Bisher war es Schweizer Kunden möglich, für einen Wert von bis zu 300 Schweizer Franken in Deutschland einzukaufen, ohne dass die Schweiz darauf eine Mehrwertsteuer erhob. Seit Januar 2025 liegt die Freigrenze nun bei 150 Schweizer Franken. Wie wirkt sich das auf das Einkaufsverhalten der Nachbarn in Konstanz aus, immerhin eine der beliebtesten Einkaufsstädte direkt jenseits der Schweizer Grenze? Seit knapp einem Monat gilt die Regelung.
Die Anfrage bei Händlern und Kunden ergibt: Es ist alles eine Frage der Perspektive. Daniel Hölzle, Vorsitzender des Vereins Treffpunkt Konstanz, ist kein Freund der Herabsetzung der Freigrenze. „Die neue Freigrenze bedeutet vor allem einen Mehraufwand“, sagt er. Gemeint ist, dass ein Schweizer Kunde, der für mehr als 150 Franken eingekauft hat, den Ausfuhrschein beim Schweizer Zoll vorlegen muss, um zu errechnen, ob für den entsprechenden Betrag die Schweizer Mehrwertsteuer anfällt oder nicht. Das kostet naturgemäß Zeit. „Alles, was bremst, mindert das Einkaufsvergnügen und deshalb halten wir es für schlecht“, sagt er.
Steuer vor allem lästige Formsache
Bei Schweizer Kunden sei die neue Freigrenze durchaus ein Thema. Es werde bewusst auf den Einkaufswert geguckt. Wenn dieser deutlich über dem Freibetrag liege, versuchten Kunden, diesen auf zwei Personen aufzuteilen. „Damit ist es einfacher, die Formalitäten zu erledigen.“ Kunden, die für einen höheren Betrag eingekauft haben, müssten längere Wartezeiten am Schweizer Zoll in Kauf nehmen. „Wir hoffen allerdings, dass die Prozedur mit der geplanten App wieder einfacher wird“, ergänzt Hölzle.
Ottmar Zwicker, Inhaber zweier Filialen des Modegeschäfts Zwicker, sieht das Thema gelassen. Der vorrangige Grund, nach Konstanz zu kommen, um hier zu bummeln und einzukaufen, sei das Einkaufserlebnis und „weil das Angebot super ist“. Der Preisvorteil bestehe nach wie vor für Schweizer Kunden, der einzige Unterschied sei, dass sie jetzt bereits bei einem geringeren Betrag die Schweizer Mehrwertsteuer von acht Prozent entrichten müssten. „Wir reden von einem Betrag von 16 bis 17 Franken. Ich halte das Thema für ein wenig hoch gehängt.“
Weniger Kunden – aber sie kaufen!
Peter Kolb, Inhaber des Sportgeschäfts Gruner in Konstanz, beobachtet zwei Tendenzen in diesem Januar: „Wir haben eine geringere Kundenfrequenz in unserem Haus, das können wir messen“, sagt Kolb. Dafür sei aber die sogenannte „Conversionrate“ gestiegen; das heißt, dass die Kunden, die da seien, auch etwas kaufen.
Eine genaue Analyse der Gründe könne er zum jetzigen Zeitpunkt natürlich nicht liefern. Möglich sei, dass Konstanz als Einkaufsstadt im Moment erfolgreich sei, Spontanreisende, die keinen gezielten Einkaufswunsch hätten, aber eher fernblieben. Wie stark sich die neue Freigrenze auswirke, könne er nicht sagen. „Wenn wir als Händler punkten wollen, geht es um Preis, Auswahl und Einkaufsflair“, ist Kolb sicher. Jede Veränderung allerdings werde vom Kunden erst einmal als negativ wahrgenommen. Auch Kolb verweist auf den Aufwand, den Schweizer nun damit hätten, einen Einkauf über der Grenze zu versteuern.
Das sagen die Betroffenen
Und was sagen die Schweizer selbst? Dominik Nunes hat mit Frau und Kind im Edeka Einkaufscenter eingekauft. „Wir sind zu Besuch bei der Familie und haben jetzt für ein gemeinsames Essen eingekauft“, sagt er. Die 150-Franken-Freigrenze betreffe sie daher nicht, weil sie die meisten Lebensmittel in der Schweiz einkauften.
Marlene Albert lebt mit ihrem Sohn in Tägerwilen und hat im Drogeriemarkt eingekauft. „Mich beeinflusst die neue Freigrenze nicht“, sagt sie, „ich fände es noch besser, wenn sie noch niedriger wäre.“ Marlene Albert stört der Rückstau an der Grenze, wenn sie ihre Familie in Konstanz besuchen will. Der Einkaufstourismus über die Grenze hinweg hat aus ihrer Sicht zu große Dimensionen angenommen.
Antonella Matucci aus Lotzwil hat bei Karstadt eine Jeans eingekauft, der Preis liege aber deutlich unter 150 Franken. „Wenn ich eine Lederjacke sehe, die ich toll finde, dann kaufe ich sie auch und versteuere sie eben“, sagt sie. Deshalb stört sie die neue Freigrenze nicht. Sie kaufe in der Regel einige Waren aus dem Drogeriemarkt in Deutschland und andere Kleinigkeiten, alles andere erwerbe sie in der Schweiz.
Ins Kino nach Konstanz, zum Einkauf nach Singen
Meret Robe und Markus Burger kommen aus Winterthur gelegentlich gern nach Konstanz und genießen hier vor allem Kultur und Unterhaltungsangebote. „Für einen Kinobesuch ist Konstanz toll und es ist mit dem Zug gut zu erreichen“, sagt Meret Robe. Einkäufe erledigten die beiden lieber in Singen. Bisher seien sie dabei aber immer unter der 150-Franken-Grenze geblieben.+
Jasmin und ihre Mutter Monika Schnegg, beide aus Schaffisheim im Aargau sind aus einem besonderen Anlass nach Konstanz gekommen. Jasmin Schnegg heiratet im Mai, jetzt sucht sie nach einem Hochzeitskleid. In Konstanz würden in einem Geschäft Brautkleider gebraucht angeboten, die nach dem Anlass auch wieder verkauft werden könnten.
„Das passt mir gut im Sinne der Nachhaltigkeit“, sagt Jasmin Schnegg. „Außerdem ist es günstiger, das teuerste Kleid dort kostet etwa 2000 Euro.“ Dass sie mit diesem Einkauf über der Freigrenze liegt, weiß die junge Frau natürlich. „Das ist es mir zu dem Anlass wert.“ Mit ihrem Partner sei sie öfter in Deutschland zum Einkauf unterwegs, sagt Jasmin Schnegg noch, meist allerdings im nahen Laufenburg. Gemeinsam dürften sie dann für 300 Franken einkaufen, ohne den Wert versteuern zu müssen – diese Grenze erreichten sie so gut wie nie.