Neues Jahr, neues Glück. Oder für Schweizer doch eher Pech? Denn bislang durften sie in Deutschland eingekaufte Ware bis zu einem Wert von 300 Franken pro Person und Tag steuerfrei in die Schweiz einführen. Die Freigrenze wurde allerdings mit Beginn des neuen Jahres auf 150 Franken herabgesetzt. Und das könnte Folgen für den Handel im Grenzbereich haben, auch in Singen. Immerhin sagt eine Studie der Industrie- und Handelskammer (IHK), dass die Schweizer Kundschaft rund 50 Prozent des Umsatzes in der deutschen Grenzregion ausmacht.
Nach Angaben des Schweizer Zolls will die Schweiz mit der neuen Regelung den Einkaufstourismus reduzieren. Wie kommen die Schweizer Kunden damit zurecht? Und wie wirkt sich diese Änderung auf den Handel im Hegauer Grenzgebiet aus?
Schweizer Kunden sind positiv gestimmt
Entgegen der verbreiteten Annahme, die Gesetzesänderung sorge für Unmut, ergibt eine stichprobenartige Umfrage in Singen, dass die befragten Schweizer Kunden kein Problem mit der halbierten Freigrenze haben. Hedwig Fontana zeigt sich beispielsweise unbeeindruckt. Sie kommt nach eigenen Angaben aber auch täglich nach Deutschland zum Einkaufen: „Ich verstehe nicht, warum viele so ein Drama machen. Wenn ich die 150 Franken mal überschreite, zahle ich eben die Steuern – das ist dann so.“ Das komme sowieso selten vor, da ihr Fokus nicht auf Großeinkäufen liege.
Roelinka Heij kauft in Deutschland nur spezifische Waren ein, wie sie schildert, beispielsweise Büromaterialien und Dekoration. „Ich komme gut mit der neuen Regelung zurecht, mich stört das eigentlich überhaupt nicht“, sagt die Schweizerin.
Josef Würms aus Ramsen kauft in der Regel in der Schweiz ein und kommt nur für Heimwerker-Produkte über die Grenze, wie er erzählt. Doch auch er hat eine klare Meinung zur herabgesetzten Freigrenze – er sieht sie als Schritt in Richtung Fairness: „Ich finde es nicht gerecht, dass Schweizer in Deutschland steuerfrei einkaufen können, Deutsche aber in der Schweiz nicht.“
Diese Auswirkungen erwartet der Handel
Auch die Verantwortlichen für den Handel im Grenzgebiet sehen die neue Regelung eher gelassen. Laut Alexander Kupprion, Geschäftsführer von Sport Müller und Vorstand des City Ring Singen, klingt die Halbierung der Freigrenze schlimmer als sie letzten Endes sei. Wenn dann bekämen die Lebensmittelläden die Gesetzesänderung zu spüren, vermutet er.
Noch im Herbst gingen Vertreter des Handels davon aus, dass der Anreiz für eine Shoppingtour der Schweizer Kunden in Singen geringer werde und gerade höherpreisige Produkte vom halbierten Wert der Freigrenze betroffen seien. Doch laut Kupprion sei die Freigrenze in der Branche der Sportgeschäfte sowieso recht schnell überschritten – egal ob 150 oder 300 Franken. Sein Geschäft sei nach eigenen Angaben ohnehin auf deutsche Kunden ausgerichtet, die Schweizer sieht er als „On-top-Geschäft“.
Kommen Kunden jetzt öfter?
Das Singener Einkaufszentrum Cano hingegen rechnet mit einem veränderten Einkaufsverhalten der Schweizer Kundschaft. Laut dem neuen Center-Manager Berat Ahmetoglu deuten die bisherigen Analysen und Umfragen darauf hin, dass viele Kunden ihren Warenwert entsprechend anpassen könnten. „Gleichzeitig erwarten wir eine potenzielle Steigerung der Besucherhäufigkeit, da insbesondere Familien von der neuen Regelung profitieren könnten – beispielsweise, indem eine vierköpfige Familie bis zu viermal von der Freigrenze Gebrauch macht“, so Ahmetoglu.
Denn die Regelung greift pro Kopf pro Tag. Wer also zu viert nach Deutschland zum Einkaufen kommt, kann Waren im Wert von 600 Euro steuerfrei über die Grenze bringen.
Doch diese Annahmen basierten lediglich auf Umfragen in der täglichen Kommunikation mit den Kunden, wie der Center-Manager betont. Wie sich das Kaufverhalten tatsächlich entwickelt, werde erst im Verlauf des Jahres genauer zu beobachten sein.
„Leider ist es noch zu früh, um abschätzen zu können, wie sich die erst seit Neujahr geltende Regelung in der Praxis auswirkt. Dies wird sich im Normalfall erst nach einigen Wochen zeigen“, sagt auch der Wirtschaftsförderer der Stadt Singen, Oliver Rahn. Rahn geht davon aus, dass es Auswirkungen geben wird, sich diese aber wegen des attraktiven Angebots des Einkaufsstandorts in einem überschaubaren Rahmen bewegen werden.
Ob diese allgemein positive Stimmung der Schweizer Kunden und deutschen Händler anhält, wird sich zeigen.