Wo heute zig tausende Fahrzeuge die Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz überqueren, steht vor 25 Jahren ein Provisorium. Und es steht bis heute. Im Tägermoos beginnen 1998 die Bauarbeiten zur großen Gemeinschaftszollanlage (GZA), im Jahr 2000 wird sie eröffnet. Doch eigentlich soll sie nur auf Zeit in Dienst gestellt werden. Allerdings sollte alles anders kommen.
Der SÜDKURIER titelte bei der Eröffnung „Großer Grenzverkehr im Paradies“. Dass es sich lediglich um eine Lösung auf Zeit handeln könnte, wird in der damaligen Berichterstattung deutlich: „Das 32 Millionen Franken teure Bauwerk ist ‚recyclebar‘, sollte die Schweiz in absehbarer Zeit der EU beitreten.“
Und weiter: „Doch angesichts der bis 2010 für die Konstanzer Grenzübergänge prognostizierten Verkehrszahlen von 43.000 Fahrzeugen (davon 3200 Lastwagen) pro Tag, sind sowohl der Zollhof als auch die ebenfalls fast vollendeten Netzergänzungen ein Durchbruch zur innerstädtischen Verkehrsentlastung der beiden Nachbarstädte Konstanz und Kreuzlingen.“ Wie wir heute wissen, wurde aus dem damals vermuteten EU-Beitritt der Schweiz nichts.
Wegen möglichem EU-Beitritt als Provisorium geplant
Auch Karin Junkersdorf, Leitung des Zollamts Konstanz-Autobahn, muss heute lachen, wenn sie von der Gemeinschaftszollanlage als Übergangslösung spricht. „Ja, es war ursprünglich als Provisorium für fünf Jahre geplant, also nur vorübergehend – weil man dachte, die Schweiz kommt auch in die EU. Aber weit gefehlt“, sagt sie schmunzelnd.
Die Anlage selbst ist laut Sonja Müller, Pressesprecherin des Hauptzollamts Singen, komplett auf Schweizer Hoheitsgebiet – dem Tägermoos – gebaut. „Wir setzen hier also nationales, deutsches Recht auf Schweizer Terrain durch“, sagt Müller.

Oliver Wulf, Abfertigungsleiter Ausfuhr und Vertreter der Leitung des Zollamts Konstanz-Autobahn, fügt hinzu: „Das ist eine eigenartige Konstruktion, die gibt es so bundesweit nicht.“ Außer einmal genau umgekehrt: Die Gemeinschaftszollanlage bei Waldshut befindet sich auf deutschem Gebiet, hier setzen die Eidgenossen Schweizer Recht auf deutschem Gebiet durch.
Etwa 1000 Lastwagen fahren am Tag hier durch
Zu den Aufgaben der Zollverwaltung gehören die Abfertigung, die Verzollung, die Abwicklung der elektronischen Anmeldung von Waren sowie die Kontrolle und Überwachung hinsichtlich verbotener Waren. Das Ganze muss jeweils ziemlich schnell gehen, um den zügigen Warenfluss zu gewährleisten.
Dabei fahren laut Karin Junkersdorf ungefähr 1000 Lastwagen am Tag „rein und wieder raus“. Diese kämen dabei von überall her: Schweiz, Italien, der Türkei oder sogar aus noch weiter entfernten Ländern. Geladen haben sie meistens verschiedene Materialien für die Industrie und das Baugewerbe, Metall, Schüttgut, Maschinenanlagen, Abfall und auch oft Fahrzeuge oder Boote.
Von antiken Degen über Oldtimer bis zu Luxusuhren
Immer wieder kommt es aber natürlich auch vor, dass verbotene, falsch gekennzeichnete oder nicht angemeldete Gegenstände die Grenzen passieren sollen. Sonja Müller nennt einige Beispiele: So zogen die Zöllner im Januar zwei ferngesteuerte Spielzeugpanzer mit Schussfunktion aus dem Verkehr. Sie verfügten über keine CE-Kennzeichnung. Einen Monat zuvor war den Zöllnern ein riesiges Paket mit fast 600 Feuerwerkskörpern ins Netz gegangen. Brandgefährlich – denn bei dem Gefahrgut ohne entsprechende Kennzeichnung handelte es sich um 1,5 Kilogramm reine Explosionsmasse.
Weitere spektakuläre Funde: Ein Paket mit 10.000 gefälschten Netzadaptern ohne CE-Kennzeichnung, ein Oldtimer im Wert von 240.000 Franken, acht Luxusuhren im Wert von insgesamt 183.000 Euro, Nahrungsergänzungsmittel für 42.000 Euro, ein über 70 Kilogramm schwerer Sack voller Kaffeebohnen, eine Lieferung von Handys und Tablets mit einem Warenwert von 120.000 Euro, 53 Kilogramm Marihuana, mehrere antike Degen, eine geschmuggelte, teure Mandoline, Wasserpfeifentabak, Waffen, Bargeld, Drogen und – besonders fragwürdig – wilde Tiere oder exotische Pflanzen.

Eine besondere, allerdings ordnungsgemäße Abfertigung ereignete sich erst vor Kurzem: Dabei wurden neun kleine Pinguine aus einem Schweizer Zoo in einen Tierpark nach Mecklenburg verlegt. Die kleinen Kerle wurden dabei in einer großen, mit Stroh ausgekleideten Holzkiste transportiert.

Wie sieht die Zukunft aus?
Und wie geht es weiter bei der GZA? Karin Junkersdorf sagt: „Hier ist alles ständig in Bewegung, der Job ist vielfältig.“ Sonja Müller sagt mit Blick in die Zukunft und sich stetig ändernde Zölle – auch durch die neue Trump-Regierung: „Wir hängen an der politischen Ausrichtung und der Beziehung der EU. Es ist immer spannend und abwechslungsreich.“ Ein großes Thema sei wie überall außerdem die Digitalisierung und das (mangelnde) Personal.
Probleme bereitet aber inzwischen auch die bauliche Substanz der 25 Jahre alten Anlage. „Das Gebäude war für 20 Jahre ausgelegt“, sagt Karin Junkersdorf. „Im kommenden Jahr stehen Ausbesserungsarbeiten an.“ Es ist wohl ganz normal, dass bei einem ewigen Provisorium, das in diesem Jahr Jubiläum feiert, so langsam der Putz bröckelt.