Benjamin Brumm und Urs Brüschweiler

Bis zu 310 Geflüchtete, denen eine Abweisung aus der Schweiz bevorsteht, werden künftig in der Döbelistraße in Kreuzlingen untergebracht. Wenige hundert Meter von der Grenze nach Konstanz entfernt eröffnet am Freitag, 1. März, ein sogenanntes Bundesasylzentrum ohne Verfahren.

Was ist durch die Änderung zum Asylzentrum neu?

Bereits zuvor befand sich dort ein Gebäude für Geflüchtete. Nach einer Umstrukturierung des Schweizer Systems zum Umgang mit geflüchteten Menschen und einem Umbau kommen dort Personen unter, „deren Asylverfahren unter das Dublin-Abkommen fallen oder deren Asylgesuche abgelehnt wurden“, wie das Schweizer Staatssekretariat für Migration beschreibt.

Die maximale Aufenthaltsdauer bis zur Ausweisung aus der Schweiz liege bei 140 Tagen. Straffällige werden nicht darunter sein, für sie seien Strafverfolgungsbehörden zuständig.

Wie reagiert die Gemeinde Kreuzlingen auf die neuen Aufgaben?

In Kreuzlingen ist die Bevölkerung nun über mögliche Änderungen durch die Umwandlung informiert worden.

Bei einem Informationsabend in Kreuzlingen hat Roger Boxler die Bürger über die Änderungen durch das neue Bundesasylzentrum informiert.
Bei einem Informationsabend in Kreuzlingen hat Roger Boxler die Bürger über die Änderungen durch das neue Bundesasylzentrum informiert. | Bild: Andrea Stalder

Großer Aufruhr blieb dabei aus. Jahrzehntelange Erfahrungen mit dem früheren Empfangs- und Verfahrenszentrum dämpfen die Besorgnis über die bevorstehenden Veränderungen.

Kreuzlingens Stadtpräsident Thomas Niederberger, vergleichbar mit einem deutschen Oberbürgermeister, sprach von schwierigen und einfachen Zeiten. „Wir haben immer alle gemeinsam nach Lösungen gesucht, wenn es Probleme gab.“ Es sei alles unternommen worden, dass man sagen könne: „Wir sind bereit.“ Am Anfang werde man aber sicher ein besonderes Augenmerk auf die Sicherheit legen.

Ändern sich die Sicherheitskonzepte der Polizei und der Ämter?

Grundsätzlich gehen Sicherheitsbehörden beiderseits der Grenze nicht von wesentlichen Änderungen für ihre Planungen aus. Aus dem Landratsamt Konstanz hieß es zuletzt: "Auswirkungen auf den Landkreis Konstanz durch die auf Schweizer Seite geplante Maßnahme werden unsererseits nicht erwartet."

Auch Daniel Bach vom Schweizer Staatssekretariat für Migration rechnet nicht mit einer grundlegenden Anpassung des Sicherheitskonzepts im Ausreisezentrum, "weil es erfahrungsgemäß in Zentren ohne Verfahrensfunktion nicht mehr gewalttätige Vorfälle gibt als in Zentren mit Verfahrensfunktion". Die Bundespolizeiinspektion Konstanz äußerte gegenüber dem SÜDKURIER ebenfalls keine Sicherheitsbedenken.

René Lang von der Kantonspolizei Thurgau erklärte bei der Infoveranstaltung kurz vor Eröffnung, man rechne nur mit geringfügig mehr Einsätzen. Konkrete Zahlen, nach denen er gefragt wurde, durfte er nicht nennen, aber die Statistik sei in den letzten Jahren stabil geblieben. Geplant sei, auch weiterhin präventiv Präsenz zu zeigen. „Nicht immer wenn Polizeiwagen vorfahren, ist etwas passiert“, sagte Lang.

Welche Bedenken wurden in Kreuzlingen geäußert?

Nachfragen gab es auch – dies vom Kreuzlinger FDP-Gemeinderat Alexander Salzmann – ob sich durch die Umwandlung die Zahl der untergetauchten Personen erhöhen könne. Martin Liechti, stellvertretender Leiter der Asylregion Ostschweiz, zog den Vergleich zu Embrach (Kanton Zürich).

Dort gibt bereits ein Asylzentrum, wie es jetzt in Kreuzlingen eröffnet. Es gebe tatsächlich viele Personen, die untertauchten. „Aber die bleiben gewöhnlich nicht in der Nähe des Zentrums, sondern reisen ins Ausland oder suchen die Nähe der großen Städte“, erklärte Liechti.

Roger Boxler vom Schweizer Staatssekretariat für Migration ist Leiter des Bundesasylzentrums in Kreuzlingen.
Roger Boxler vom Schweizer Staatssekretariat für Migration ist Leiter des Bundesasylzentrums in Kreuzlingen. | Bild: Andrea Stalder

Laut dem Leiter der Behörde, Roger Boxler, sei dies kein neues Phänomen. „Es passiert wegen der beschleunigten Verfahren jetzt einfach früher.“ Die Herkunft der in Kreuzlingen untergebrachten Menschen, werde sich nach wie vor nach der weltpolitischen Lage zusammensetzen und verändern, ergänzte Boxler.

Anwohner des bisherigen Empfangszentrums äußerten weniger Sicherheitsbedenken als das achtlose Wegwerfen von Müll oder volltrunkene Asylbewerber. Eine Frau berichtete davon, dass diese "immer näher an unsere Häuser kommen". Kürzlich habe eine Person im Schlafsack in ihrem Garten übernachtet. Laut Roger Boxler von der Asylregion Ostschweiz wolle man Erfahrungen sammeln, wie sich die Perspektivlosigkeit der Flüchtlinge nach einem negativen Asylentscheid und vor ihrer Ausreise auswirke. „Wir behalten das im Auge“, sagte er.