Eine Entscheidung über die Köpfe der Menschen hinweg; nicht durchdachte Änderung; auf Kosten älterer Menschen entschieden. Diese und weitere Vorwürfe äußern Anwohner aus der Umgebung der Markgrafenstraße, seit bekannt ist, dass die Buslinie 6 dort ab Freitag, 1. März, nicht mehr halten wird.
Auf Anfrage des SÜDKURIER erklärten die Stadtwerke Konstanz zuvor, die Verlegung der Linie 6 in Richtung Reichenaustraße sei aus Gründen der Verkehrssicherheit – insbesondere für Fahrradfahrer – unumgänglich. Sie dulde auch keine Verschiebung bis zum regulären Fahrplanwechsel Ende des Jahres.
Stadtwerke-Pressesprecher Josef Siebler betont nun noch einmal: "Wir möchten verhindern, dass ein schwerer Unfall geschieht. Unsere Busfahrer haben uns mehrfach auf extrem kritische Situationen an den Kreuzungen hingewiesen. Es wäre unverantwortlich, darauf nicht zu reagieren."
Die Fraktion der Freien Grünen Liste (FGL) bezeichnet die Begründung als "fadenscheinig, da in anderen Städten Busse sogar durch belebte Fußgängerzonen fahren". In einem Brief an Oberbürgermeister Uli Burchardt, in dem die Fraktion darum bittet, das Thema im Gemeinderat zu behandeln, heißt es: "Wenn man mehr Menschen dazu bringen möchte, den Bus zu nutzen, sollte man aus Sicht der FGL die Bedingungen vereinfachen und nicht verschlechtern."
Eine Anwohnerin sagt: Sicherheit ja, aber doch nicht auf Kosten älterer Menschen
"Sicherheit geht vor – natürlich, aber doch nicht auf Kosten der älteren Generation", meint auch Cornelia Menrad, die in der Von-Emmich-Straße parallel zur Makrgrafenstraße wohnt.
Hier wohnen so viele ältere, teils auch gehbehinderte Menschen", berichtet sie über ihre Nachbarschaft, "Fahrradfahrer sind doch beweglicher als Menschen mit Rollator". Sie selbst sei mit dem Rad oder zu Fuß unterwegs und nehme "selbstverständlich Rücksicht auf Busse".
Sie habe sich bereits bei den Stadtwerken beschwert, denn "der öffentliche Nahverkehr sollte doch für Menschen ohne Auto oder Fahrrad besonders gut funktionieren", stellt sie fest. Laut Josef Siebler von den Stadtwerken seien bislang drei Reaktionen aufgrund der Änderung eingegangen.
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Eine weitere Anwohnerin würde sich von den Stadtwerken ein Überdenken der Pläne wünschen
Ähnlich wie Cornelia Menrad äußert sich Rosi Bamberg, die "mit großer Bestürzung und noch größerer Verärgerung" vom Wegfall der Bushaltestellen Tenbrink- und Markgrafenstraße gelesen habe. Auch sie wohnt in der von-Emmich-Straße und führt aus: "Das ist wieder mal eine Entscheidung über die Köpfe der Menschen hinweg, ohne näher darüber nachzudenken."
Die neue Linienführung treffe besonders ältere Menschen wie sie, die auf den Bus angewiesen seien. "Die nächstgelegenen Haltestellen der Linie 6 in der Reichenaustraße sind doch entsprechend weit weg, wenn man zum Beispiel gehbehindert ist." Statt der beiden Haltestellen in der Markgrafenstraße fährt die Linie 6 künftig die Stationen Am Rheinufer und Ebertplatz (diese nur stadtauswärts) an.
Rosi Bamberg würde sich wünschen, dass die Stadtverwaltung "auch mal über das Wohlbefinden der älteren Gesellschaft nachdenken würde, und diese Verbindung überdenken würde". Dies vor dem Hintergrund, dass die Stadtwerke vollständig im Eigentum der Stadt sind.
SPD-Stadtrat Weber: Stadtwerke spielen zwei umweltfreundliche Verkehrsmittel gegeneinander aus
Auch SPD-Stadtrat Herbert Weber – er hatte die Pläne zur Änderung des Linienverlaufs bereits vor der endgültigen Entscheidung kritisiert – reagiert "verwundert, dass die Stadtwerke nun die umweltfreundlichen Verkehrsmittel Bus und Fahrrad gegeneinander ausspielen", da sie sich bislang "als Anbieter und Förderer umweltfreundlicher Mobilität gesehen" habe.
Könnte die Nutzung der Bedarfsampel in der Petershauser Straße für mehr Verkehrssicherheit sorgen?
Herbert Weber ist der Auffassung, die Verkehrssicherheit könne auch mit der bestehenden Linienführung verbessert werden: zum Beispiel durch die Nutzung der Bedarfsampel in der Petershauser Straße zur Erleichterung der Einfahrt der Busse in die Markgrafenstraße.
"Mit vertretbarem Aufwand", so Weber, müsse es möglich sein, diese Ampel an ein System anzuschließen, das Busfahrern die Steuerung der Rot-Grün-Phasen ermöglicht. An anderen Standorten im Stadtgebiet gibt es diese Möglichkeit bereits. Aus Sicht der Stadtwerke, so ihr Sprecher Josef Siebler, brächte dies keine wesentliche Verbesserung. "Es kommt auch an der Reichenaustraße zu vielen kritischen Situationen, obwohl es eine ampelgesteuerte Kreuzung ist", erklärt er.
Den scheidenden Stadtrat Weber ärgert zudem, dass "wir viel Geld für eine Fahrgastbefragung und Studien ausgeben, aber nicht einmal die Ergebnisse abwarten". Der Technische und Umweltausschuss hatte im Herbst 2018 für den aktuellen Doppelhaushalt insgesamt 200.000 Euro für eine Überprüfung des Stadtbusnetzes bewilligt.