Machen Verwaltung und Gemeinderat den zweiten Schritt vor dem ersten? Die Einzelhändler befürchten dies. Sie betonen nachdrücklich, dass auch sie sich eine Entlastung der Innenstadt vom Verkehr wünschen. Die „Tore der Stadt“ – Döbele, Brückenkopf Nord und Hauptzoll – müssten aber weiterhin leicht für den Autoverkehr erreichbar bleiben.

Die Sorgen des Handels

Die Einzelhändler sehen derzeit nicht so entspannt in die Zukunft. Zwei Faktoren bereiten ihnen Sorgen: Zum einen fühlen sie den Druck, der durch die Digitalisierung entsteht. Durch den Online-Handel reduziert sich der Umsatz jedes einzelnen Händlers – in jeder deutschen Stadt.

Das Lago als eines der Wahrzeichen des Konstanzer Handels. Im Moment fürchten Händler, dass das Singener Cano Konstanz als Einkaufsstadt ...
Das Lago als eines der Wahrzeichen des Konstanzer Handels. Im Moment fürchten Händler, dass das Singener Cano Konstanz als Einkaufsstadt Konkurrenz machen wird. | Bild: Hanser, Oliver

Um einzukaufen, muss niemand in die Stadt

Claudius Marx, Geschäftsführer der IHK Hochrhein-Bodensee, formuliert es so: „Alle Versorgungsbeziehungen lassen sich bequem stadtfern organisieren. Die Stadt ist optional geworden.“

Die Schlussfolgerung liegt aus Sicht der Handelstreibenden nahe: Sich auf den Weg in die Stadt zu machen, müsse in Zukunft, wenn es schon nicht so bequem sei, umso attraktiver werden. Ein Besuch in der Stadt müsse, vor allem für Gäste, einen hohen Erlebniswert und Spaßfaktor haben.

Die Sache mit dem Klimaschutz

Und das ist die zweite Sorge der Händler: Oberbürgermeister Uli Burchardt (CDU) und der Gemeinderat versuchen angesichts des Klimanotstands Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes voranzutreiben. Zur Diskussion steht, den Stephansplatz künftig nicht mehr als Parkplatz zu nutzen. Ebenfalls heiß umstritten ist ein geplantes Parkhaus am Döbele. Viele Stadträte sind der Meinung, einen Mobilitätspunkt mit vielen Stellplätzen zu bauen, sei das falsche Signal.

Händler sagen: Das geht zu schnell

Den Händlern gehen die Maßnahmen wiederum zu schnell voran. „Wir beobachten eine Veränderung der Rahmenbedingungen“, sagt Peter Kolb, Geschäftsführer von Sport Gruner, „und haben große Sorge, wenn die Maßnahmen nicht in der richtigen Reihenfolge erfolgen.“

Werden die Autofahrer vergrault?

Die richtige Reihenfolge? Die Händler haben schlicht Bedenken, dass die Politik zuerst die Erreichbarkeit der Innenstadt mit dem Auto erschwert und sich dann erst im zweiten Schritt um Alternativen bemüht.

Im Klartext: „Wir fordern klar: ein Parkhaus am Döbele und am Brückenkopf“, sagt Peter Kolb, „das wollen wir. Wir haben Angst vor dem, was hier politisch entschieden wird.“

Was der Handel sich wünscht

Die Ziele steckt IHK-Geschäftsführer Marx gern hoch: „Wir werden die attraktivste Stadt im Land“, formuliert er bewusst als Vision in einem mit den Händlern gemeinsam verfassten Papier.

Das Umsteigen auf den Nahverkehr muss Spaß machen

Den Verkehr solle man, so formuliert es Marx, an die Grenzen der Stadt steuern. Konstanz soll dabei aber für Autofahrer nicht an Attraktivität verlieren. „Es muss bequem sein und die Convenience muss stimmen.“ Was er damit meint? Das Umsteigen auf Leihräder, Wasserbusse, künftig vielleicht autonome Fahrzeuge, muss Spaß machen – sonst funktioniert es nicht. Das Credo der Händler: Man dürfe den Individualverkehr nicht ausbremsen, bevor es Alternativen gebe.

Was der Oberbürgermeister dazu sagt

Uli Burchardt kann den Händlern die Sorgen nicht nehmen. Er versichert jedoch während der Konferenz: „Dafür, dass die Stadt funktioniert, bin ich mitverantwortlich.“ Das Funktionieren des städtischen Verkehrs habe also Priorität.

Das könnte Sie auch interessieren

Wie steht der OB zur autofreien Innenstadt?

Der Forderung nach einer autofreien Innenstadt stehe er positiv gegenüber, sagt Uli Burchardt. Der Stephansplatz sei von symbolischer Bedeutung: „Wir wollen zunächst Aktionstage mit einem autofreien Stephansplatz veranstalten“, sagt Burchardt. Ziel sei es, die Aufenthaltsqualität des Platzes zu erleben.

Mal als Test im Sommer 2019: Die Gruppierung Extinction Rebellion, hier Jessica Nafz, Eva Gotzhein, Felix Petersen und Sophie ...
Mal als Test im Sommer 2019: Die Gruppierung Extinction Rebellion, hier Jessica Nafz, Eva Gotzhein, Felix Petersen und Sophie Lichtenstern, blockiert bei einer angemeldeten Aktion den Stephansplatz. Und zeigt kreativ, wie man ihn gestalten kann, wenn dort keine Autos parken. | Bild: Wagner, Claudia

Parallel wollen er und der Gemeinderat die Verkehrssteuerung für die Innenstadt angehen. Zahlen einer Studie, die im ersten Halbjahr 2020 erwartet werden, sollen weiterhelfen. Auf deren Grundlage sollen die wesentlichen Fragen geklärt werden: Muss die Bustaktung erhöht werden? Braucht es günstigere Tarife? Müssen mehr Busfahrer eingestellt werden? „Wir werden vermutlich kostenlosen Nahverkehr in der Innenstadt anbieten wollen“, sagt Uli Burchardt voraus. Die Stadtwerke seien beauftragt, dies zu prüfen.

Und wann der ganze Verkehrsumbau geschehen soll? Das ist ungewiss. „Seriös kann im Moment niemand sagen, wann die Innenstadt autofrei sein wird“, sagt Burchardt.