Frau Krieglstein, wie haben Sie die Minuten vor Ihrer Wahl erlebt?

Es war wahnsinnig aufregend. Die inneren Systeme spielen da schon etwas verrückt, als Kandidatin bekommt man die Entscheidungsprozesse ja nicht mit. Anfangs war ich der festen Überzeugung, dass sich die Universität für den internen Kandidaten entscheidet und hätte ihr das auch nicht übelgenommen.

Warum so bescheiden?

Eine externe Kandidatin zu wählen, heißt, jemanden zu wählen, den man nicht so gut kennt. Natürlich hatte ich gewisse Ambitionen, sonst hätte ich mich nicht beworben. Aber deshalb allein ziehe ich noch keine Wählerstimmen auf mich. Ich kann ja nicht nur Dinge versprechen, sondern muss diese anschließend auch halten.

Wie gut kennen Sie die Stadt?

Ein bisschen schon von früheren Besuchen. Aber ganz konkret habe ich jetzt noch einmal am Vorabend, bevor die Entscheidung am Dienstag fiel, genauer hingeschaut und einen schönen Abend in Konstanz verbracht.

Und was macht Konstanz für Sie aus?

Zum einen die Geschichte der Stadt, zum anderen das pulsierende Leben zwischen Gegenwart und Geschichte, wenn man hierher kommt. Das ist für jeden Besucher beeindruckend, finde ich.

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Und was macht die Uni aus?

Sie beeindruckt ebenso. Immer wieder habe ich aus der Distanz erlebt, dass sie in Feldern brilliert hat, in denen sich große, namhaftere Universitäten nicht durchsetzten. Da habe ich mir oft gesagt: 'Wow, Konstanz'. Als ich mich dann genauer mit den internen Prozessen beschäftigt hatte, habe ich erlebt, warum die Universität der Konkurrenz immer wieder den Rang ablaufen kann: kurze Wege, Kommunikationsfreudigkeit, das Bedürfnis, sich einzubringen. Die übergeordneten Werte der Universität sind sehr beeindruckend.

Über allem sollten die Studierenden stehen. Wie erleben sie die?

Die Konstanzer Studierenden sind sehr interessiert daran, sich einzubringen. Sie sind vor allem aber offen und berücksichtigen alle Aspekte studentischen Lebens. An der Universität Konstanz geht es nicht so sehr um politische Dogmen, sondern um die Verbesserung der studentischen Bedürfnisse. Deshalb höre ich gerne zu und überlege sofort, wo man etwas tun kann.

Und wo ist das?

Studierende haben durch die Entwicklung des Bachelor-Master-Systems weniger Zeit. Da kann ein Engagement in der studentischen Selbstverwaltung in Konkurrenz mit der Studienleistung treten. Die Frage muss sein: Wie kann man Studierende motivieren, sich zusätzlich zu engagieren? Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, dieses Engagement als Entschuldigung für bestimmte Abwesenheiten von Pflichtveranstaltungen gelten zu lassen. So habe ich das persönlich bisher gehandhabt.

Darüber hinaus: Was ist das größte Thema für Studierende hier?

Konstanz gilt als eine der teuersten Universitäts-Städte Baden-Württembergs, mit knappem und teurem Wohnraum. Dringender Wunsch ist, und muss es auch weiterhin sein, dass bezahlbarer Wohnraum für Studierende geschaffen wird. In diesem Zusammenhang finde ich es großartig, dass der Gemeinderat vor wenigen Wochen eine Erklärung zur schnelleren Entlastung des Wohnungsmarkts abgegeben hat. Dabei sollten unbedingt auch die Studierenden und die Beschäftigten der Universität im Blickfeld bleiben.

Erleben Sie die Universität als Teil der Konstanzer Gesellschaft?

Beide können nur wechselseitig voneinander profitieren. Die Universität trägt den Namen der Stadt, die Stadt wiederum nennt als ersten Satz auf ihrer Website, dass sie eine Bildungsstadt ist. Dieses Miteinander sollte weiterhin gefördert werden – davon abgesehen, dass die 11 500 Studierenden und 2.200 Mitarbeiter Konstanzerinnen und Konstanzer sind.

Ihr Vorgänger ist Befürworter der Exzellenzstrategie. Sie auch?

Ja. Die Politik wollte mit diesem Programm die Bildungslandschaft auf neue Füße stellen und das hat sie geschafft. Sie lässt die Hochschulen sich jetzt permanent selbst hinterfragen, ob sie das Richtige tun. Darüber hinaus freue ich mich über die Förderlinie Exzellenzcluster, die eine Spezialisierung einzelner Standorte ermöglicht. Der theoretische Ansatz ist also ein sehr, sehr guter.

Der praktische nicht?

Die Kehrseite der Medaille ist, dass durch die zeitliche Taktung von einem Tag auf den anderen hohe finanzielle Summen in Frage stehen. Wenn also ein Cluster nicht erfolgreich ist, kann das einschneidende Konsequenzen haben. Und Fakt ist: Das Ansehen einer Universität wird über die Entscheidung „Exzellenz oder Nicht-Exzellenz“ beeinflusst werden. Aus diesem Prozess kommen beantragende Universitäten nicht mehr heraus. Es sei denn, man möchte Provinz-Universität werden.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass Konstanz genau das nicht wird?

Eigentlich sehr. Mir bleibt im Moment nur, die wissenschaftliche Kompetenz zu bewerten, und die ist großartig. Und auch rein statistisch stehen die Chancen gut, dass mindestens zwei von drei unserer Cluster Ende September gefördert werden.

Wäre es ein Fehlstart für Sie, wenn das nicht klappt?

Als Fehlstart würde ich es nicht werten, da ich von der Qualität der Universität Konstanz absolut überzeugt bin. Aber die Arbeit würde schwieriger werden. Es müsste Gleiches geleistet werden, aber mit weniger Geld. Auf der anderen Seite könnte man als Gegenargument sagen: Dann müssten wir uns bis zur nächsten Entscheidung in der Exzellenzstrategie in sieben Jahren hinterfragen, um dann erfolgreich zu sein.

Ihr Vorgänger ist Physiker, Sie selbst sind Chemikerin und Pharmakologin, ihr Konkurrent ist Biologe. Sind Naturwissenschaftler bessere Führungspersönlichkeiten?

(lacht) Nein, das glaube ich nicht. Das Fach entscheidet nicht über Führungskompetenz. Dafür kann man zusätzliche Schulungen belegen und mit offenen Augen durch die Welt gehen, um zu sehen, was für gute Führungspersönlichkeiten wichtig ist.

Wie wollen Sie die Uni führen?

Ich möchte kommunizieren und motivieren, Hierarchiedenken passt nicht zu Konstanz. Auch als Rektorin kann man keine Universität in eine Richtung entwickeln, die dort nicht gewollt ist.

Sind Sie stolz, dass Sie im Moment die einzige Frau an der Spitze einer Universität in Baden-Württemberg sind?

Darauf kann die Universität stolz sein. Aber es ist ein Erfolg, die „gläserne Decke“ zu durchstoßen. Damit geht aber auch eine Verantwortung dafür einher, dass ich die Aufgabe gut mache und damit zum Vorbild für andere werden kann.

Glauben Sie, dass die beiden Punkte, von außen zu kommen und eine Frau zu sein, dazu beigetragen haben, dass man sich für Sie entschied?

Man selbst sagt, es kann nur die Qualität gewesen sein (lacht). Ich glaube schon, dass ich durch meine vergleichbare Position in Freiburg bewiesen habe, dass ich auch die jetzige als Rektorin der Universität Konstanz ausfüllen kann.

Fragen: Benjamin Brumm

Gegen 20 Mitbewerber durchgesetzt: So fiel die Wahl auf Kerstin Krieglstein

Weil Ulrich Rüdiger vorzeitig aus dem Amt scheidet, um das Rektorat der RWTH Aachen zu übernehmen, musste seine ursprünglich bis 2023 befristete Position neu besetzt werden. Der Wahl von Kerstin Krieglstein ging ein längerer Prozess voraus:

 

  • Wer ist Kerstin Krieglstein? Die Hirnforscherin wurde 1963 in Erlangen geboren. Sie studierte Chemie und Pharmazie in Marburg und München, promovierte 1990 und legte 1997 ihre Habilitation im Bereich Anatomie und Zellbiologie ab. Seit April 2014 leitet sie hauptamtlich die Medizinische Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg. Seit 2007 ist sie Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.
  • Wie wurde über die Besetzung entschieden? Gemäß Hochschulgesetz musste eine Findungskommission eingesetzt werden, die zu gleicher Zahl aus Mitgliedern des Universitätsrats und des Senats bestand. Den Vorsitz übernahm Ute Frevert. Aus insgesamt 21 Bewerbern wählte die Kommission zunächst vier Frauen und zwei Männer aus, die sich persönlich vorstellten. Zwei Bewerber wurden zur Wahl vorgeschlagen und vom Wissenschaftsministerium des Landes zugelassen. Beide traten im Juni bei einer Anhörung an der Universität auf, die Wahl durch den Senat und den Universitätsrat erfolgte am Dienstag.
  • Wer war Kerstin Krieglsteins Konkurrent? Martin Scheffner, der seit 2004 Professor für Zelluläre Biochemie an der Universität
    Konstanz ist, dort von 1982 bis 1987 Biologie studierte, sowie später promovierte und habilitierte. Nach vier Jahren in Köln kehrte er als Professor nach Konstanz zurück. Scheffner war von 2010 bis 2014 Dekan des Bereichs Mathematik und Naturwissenschaften und erhielt 2014 und 2016 den Lehrpreis der Universität Konstanz von Studierenden (LUKS).
  • Wie lauteten die Kriterien der Findungskommission? Wichtigste Voraussetzung sei gewesen, dass die Persönlichkeit zu Konstanz passe, erklärt die Vorsitzende, Ute Frevert. "Also muss sie erstens ein exzellentes wissenschaftliches Profil aufweisen, zweitens über Leitungserfahrung verfügen und drittens sogenannte Führungsqualitäten besitzen." Konret erwartete die Findungskommission für die Position einen Menschen, der gestalten und entscheiden könne, "aber nicht über die Köpfe der Universitätsmitglieder hinweg, sondern im konstruktiven Dialog", so Frevert.
Benjamin Brumm