Computer können eben doch nicht alles. 40 000 Rechenoperationen hat ein spezielles Programm durchgeführt. Hier den Rumpf etwas flacher und hier etwas steiler konstruiert, die Bug- und Heckwelle vorausberechnet, für das neue Fährschiff die Form jenes Teils kalkuliert, den die Passagiere nie sehen und der doch so wichtig ist. Und am Ende haben sie doch ein Modell gebaut, erzählt Stefan Ballier, der Leiter des Fährbetriebs bei den Konstanzer Stadtwerken.
Wie ein kleines Modell große Erkenntnisse bringt
Was im Moment von dem neuen Schiff zu sehen ist, ist 16-mal kleiner als das Original. Dann haben Experten dieses Modell unter eine Art Eisenbahnwagen gespannt und durch einen Kanal gezogen, das Wellenbild gefilmt. Ganz zum Schluss haben die Fachleute in der Schiffsversuchsanstalt in Potsdam dann das ganz krasse Gegenprogramm zum Computer durchgezogen: Sie haben Farbstreifen auf das Modell gemalt, es ins Wasser gesetzt und am Farbverlauf erkannt, wie die echten Strömungsverhältnisse aussehen. Das ist wichtig, weil von ihnen maßgeblich abhängt, wie viel Treibstoff das Schiff verbraucht, wie teuer es also im täglichen Linienbetrieb ist.
Wie das mit dem Bau in Hamburg funktionieren soll
Stefan Ballier wirkt zufrieden, wenn er über das größte Vorhaben seines Fährbetriebs spricht. Denn auch der Auftrag für das 14. Schiff, das die Stadtwerke Konstanz für die Linie zwischen Meersburg und Staad in knapp 90 Jahren bauen lassen, ist vergeben. Die Hamburger Traditionswerft Pella Sietas hat den Auftrag erhalten, am Ende waren noch vier Bieter im In- und Ausland im Rennen. Damit ist klar: Das Schiff kommt von der Elbe. Dort wird es weitgehend montiert und dann in Teilen nach Fussach transportiert. Mitarbeiter der Bauwerft setzen es in der einzigen Werft am Bodensee, die dafür groß genug ist, zusammen. Dass das funktioniert, ist sich Fähre-Chef Ballier sicher: "Ich bin überzeugt, dass wir für unser neues Fährschiff eine sehr gute Werft gefunden haben, die das Projekt mit sehr viel Können und Herzblut umsetzen wird." Der Zeitplan sieht vor, dass das Schiff 2020 in Dienst gestellt wird.

Was sich für die Fahrgäste mit dem neuen Schiff ändert
Für die Fahrgäste wird sich dann auch etwas ändern. Weil das neue Schiff fast doppelt so viele Autos transportieren kann wie die "Fontainebleau" (sie wird ausgemustert), steigen die Kapazitäten, und im besten Fall sinken die Wartezeiten weiter. Erstmals hat ein Fährschiff im Oberdeck mit Bistro und Aufenthaltsraum auch eine Klimaanlage. Denn durch den neuartigen Gasmotor, für den der Treibstoff eiskalt wie in riesigen Thermoskannen an Bord gelagert wird, steht als Restprodukt kalte Luft zur Verfügung. Dass die Fähre wegen der neuen Technik besonders häufig ausfallen könnte, müssen die Kunden laut Stefan Ballier nicht befürchten: Die MTU Friedrichshafen baut im Rahmen des Pilotprojekts nicht nur die zwei Motoren für das Schiff selbst, sondern zusätzlich ein drittes Aggregat, das im Notfall schnell eingebaut werden kann – in jenen Rumpf, der mit Computertechnik und am Modell gewissermaßen von Hand so konstruiert wurde, dass der Treibstoffverbrauch rund ein Drittel unter dem der "Lodi", dem derzeit jüngsten Schiff in der Flotte, liegen soll.
Mit Gasantrieb über den Bodensee – ein anspruchsvolles Projekt
Der Gas-Direktantieb ist für eine Fähre dieser Größe eine Pionierleistung. Die neue Fähre für die Linie Konstanz-Meersburg wird nicht das erste Schiff dieser Größe mit Gasmotor sein. Eine Besonderheit ist aber, dass die Gasmotoren ihre Leistung direkt auf die Voith-Schneider-Propeller übertragen und nicht mit einem zwischengeschalteten Stromgenerator und einem Elektro-Fahrmotor. Das ist auf einem Binnengewässer laut Stadtwerke europaweit eine Neuheit. Die Technik kommt von MTU Friedrichshafen und ist auch für das Unternehmen ein Vorzeigeprojekt.
Wegen der großen Gasvorräte an Bord gelten hohe Sicherheitsstandards. Angetrieben wird die Fähre mit LNG (Liquefied Natural Gas, verflüssigtes Erdgas). Gegenüber dem bekannten Propan-Butan-Gemisch in Gasflaschen ist es weniger explosiv und wird auch nicht durch extremen Überdruck, sondern durch Kälte (minus 162 Grad) verflüssigt. Dennoch muss die neue Fähre gegenüber der "Lodi" in der Konstruktion angepasst werden, unter anderem mit besonderen Notausstiegen und einer anderen Löschanlage im Maschinenraum unter dem Fahrbahndeck.
Die neue Fähre wird wegen ihres riesigen Kamins sofort erkennbar sein. Auf dem Dach der neuen Fähre wird in der Mitte ein acht Meter hoher Kamin für ein besonderes Erscheinungsbild sorgen. Er wird nicht für die (vergleichsweise sehr sauberen) Abgase des Motors benötigt. In bestimmten Fällen muss aus den Tanks und Leitungen eine Restmenge von Erdgas abgegeben werden. Damit das Gas keine Zündquelle erreichen kann, muss es in großer Höhe und mit viel Sicherheitsabstand zu Motoren, Passagieren und Fracht in die Luft entlassen werden.
Das neue Schiff könnte auch mit Biogas aus erneuerbaren Quellen fahren. Zum Start wird die neue Fähre mit verflüssigtem Erdgas betrieben – die Vorräte an Bord sind so groß, dass nur alle sechs bis sieben Tage getankt werden muss. Nach Aussage der Stadtwerke käme auch Biogas aus der Region oder eine Mischung aus Erd- und Biogas in Frage. Im Moment ist aber nicht klar, wer regional solche Mengen verflüssigtes Biogas zum Beispiel aus Ackerpflanzen liefern kann. Die Option wollen sich die Stadtwerke aber auf jeden Fall offenhalten.