Altkanzlerin Angela Merkel hat sich von der Praxis des unionsgeführten Innenministeriums distanziert, bei Grenzkontrollen Asylsuchende zurückweisen zu lassen. „Wenn jemand hier an der deutschen Grenze sagt „Asyl“, dann muss er erstmal ein Verfahren bekommen. Meinetwegen direkt an der Grenze, aber ein Verfahren“, sagte die Christdemokratin bei einem Treffen mit ehemaligen Flüchtlingen. „So habe ich das europäische Recht verstanden.“

Das Treffen wurde vom WDR organisiert und gefilmt. Aus der Sendung „10 Jahre danach: Geflüchtete im Gespräch mit Angela Merkel“ zeigte das ARD-„Morgenmagazin“ bereits Ausschnitte.

Ähnlich wie Merkel hat auch das Verwaltungsgericht Berlin geurteilt, das in einem konkreten Fall dreier aus Polen eingereister Somalier deren Zurückweisung bei einer Kontrolle am ersten Bahnhof hinter der Grenze für rechtswidrig erklärt hat. Das Innenministerium von Alexander Dobrindt (CSU) wertet das jedoch als Einzelfallentscheidung und hält an der Praxis fest.

Frei bekräftigt Regierungsauffassung

Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) bekräftigte im „Morgenmagazin“ die Auffassung der Regierung. „Zunächst einmal steht im Artikel 16a des Grundgesetzes, auch im Paragraf 18 des Asylgesetzes etwas anderes. Und auch der Sache nach muss man sagen: Wenn jemand irgendwo in Europa bereits Asyl bekommen hat, wenn jemand durch sichere Länder in Europa zu uns gekommen ist, dann haben wir es natürlich mit niemandem zu tun, der auf der Flucht ist, sondern dann haben wir es mit Menschen zu tun, die aus sicheren Ländern kommen.“

Bild 1: Merkel kritisiert Asyl-Zurückweisungen: Frei kontert!
Bild: Michael Kappeler

Merkel warnte davor, sich in der Migrationspolitik von der AfD treiben zu lassen. „Ich kann nicht immer nur über die AfD sprechen und deren Tagesordnung aufnehmen. Sondern ich muss auch die Tagesordnung aufnehmen von all denen, die sagen: Ja, wir müssen die Zahl der illegalen Migration reduzieren, aber wir müssen trotzdem auch unsere Werte weiter vertreten.“

Merkel für Durchsetzung von Ablehnungen

Die Altkanzlerin machte zugleich deutlich, dass Ablehnungen von Asylgesuchen und Abschiebungen auch durchgesetzt werden müssten. Wenn jemand nicht bleiben könne, „dann muss der deutsche Staat in der Lage sein, dafür auch eine Lösung zu finden und den Menschen dann, wenn es geht, wieder in das Heimatland zurückzuführen“. Denn wozu gebe es Anerkennungsverfahren, wenn zum Schluss doch jeder einfach bleibe. „Das ist hart, aber das müssen wir durchsetzen.“ Sie finde es auch richtig, dass versucht werde, wenn jemand kriminell geworden sei, ihn etwa auch nach Afghanistan zurückzubringen.

Frei verteidigte Merkels auch unionsintern viel kritisierten Satz „Wir schaffen das“ aus der Flüchtlingskrise von 2015. Er ordnete ihn aber in die damalige Zeit ein. „Wenn eine Regierungschefin sagt „Wir schaffen etwas“, dann ist das eine richtige Einstellung. Denn das darf man von einer Regierung verlangen, dass sie den Kopf nicht in den Sand steckt, sondern mit den Herausforderungen umgeht“, erklärte er im „Morgenmagazin“.

„Aber tatsächlich haben sich die Zeiten natürlich verändert“, sagte Frei. „Wir haben schon 2019 also noch in der Regierungszeit von Angela Merkel ein großes Migrationspaket geschnürt, wo auch ein Rückführungsverbesserungsgesetz drin war. Also es ist jedenfalls vollkommen klar, dass wir mehr zu Ordnung, mehr zu Steuerung und vor allem zur Begrenzung von Migration tun müssen.“ (dpa)