Die Nachricht versetzte 196 Menschen in Schockstarre. Am vergangenen Donnerstag wurden die Konstanzer Mitarbeiter von Dr. Kade darüber informiert, dass der Standort bis Ende des Jahres verkauft werden soll. Es gab Instruktionen, nicht in der Öffentlichkeit darüber zu reden. Mehrere Angestellte meldeten sich jedoch beim SÜDKURIER. "Wir waren fassungslos, sprachlos", heißt es. "Fast alle haben geheult, getrauert. Wir haben Kollegen, die seit 35 Jahren bei Dr. Kade arbeiten."

Den Mitarbeitern war bekannt, dass eine externe Beratungsfirma im Hause unterwegs war, um die Wirtschaftlichkeit zu überprüfen. Die Ergebnisse dieser Firma, so spekulieren die Mitarbeiter, münden im Verkauf. Eine Summe nennt die Konzernleitung nicht. Nun geht die Angst um die berufliche Zukunft um, Existenzen stehen auf dem Spiel. "Einer der drei Geschäftsführer, Norbert Marquardt, hat uns eine Präsentation gezeigt und da war ein roter Balken zu sehen, unter dem stand: Standort Konstanz wird verkauft", erzählt eine angestellte Person.

Standort "nicht mehr kosteneffizient zu führen"

Marquardt selbst schrieb in einer Pressemitteilung diese Worte: „Es gilt, das Konstanzer Werk durch den Verkauf als Pharmastandort zu sichern und möglichst viele der rund 200 Arbeitsplätze zu erhalten.“ Die Produktion an dem Standort sei zuletzt nicht hoch genug ausgelastet gewesen. Das Berliner Werk werde für die Herstellung und Qualitätskontrolle weiter ausgebaut. Der zweite Produktionsstandort in Konstanz solle bis Ende des Jahres verkauft werden. Geplant sei, dass Dr. Kade aus dem Konstanzer Werk weiterhin Fertigware beziehe und neue Produkte durch den Käufer hinzukommen würden.

Die Firma wurde 1886 in Berlin gegründet, wo heute noch der Hauptsitz ist. Sie ist seither in Familienbesitz. Der Standort Konstanz kam 1962 hinzu. 2016 hatte Dr. Kade einen Jahresumsatz in Höhe von 120 Millionen Euro zu verbuchen. Die Geschäftsführer Annett Schubert, Felix König und Norbert Marquardt sprechen von einer schwierigen Entscheidung, die aber einstimmig ausgefallen sei. Marquardt war zuvor Geschäftsführer der Salutas Pharma GmbH mit Hauptsitz Barleben. Salutas-Mutterkonzern Sandoz kündigte im Mai 2015 die Streichung von fast 300 Arbeitsplätze in seinem Verpackungswerk in Gerlingen bei Stuttgart an. Die meisten davon wurden Ende 2016 arbeitslos oder wechselten in eine Transfergesellschaft. Am Markt für patentfreie Arzneimittel sei der Standort „nicht mehr kosteneffizient zu führen“, hieß es in einer Pressemitteilung. Es gab Versuche, ein anderes Unternehmen zur Übernahme zu bewegen – vergeblich.

OB Uli Burchardt suchte das Gespräch mit der Kade-Geschäftsführung. Danach schrieb der dem SÜDKURIER diese Zeilen: "Die unternehmerische Entscheidung der Dr. Kade GmbH, alle Funktionen des Unternehmens am Berliner Firmensitz zu bündeln, muss die Stadt aktzeptieren. Wir bedauern diese Entscheidung ... Wir begrüßen es, dass die Unternehmensleitung das Ziel vorgegeben hat, durch den Verkauf viele der rund 200 Arbeitsplätze zu erhalten ... Wir sind bereit, es bei den Bemühungen zu unterstützen. Ich bin mit der Geschäftsleitung in engem Austausch. Sie hat mir gegenüber erläutert, dass es sich bei der beabsichtigten Änderung um eine rein strukturelle Entscheidung handelt, die mit Konstanz nichts zu tun hat."

Dr. Kade

Der Gesamtumsatz im Geschäftsjahr 2015/16 betrug 126 Millionen Euro, davon wurden 87 Prozent in Deutschland erwirtschaftet. Von den 400 Mitarbeitern sind 196 in Konstanz beschäftigt. 44 Prozent des Gesamtumsatzes entfällt dabei auf nicht verschreibungspflichtige Medikamente zur Selbstmedikation. Seit der Gründung 1886 ist das Unternehmen im Besitz der Familie Lutze-Sackler. Auf der Homepage heißt es unter anderem: "Ob im Umgang mit unseren Mitarbeitern ... Verantwortung ist für uns gelebtes Engagement – in und für die Gesellschaft."