ihrer Stadt entfremdet.“

Vor der unscheinbaren Tür des von ihm mitbegründeten Quartierstreffs freut er sich, dass es den internationalen Mittagstisch seit zehn Jahren ohne Unterbrechung gibt. In den Gemeinschaftsgärten an der Bahnlinie geht eine Saat auf, die Pantisano mit gelegt hat, und das sind nicht nur Stangenbohnen und Sonnenblumen: „An der Tomate sind alle gleich. Hier wächst Gemeinschaft. Und die Akademikerin kann von einer Analphabetin lernen, die aus ihrer alten Heimat weiß, wie man sich vom eigenen Boden ernährt.“

Die 120 Minuten sind fast vorbei, und Pantisano hat noch gar nicht gesagt, wer das alles bezahlen soll, wie er die wirtschaftliche Basis von Konstanz gestalten will. Im Programm Soziale Stadt löse jeder Euro, den die öffentliche Hand ausgebe, acht Euro private Investitionen aus, erklärt er vor den sanierten, verschönerten und intelligent erweiterten Häusern der Baugenossenschaft Hegau. Und wenn die Stadt investiere, dürfe sie auch Schulden machen.
Eine lebenswerte Stadt für alle – das ist sein Versprechen. Luigi Pantisano wirkt, als sei er nach diesen zwei Stunden erst richtig in Fahrt. Bis 27. September hat er Zeit, gegen teils feindselige Klischees zu kämpfen, die manche Konstanzer aktiv mitzeichnen. Dunkelblaue Hose, hellblaues Hemd. Die Ärmel sind akkurat hochgekrempelt. Vielleicht liegt das auch nur an der Hitze.